Kapitel 2: Das tägliche Brot

10 1 0
                                    

"Mein Schädel", stöhnte der auf dem Holzboden Kauernde. Er erhob sich ein Stück: "Mein Rücken." Du hast Federbetten und ich schlafe auf dem Fußboden?" Ein leises Lachen kam von der anderen Zimmerseite. Ben saß am Tisch mit einer Gaslampe und hielt die Nase in ein Buch. "Wasser", sagte Robert und streckte demonstrativ die Zunge aus dem Hals. "Neben dir. Die große Flasche. In der Kleinen ist Brandwein." "Ich brauch was zu essen. Ich weiß, wo man sehr gut Fleisch klauen kann." "Nein nein", sagte Ben, "wir holen später was. Ich will dir eh noch was zeigen. Was machen deine Finger?" "Geht." "Meinst du, du kannst klettern?" "Bestimmt." Draußen war es bereits Nacht geworden: Benjamin suchte in seinem Schrank zwei Capes heraus, eins für ihn und eins für seinen neuen Kumpanen: "Hier, es regnet wie Sau. Und mach dein Tuch wieder um dem Kopf."
Er selbst warf sich den anderen Regenmantel über und nahm seine Laterne, sowie einen Beutel mit Zubehör.
Unten auf der Straße angekommen ging Ben in eine Hintertür des Hauses, an dessen Ecke sich die Kneipe "Alte Seewöve" befand. "Warte kurz", sagte er, war aber eine Minute später bereits wieder da. "Hier, nimm die Tasche", sagte er und übergab sie seinem Begleiter.
"Was machen wir?", fragte der Rote. "Wir liefen ein wenig Zeug aus und sehen uns was an", erwiderte Ben. "Toll."
Die Straße entlang befanden sich die beiden noch oben im Gebiet Whiteground, unterhalb der Alten Stadtmauer und dem alten Abflusssystem, das hier besonders gut von der alten Burg Lodea aus der Zeit der alten Weltregierung erhalten geblieben war.
Die Straßen waren eng und man sah zu dieser späten Stunde, dass die Bars und Spiellokale gut besucht waren. Ein Betrunkender taumelte auf die beiden Jungen zu, sodass sie ausweichen mussten. Der Geruch von Sumpfkraut lag in der Luft. An einem Bäckerladen mit Backstube machten die beiden Halt. Benjamin klopfte leise und kratze an einer Fensterladen. Wenige Sekunden danach wurde diese geöffnet. Ein Mädchen mit Sommersprossen, dunkelblonden Haaren und großen blauen Augen öffnete. "Benji?", zischte sie leise in die dunkle Straße und verschwand vom Fenster, ohne eine Antwort abzuwarten. Benjamin warf sich über die Fensterbank in das Zimmer und signalisierte Robert, ihm zu folgen. "Oh, wer ist dein Kollege?", fragte das Mädchen. Das Zimmer war ein Lagerraum. Daneben im Zimmer waren Kinderspielsachen zu sehen. Ein kleiner Junge mit hellblonden Haaren spielte. "Hallo", sagte der Rote, wurde aber von Ben ermahnt, leise zu sein. Der Rote stellte sich vor, das Mädchen hieße Mai. Der Junge war ihr kleiner Bruder. Beide wohnten hier und der vordere Betrieb gehörte ihren Eltern. "Hier, dein Proviant, ich hole schnell noch etwas mehr, wenn ihr zu zweit seid." Sie brachte noch weitere Backwaren. Es waren Reste, unverkäufliche Waren, oder Dinge, die nicht auffielen, wenn sie fehlten. "Du isst hier jetzt nicht. Du krümelst hier noch alles voll", sagte Mai und zeigte auf den Roten. "Ein Pizzabrötchen!" warf er begeistert ein und hielt es dabei hoch. "Zeig mir mal deine Hand. Oh und die andere am besten auch, ich binde sie dir. So kannst du die Finger noch benutzen, aber es kommt kein Dreck in die Wunden. Ihr wollte doch bestimmt auf der Stadtmauer