Kapitel 9: Der Coup

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Die Jungs hatten sich bei Carry eingefunden. Es wurden die Vorbereitungen für den Einbruch in die Lager im Regierungsviertel getroffen. Carrington würde den Kindern einen guten Preis für alte Waffen, Munition oder Maschinenteile zahlen. "Die Scheiße wird doch von vor dem Großen Krieg der Weltregierung sein, ist das überhaupt was wert?", fragte Ben. "Na klar, Junge", erklärte Carry, "viele Leute sammeln sowas, außerdem kann man die Waffen restaurieren und sogar noch vorzüglich zum Kampf benutzen."

Ausgestattet mit Lampen, Einbruchswerkzeug und falschen Schlössern, mit denen man vorgaukeln würde, die Tore wären intakt, machte man sich am Nachmittag auf. Die Aktion musste bei Tageslicht stattfinden, da man in den ohnehin spärlich beleuchteten Gemäuern sonst kaum etwas zu sehen wäre. Aber vor allem, weil man bei Nacht niemals die Bewegung der Menschen drumherum überwachen könnte. Gleichzeitig würde Licht von Lampen in den unbenutzten Gebäuden sofort auffallen. Im Hafenviertel und Teilen von Whiteground war Hafenfest, sodass nur das geringst nötige Wachpersonal zu erwarten war. Winny, der Fischmensch, in seiner Arbeitskleidung, würde Waren zum Versteck schleppen, die er von Lou annehmen würde. In Tücher gewickelt würde man nicht erkennen, um was für Waren es sich handelt, und man würde wahrscheinlich Nahrungsgüter erahnen. Außerdem gab es viele Fischmenschen, auch viele Gastarbeiter, die bei den Feierlichkeiten arbeiteten. Yasopp nahm auf der Stadtmauer Position ein. Von dort  aus konnte er überblicken, ob sich Wachen oder Passanten näherten, und gegebenenfalls die Aktion abblasen. Dafür hatte er eine Vorrichtung in Position. Eine Leuchtrakete würde anzeigen, dass die Aktion sofort beendet werden musste. Diese Rakete würde so vor dem Lager einschlagen, dass Robert und Benjamin im Inneren des Lagers, Lou unten in der Straße und auch Winny, mit Waren in einem Handwagen, es bemerken würden. Je nach Situation könnten die Beteiligten unauffällig verschwinden und sich nichts anmerken lassen oder die Beine in die Hand nehmen.

Über eine Gasse, die direkt zur alten Stadtmauer führte, machte sich die Bande von Carringtons Werkstatt aus auf den Weg. Winny hatte sich schon eher aufgemacht zum Lager. Er würde im Regierungsviertel warten. Die Jungs rauchten eine Zigarette, bevor sie sich einschworen und begannen, ihre Positionen einzunehmen. "Im Hafen müsste es nun bald richtig losgehen", stellte Lou fest. "Das ist unser Trumpf", grinste der Rote. "Auf gehts", sagte Yasopp und begann sich auf die Position auf der Stadtmauer hoch zu hangeln. Die Stadtmauer war bekanntermaßen, aufgrund ihrer Bauweise, sehr einfach zu besteigen, sowie auch sicher, was Abbruchkanten und lose Steine angeht. Dennoch sollte man auf der Hut sein und gerade bei nicht oft benutzten Kletterrouten aufpassen. Ein falscher Schritt oder Griff, ein loser Stein, kann einen möglicherweise tödlichen Sturz zur Folge haben. Gerade wenn es höher ging, war es weniger sicher, weil dort so gut wie nie jemand rumkraxelte. Yasopp ließ sich Zeit. Einmal segelte er trotzdem fast herunter. Es wäre zwar nur ein Sturz auf eine tiefere Ebene gewesen, aber auch dabei hätte man sich wahrscheinlich verletzt und hätte die Aktion abblasen können.

