Kapitel 16: Die Kinder der Natur

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Robert saß auf dem Dach der Scheune auf dem Silverstin-Hof. Er rauchte Zigaretten mit Tabak, der angeblich nur in der Neuen Welt angebaut wurde. Vom Gehalt vom Hof hatte er sich ein paar ausgewählte Spirituosen gekauft, die er nun einige Tage in Folge zur Verköstigung nutzte. Er schaute auf den Wald. Er schluckte noch einen Schluck Kräuterlikör mit irgendwelchen Kräutern aus dem Süden Romanikas. Schmeckte trotzdem wie Medizin, Robert spuckte das Zeug aus, trat die Kippe auf dem Dach aus und schleuderte die Pulle weg. "Scheiß drauf", sagte er zu sich selbst. Er sprang vom Dach. "Wo ist Sevras?", fragte er. "Er schläft drinnen", sagte Lore. "Robert, dir geht es nicht gut, oder?" "Ich will kurz mit Opa reden", sagte er und ging ins Zimmer. Silverstin lag in seinem Bett. Über dem Bett hing ein Säbel. Er hatte Bilder und uralt aussehende Schiffsmodelle aus Holz in seinem Schlafzimmer stehen. "Opa", sagte der Rote leise. "Shanks...", antwortete Silverstin. "Wo ist denn meine Flinte verdammt?", fragte Silverstin und richtete sich ein Stück auf. "Weiß nicht, hör mal..." "Früher hab ich damit praktisch im Arm geschlafen, kannst nie wissen..." "Opa, ich wollte mich..." "Du willst die Bäume suchen?" Robert schaute ihn an, da war es wieder, der alte Silverstin schien zu wissen, was los war, was Robert machen wollte, was passieren würde. Er hatte Robert eine Option in den Kopf gesetzt, einen Ratschlag, noch bevor Robert ihn benötigte. Er wusste nicht, wie Silverstin das machte, aber er folgte ihm. "Geh nach Westen, an der Küste entlang, Richtung Westen." Es gab noch mehr Erklärungen dazu. Aus irgendeinem Grund schien der Opa zu wissen, wo dieser Ort sein ist. Wie vor Augen hatte Robert den Teil einer Bucht, Klippen und Waldstücke. "Vielen Dank, wir sehen uns bald wieder, Opa." "Natürlich", sagte Silverstin, "aber ich denke, wenn's wieder Krieg gibt, könnten die mich brauchen, also weiß man nie, ob man nochmal raus muss..." Robert verabschiedete sich von Graham und Lorette, nahm sein Glücksschwert und einige Sachen und kletterte durch den Zaun der Kuhweide. Er herzte ein paar seiner anvertrauten Kühe und kletterte an der anderen Seite wieder hinaus Richtung Wald, südwestlich zur Küste. "Das wird sicher nicht so einfach", dachte sich Robert. Es war bereits herbstlich in Grand Storm. Es wurde gerade Nacht und damit kalt. Sturm und Regen gab es bekanntermaßen eh öfter. Irgendwie war Robert froh, aus Lodea raus zu sein.

"Du hast es bis hier her geschafft?", fragte eine Stimme hinter Robert. Er drehte sich um und erkannte das Mädchen. "Dich hab ich an der Farm gesehen", erwiderte der Rote. Er war entkräftet, müde und sehr hungrig. "Ja, das war ich", sagte sie. Sie war ein paar Jahre älter als Robert, sie hatte helle, aber von der Sonne gebräunte Haut, war sehr schlank und circa gleich groß wie Robert. Sie trug seltsame Kleidung, die auch der Jahreszeit und Witterung entsprechend sehr dünn war. Besonders auffällig war, dass sie barfuß lief. Ebenso ihre Haare, sie waren seltsam grün. Aber nicht unansehnlich. Sie hatte ein spezielles Gesicht, eine hohe Stirn und buschige Augenbrauen. Sie war aber alles andere als hässlich. Umso mehr verwunderlich, da sie, wie Robert nun erfahren sollte, im Wald lebte und ihn so gut wie nie verließ. "Wie hast du hier her gefunden?", fragte sie. "Mein Opa, Silverstin, er hat mir vom Wald erzählt..." Die junge Frau schaute ihn kritisch an. "Ich dachte erst, er sei wohl etwas verwirrt. Manchmal trinkt er einen zu viel." Er schaute das Mädchen prüfend an. "Naja, und er erzählte mir was von Geistern und leuchtenden Bäumen. Und auch, wie ich diese finden kann..." "Ich verstehe. Komm, iss erstmal etwas, du musst hungrig sein." Robert ging neben ihr her. "Und ich dachte, ich muss raus aus der Stadt, verdammtes Whiteout." "Dann bist du hier richtig, gut gemacht." Ihre Ausdrucksweise war ebenfalls eigenwillig. "Mein Name ist übrigens Havoc", sagte sie. "Ernsthaft?", ließ Robert seinen Lippen freien Lauf. Sie schaute wieder etwas kritisch. "Cooler Name!", ergänzte der Rote, "Ich bin Robert!"