langturnen!" Mai kannte sich wohl aus und wusste, was Ben so trieb. "Toll", sagte Robert, "wieso kannst du das so gut?" "Wenn man in einer Backstube arbeitet, schneidet man sich oder verbrennt sich schonmal die Finger. Schau!", sie hob ihren Arm und hatte ebenfalls Verbände. "Außerdem mein Bruder Taru, der fällt manchmal hin oder fasst ein heißes Backblech an. Dann muss ich ihn auch verbinden." Sie lächelte breit, der Rote lächelte zurück. Er nahm sich das Tuch ab und band es sich neu. "Jetzt erkenne ich dich", zischte Mai etwas zu laut für heimlichen, nächtlichen Besuch. "Du bist der Rothaarige. Deine Haare sehen aus, als hätten sie Feuer gefangen", kicherte sie. "Den habe ich ja noch nie gehört", zischte Rothaar ironisch. Beide lachten und hielten sich sobald den Mund zu. "Nun aber raus hier", sagte Mai. Sie hatte bereits einen Lappen zur Hand, um den Dreck der Stiefel wegzuwischen, den die beiden hereingetragen hatten. Beide Jungs verabschiedeten sich und hüpften aus dem Fenster in die Gasse zurück.
"Du magst sie, richtig?", fragte Ben grinsend. "Sag ich nicht", murmelte der andere ebenfalls grinsend. Die Straße endete. Ben zeigte auf ein zugewachsenes Stück der alten Stadtmauer hinter einem Garten. Ben kletterte auf den Zaun eines Wohnhauses, eine dünner Steinmauer, und sprang dann in den Garten. "Komm, hierlang", flüsterte er. Durch die Sträucher in dem Garten kamen sie zum richtigen Teil der Stadtmauer und durch weiteres Gestrüpp in einen alten Wasserablauf. "Pass auf, dieser Teil wird noch genutzt. Geh dort an der Seite oder du trittst in Abwasser." Es stank dementsprechend. Ben hatte seine Gaslampe mit einer passenden Befestigung dabei, um in dem Rohrsystem ausreichend sehen zu können. Die ehemalige Stadtmauer der Burg Lodea umfasste in den 1700ern nur noch den Stadtkern der Stadt Lodea. Darin befanden sich einige alte Gebäude, die aber heute zumeist einen anderen Nutzen hatten als früher. Vom Haupttor, dem Südtor, ging es die Hauptverkehrstraße herunter zum Marktplatz und davor direkt lag der Haupthafen Lodeas.
Die beiden waren nun durch das Rohrsystem vom außerhalb liegenden Whiteground im Zentrumsviertel angekommen. "Hier ist bereits Central", sagte Ben. Ein paar Ratten stritten sich im Licht der Laterne, um etwas zu fressen. Der Rote warf ihnen ein Stück von seinem Brot hin. "Ey, du hast den Proviant gleich alle, du Trottel. Spar ihn ein", feigste Ben. "Hier", er zeigte nach oben. Dort verlief an der Kanalisation oben eine Seitenstraße. Die beiden kletterten eine rostige Leiter hoch. Ben hielt sich oben an einer Seite fest und Robert neben ihm an der anderen und sie spähten über die Kante, sodass sie die Straße, einen Hof und Gebäude erkennen konnten. "Das ist der Kaserenenplatz", sagte der Rote. "Genau hier ist das direkte Regierungsviertel. Siehst du das Gebäude dort?" Es befand sich direkt am Kasernenvorplatz. Man hörte Leute die Straße entlang kommen. Die beiden duckten sich herunten und hingen an der Leiter an die Wand gepresst, um nicht gesehen zu werden, bis die Luft wieder rein war. "Sieht machbar aus. Wir müssen uns das Ganze nochmal im Hellen ansehen." Sie liefen nun unterhalb der Leiter weiter. "Wir verstehen uns", kicherte Ben. "Was gibt es dort zu holen?", fragte Robert ihn. "Das ist ein Munitions- und Waffenlager." 