Die anderen drei Jungs gingen zu den Rohren. "Dieses hier", zeigte Ben an. "Dreckszeug", motzte Lou, der zuerst reinging und sein Gesicht nun voller Efeu und Spinnenweben hatte. Er kroch voran. "Ich war mir sicher, dass wir abbrechen müssen, weil du zu fett bist, Lou", rief Ben von hinten. "Fresse halten, da hinten", rief Lou. Ben kroch hinter Lou her, dann kam Robert. "Ich steck fest, ich steck fest", hörte man Lou mit gequälter Stimme rufen. Die drei hatten ihren Spaß. Natürlich steckte Lou nicht fest. Sie kamen unter der Straße an und kletterten die Leiter hinauf. Ben schaute, ob die Luft rein war. Die drei flitzten über die Straße, direkt zum ersten Lager. Robert schaute sich um, alles in Ordnung. Er sah Yasopp oben auf Position. Man konnte ihn schwer erkennen. Wenn man nicht wusste, dass er genau da sitzen würde, würde man ihn wohl kaum bemerken, was gut war. "Offen", sagte Lou. Ben und Robert schlüpften durch die Tür hinein. Lou versah die Tür mit dem falschen Schloss und nahm das geknackte, alte Schloss an sich. Er stellte sich in die Tür und zog von Innen zu. So sah die Tür von außen intakt aus. Die drei kramten. "Hier, Munition, wie erwartet", flüsterte Ben. "Ist das wirklich sicher?", fragte Lou. "Carrington sagte es so", erwiderte Ben. "Dann wirds wohl stimmen", feigste Lou, allerdings vertraute er schon auf Carrys Expertise. "Risiko gehört dazu", hörte er Robert sagen. "Halt die Klappe", antwortete Lou und schaute, ob die Luft rein war. Er flutschte nach draußen durch die Tür und brachte die erste Fuhre zu Winny, der in  Arbeitermontur mit seinem Handwagen wartete. Lous Aufgabe war es nun, an der Tür die Waren anzunehmen und zu Winny weiter zu leiten, der sie ins Lager stapelte. Dieses war in der Nähe. Carrington hatte seine Kontakte und konnte so ein passendes Objekt ausfindig machen, das als Zwischenlager für Hehlerware diente und nicht auf ihn zurück zu führen sein sollte. Zwar hatten die Jungs Instruktionen erhalten, was sie suchen sollten, allerdings waren Robert und Ben nicht die Experten auf diesem Feld. Außerdem dauerte es echt länger als erwartet. "Puhh", hörten sie Lou ächtzen. "Schweres Zeug?", fragte Ben. "Das isses nicht, mich haben da Leute gesehen, sah aus wie Personal vom Regierungsviertel. Sie haben aber nicht gesehen, wo ich hin bin." "Stimmt das Schloss außen?", fragte Ben. "Müsste." "Haltet trotzdem jetzt die Fresse, nicht kramen, Roter." Sie warteten eine Zeit. Draußen waren Stimmen zu hören. Aber es schien eine ganz normale Unterhaltung zu sein, Menschen gingen vorbei. Keiner beachtete die alten Lagerhallen aus Kriegszeiten. "Jo, weiter", sagte Lou, "müsste gehen". 

Die erste Aktion ging sehr von Statten. "Lief alles glatt, Winny?", fragte Carrington, als sein Kollege wieder bei ihm eintraf. "Was Gutes dabei gewesen?" "Klar Chef, sieht gut aus." "Und, gehen die Jungs morgen nochmal rein?" Carrington erhoffte sich natürlich noch alte Kriegswaffen, für die eigene Sammlung. "Morgen, wenn das Hafenfest auf dem Höhepunkt ist", antwortete Winny.

Die Jungs machten sich am nächsten Tag direkt wieder auf, das Lager neben dem vom Vortag aufzubrechen. Zwar war das erste natürlich alles andere als leergeräumt, allerdings könnte in einem weiteren natürlich etwas Wertvolleres sein. So würde es sich lohnen, ein neues Lager zu öffnen, um die begrenzte Zeit optimal zu nutzen. 

"Was ist das für ein Schrott?", flüsterte Ben. "Ist schön, oder?", sagte Robert und hielt ein altes Schwert hoch, sodass etwas mehr Licht darauf fiel. "Sieht aus, als wär's wirklich alt", meinte Ben. "Wie von einem Piraten!", stellte Robert fest. "Weiß nicht, eher eines Ritters vielleicht." "Was kennst du denn für Ritter?", kicherte der Rote. Das Schwert hatte eine doppelseitig geschärfte Klinge, die zum Griff hin halbkreisförming enger wurde. Die Klinge war nämlich ziemlich breit und massiv. Das Stück, das Klinge und Griff trennte, war rostfarben und der Griff grau. Ebenfalls gefärbt wie das Oberteil war das Stück, was unten den Griff abschloss. Es war leicht tropfenförming. Robert starrte es fasziniert an und schwang es herum. "Ey, Roter", fauchte Benjamin, "mach ma weiter hier, wir sind hier nicht zum Rumalbern." Draußen waren auf einmal Stimmen zu hören, kein normales Sprechen, was nicht auffällig wäre, dass jemand zufällig vorbei läuft, sondern aus der Ferne. Und da kam auch das Lichtsignal von Yasopp, dass sie aufgeflogen waren. "Verdammt", zischte Ben und lief los. Robert folgte ihm. Vor dem Lager sahen sie Stadtwachen herbeieilen. Einer war bereits sehr dicht dran und winkte seine Leute her. Benjamin bremste ab. Robert flitzte an ihm vorbei um die Ecke des Lagers und sah nun ebenfalls was los war. "Andere Richtung!", rief Ben und raste an Robert vorbei, der sich umdrehte und folgte. "Schmeiß dass Ding weg!", rief er dem Roten zu, der immer noch fest umklammert das alte Schmuckstück hielt. Es knallte. Ein Schuss fiel. Dann sofort noch einer. Ben sprang in Richtung Kanalisation. Er rollte ein Stück über die Straße, schnellte die Leiter herunter und sprang mit einem Satz in die offene Kanalisation. Er hörte es weiter knallen. Dieses Mal richtig. Es war ohrenbetäubend. Er wetzte auf allen Vieren durch das Kanalsystem. Sobald er draußen war, rannte er orientierungslos weiter. Er drehte sich um, aber sah Robert nirgendwo. Da er auf der anderen Seite der Mauer rausgekommen war, konnte er durch die Stadtmauer nicht erkennen, was drüben vor sich ging. Allerdings sah er ein Leuchten am Himmel. Und Rauch. "Verdammt man, wo ist Robert? Haben sie ihn erwischt?", dachte Ben. "Oder schlimmer, hat ihn eine Kugel erwischt?" Sein Herz pochte. "Ben!", brüllte auf einmal jemand. Es war definitiv Roberts Stimme. Ben war zwar erleichtert, aber auch etwas angefressen, dass nun sein Name durch die Straßen gebrüllt wurde, während im Hintergrund die Lagerhallen abfackelten. "Roter!", rief er. Sie trafen sich in einer Gasse. Wider Erwarten hatte Robert sogar noch seine Verkleidung aufbehalten. Er hielt das verdammte Schwert noch immer. "Komm jetzt, weg hier!" "Was ist mit Yasopp, Ben und Winnipeh?" "Die waren über alle Berge, denke ich", grinste Robert.

Die beide saßen in einem Versteck, dass Straßenkinder nutzten. "Das ist ein Glücksschwert, Benj!", strahlte der Rothaarige. Ben wollte gerade schon etwas sagen, doch hörte sich die Geschichte an "Der Typ, der so dicht dran war, hat direkt auf mich gefeuert, kein Warnschuss. Das hätte mich zu Rattenfutter verarbeitet. Aber die Kugel ist an der Klinge abgeprallt." "So ein Blödsinn", sagte Ben und lachte. "Nein, echt."

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