Robert bekam in einer kleinen Lagerstätte von Havoc Vorräte zu essen. Es war seltsame Nahrung, wie er sie noch nie gegessen hatte. Aber er war zu hungrig und beschäftigt, sie reinzuschaufeln, um darüber nachzudenken. "Du lebst echt in diesem Wald?", fragte er. "Ich reise herum, durch den Süden Grand Storms." "Warum?" "Es ist meine Aufgabe, eine Pflicht." Robert schaute sie fragend an. Ich bin die Beschützein der Bäume, seit Generationen liegt diese Aufgabe in Grand Storm in der Familie." Robert verstand natürlich nicht, was sie damit sagen mochte. "Ich möchte, dass du mich begleitest. Ich werde dir zeigen, wie man im Wald überlebt." Robert nickte: "Okay, danke." Er wusste nicht so recht, was er hier eigentlich vor hatte. "Bevor ich dir mehr erzähle über die Bäume und die Geschichte dieser Wälder, muss ich dir jemanden vorstellen." "Okay, lebt hier noch jemand im Wald?" "Nein, nicht hier, wir werden dorthin reisen. Es wird ein paar Tage dauern."

"Hier können wir rasten", sagte Havoc, "Du musst müde sein." Robert stand an einem kleinen Bach und reckte sich. Er zündete sich eine Zigaerette an, aber Havoc tadelte ihn sofort. "Lass diesen Dreck aus dem Hals. Er macht die Menschen krank. Man sollte nichts tun, was einen krank macht." Robert hörte auf sie. "Menschen betäuben ihre Sinne mit Brandwein oder Sumpfkraut." "Ist doch auch irgendwie Natur", entgegnete der Rote. "Natürlich, aber sie nutzen es falsch. Seine Sinne zu erweitern ist etwas Gutes. Seine Leistungsfähigkeit auf etwas bestimmtes zu richten, braucht Übung, kein Gift. Ein Künstler, der glaubt, Sumpfkraut zu benötigen, um zu malen, sollte es mit meiner Technik versuchen. Es funktioniert besser und macht nicht krank." "Aha", sagte Robert und dachte sich seinen Teil. Zum Abend wurde es wirklich kalt. Robert legte sich möglichst geschützt vor Wind und Regen ab. Havoc lag einfach im nassen Gras. Er war ja nicht gerade zart besaitet und kannte es, draußen zu schlafen. Aber seine Begleiterin war ein anderes Level. Er bibberte, doch Havoc schien Kälte rein gar nichts auszumachen. Sie schlüpfte unter die dünne Decke, die über Robert gelegt war. "Was machst du?", flüsterte Robert. Er konnte sie aufgrund der stockdunkeln Nacht nicht sehen, aber er roch ihre langen Haare. Ihre Haut war weich. Sein Herz klopfte. So nah war er noch nicht mal Mai gekommen. Er hatte zwar schonmal mit anderen Straßenkindern Küssen geübt, aber das war nun doch anders. Er berührte ihre Haut, rollte sich auf sie drauf und legte seine Lippen auf ihre. Aber dann ließ er es schlagartig doch wieder. "Wärm dich ruhig", sagte Havoc. "Nein", sagte Robert beschämt. "Ich weiß, warum du das nicht machen wolltest", sagte sie. "Weißt du nicht", antworte er. "Doch. Du hast ein anderes Mädchen im Kopf. Und weil du ein gutes Herz hast, kannst du mich nicht küssen." Sie hatte ihn ertappt. Havoc war nur ein wenig älter als er, aber sie war definitiv zu klug für ihn.

Die beiden kamen an einem Dorf an, das sehr abgelegen war. Es bestand aus kleinen Höfen mit Gärten. Die Straßen waren spärlich ausgebaut und nicht gepflastert. Ein Hund kam mit wedelndem Schwanz auf sie zu. Ein weiterer am Nachbarshof kläffte nur. Es gab nur wenige Häuser, aber ein zugewachsenes, das wohl kleinste des Dorfes, gehörte Havocs Großmutter. Die alte Frau nahm Roberts Hand und schaute ihn minutenlang an. Sie kam sehr dicht heran, denn sie war schon sehr alt und kurzsichtig. "Wunderbar", sagte die Großmutter. "Hast du etwas gesehen, Großmutter?" "Mechlin, mein Kind, du hast den Richtigen zu mir gebracht." Havoc schaute ihre Großmutter an. "Du hast meinen Segen." "Alles?", fragte Havoc. "Ja, alles, Mechlin." Robert verstand natürlich nicht, was hier vor sich ging. "Mein Junge, wie ist dein Name?", fragte die alte Frau. "Robert Kenway." Sie streichelte über seine Wange, Robert war ein wenig verlegen, aber diese Waldmenschen waren wohl einfach etwas eigenwillig, dachte er sich. "Robert, ich hab deine Zukunft angeschaut. Ich werde dir nun etwas mitgeben." Robert nickte nur. "Gerechtigkeit und Gnade. Dein Einsatz für andere Menschen bringt dich in die Neue Welt." Der Rote wiederholte die Worte leise. Zweimal sagte er sie für sich auf. "Ich bin nun sehr müde", sagte die alte Frau, "Ich muss mich nun hinlegen, Kinder." Sie stand auf, ging zu ihrem Bett und legte sich ab. Sie war so alt, dass sie es wie in Zeitlupe zu tun schien. Die jungen Leuten gingen hinaus und schauten sich ein wenig im Dorf um. Dann gingen sie wieder zurück in den Wald. "Meine Großmutter ist seit Jahrzehnten für die Leute sowas wie eine Heilige. Sie kann die Zukunft von Menschen sehen und sie mit ihren Ratschlägen leiten."


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