"Ey Roter", fragte Benjamin, während die beiden eine Steinsenke hochkrabbelten, "wünschst du dir irgendwas besonders? Ich meine eine Sache, die du dir nicht leisten kannst?" Der Rote überlegte. Die beiden waren nun auf der normales Straße angekommen. "Ich würde gern immer satt werden."

An einem weiteren Rohreingang trafen die beiden zwei alte Kerle. Ben nahm ein kleines Päckchen aus der Tasche, die Robert trug, übergab es und nahm eine Handvoll Münzen an sich. Ebenso gab er dem einen eine Flasche. Nun ging es weiter.
Die Jungs befanden sich nun auf der Höhe der Stadtmauer, die hier bereits so gut wie gar nicht mehr vorhanden war. Unterhalb des Central-Viertels lag hier direkt nördlich von Whiteground Crossed, ein etwas besseres Wohnviertel. Die beiden schlenderten eine Straße entlang und klopften an einem schönen Haus, wo Ben dann durch ein Fenster Geld in empfang nahm und eine weiteres Päckchen reinreichte.
Als sie am Fluss Times River, der durch Lodea führte, ankamen, setzten sie sich in einen Unterstand und aßen von ihrem Lunchpaket.
Der Weg führte zur großen Brücke über den Times River in Crossed. Auf der anderen Seite des Flussen befand sich Reddinplus. Wie auch Whiteground waren die Stadtviertel  fächerförming und den Stadtkern herum verteilt. Deshalb konnte man am inneren Rand der Stadtmauer viel schneller die einzelnen Gebiete erreichen, die an der Stadtmitte begannen. Nur im Westen war das etwas anders, dort waren die besseren Wohnviertel Bluescorner und Flagging. Dorthin verschlug es weniger Straßenkinder. Crossed war bekannt für Industrie und Gewerbe. In Reddinplus wurde es, je weiter man sich von der Stadtmitte entfernte, ländlicher und viele Farmen waren dort zu finden.
Die beiden Jungs verschlug es allerdings weiter den Times River entlang bis zu einer weiteren Brücke. Ben sprang über ein Metallgitter über das Wasser auf eine Strebe und von da aus auf einen Betonsockel unterhalb des Brückenverlaufs. Er leuchtete Robert den Weg. Dieser sprang etwas wackliger, aber kam dort ebenfalls an. Zwei in Decken eingehüllte Gestalten saßen dort und eine weitere auf dem nächsten Steinsockel. Dieser war von der anderen Seite der Brücke einmal über die Straße ganz einfach per Treppe zu erreichen.
"Junge", sagte eine männliche Stimme, "wieviel für dies?", und streckte eine Handvoll Münzen aus. Ben zählte und übergab aus dem Beutel ein paar Pakete. "Guter Preis, danke Junge", sagte der andere. Sein Gesicht im Licht der Laterne sah schmutzig und alt aus. "Kinder", sagte eine Frauenstimme. Sie kam von der Gestalt, die sich an den alten Herrn kuschelte. "Ihr haltet euch doch fern von Whiteout?", fragte sie. "Das machen sie doch", beruhigte sie der Mann. "Machen wir, Oma", wiederholte Ben. "Dort ist es gefährlich, so viele sind dort gestorben, schon seit Jahren, dort sterben die Menschen!", keuchte sie. "Beruhige dich wieder", sagte der Mann und nahm sie wieder in den Arm. "Danke für die Lieferung, passt auf euch auf Kinder." Die beiden Jungs verabschiedeten sich, sprangen über den kleinen Abhang auf den nächsten Stein und liefen zur Treppe. "Du auch?", fragte Ben den anderen Mann, der nur mit einer Kappe und Shorts bekleidet auf der Kante des Steins saß. "Verpiss dich mit diesem Dreck!", keifte er und machte eine abwertende Handbewegung. "Branntwein, hochprozentig", fügte Ben hinzu. "Vergiften wollt ihr mich, ihr Drecksblagen, euch mach ich Beine!" Bevor der Mann aufstehen konnte, waren die Jungs bereits oben auf der Brücke angekommen. "Schnell, die Bahn", rief Ben, rannte los und der Rote folge ihm. Sie liefen zur Mitte der Straße, wo eine Eisenbahn zum Indistriegelände weiter durch Whiteground und bis zum Haupthafen fuhr. Die beiden Jungs sprangen auf eine Gabel zwischen zwei Wagons auf und wurden für lau zurück nach Whiteground gegondelt.
Einige Minuten später rief Ben: "Hier!" und beide sprangen ab. Nachdem Benjamin noch ein Päckchen an einen Hafenarbeiter verkauft hatte, liefen sie nun direkt zum Strand von Whiteground. Dieser Teil wurde Whiteout genannt. Hier war das Ende vieler Existenzen anzutreffen. Drogensüchtige, Obdachlose und Prostituierte, sowie Straßenkinder und Kombinationen daraus prägten hier das Stadtbild.
"Was wollen wir hier?", fragte der Rote, "ist Sumpfkraut stark genug für die Menschen hier?"

One Piece - Golden AgeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt