Kapitel 22: Der Krieger

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"Ahh, Frischfleisch!", rief einer. "Den holen wir uns", rief ein anderer. Jemand schlug ans Gitter. Robert wurde durch den Gang geführt. Jemand griff durch die Gitterstäbe. Robert wurde langsam nüchtern. "Bist du bereit für echt böse Jungs?", rief der Insasse und kam mit der Brust an die Stäbe. "Ja, man, wo sind die denn?", fragte Robert mit schmerzendem Kopf. "Der nimmt dich gleich Hops, der Kleine", grölten die anderen. Nun lief er nur durch die Stäbe getrennt neben Robert her und zeigte eine Geste, ihm die Kehle durchschneiden zu wollen. Aus einer Zelle auf der andere Seite hörte man eine Stimme. Sogar die Wärter, die Robert führten, zuckten merklich. "Ihr wollt Piraten sein?" Keiner antwortete. "Peppo? Espostou? Ihr habt bei einem Kind eine große Klappe? Ich würde über euch lachen, wenn ich es nicht traurig nennen würde, dass ihr euch, wie ich, Pirat schimpft!" "Xan, sie machen doch nur Spaß...", rief eine andere Stimme. "Spaß, De Livero? Weißt du, was Spaß macht? Mit einem Schiff im Triangle sein Leben riskieren. Morgens nach einem Sturm, nachdem du eine Nacht um dein Leben gebetet hast, den Sonnenaufgang zu sehen, obwohl du dachtest, das Dunkel des Wassers wird das letzte sein, was du siehst! Das macht Piraten Spaß!" Keiner im ganzen Gefängnistrakt sagte auch nur noch ein Wort. Der Rote bekam eine vorläufige Einzelzelle neben den anderen Zellen. Er lief hinein, wurde von den Fesseln befreit und die Tür schloss sich. Wortlos verließen die Wärter den Trakt. Der Rote lief zur anderen Seite der Zelle und drückte seinen Kopf an die Stangen, um etwas sehen zu können. Er erkannte einige Gefangene. In der hintersten Ecke saß ein Mann. Er war riesengroß, breiter als zwei der anderen Gefangenen zusammen.

Robert setzte sich auf den Boden seiner Zelle. "Warum bist du hier?", fragte etwas später einer aus der Zelle neben Robert. "Hat sich so einiges angesammelt...", antwortete Robert. Er zögerte kurz. "Ich hab einem Duke aufs Maul gehauen." Die Gefangenen lachten. "Gute Aktion, Junge." "Isser wenigstens tot?", fragte ein anderer. "Ne, aber schön in den Dreck gefallen", grinste Robert. "Aber eigentlich weiß ich's gar nicht genau, alles verschwommen, ich war besoffen, weil ich den Vater meiner Freundin verprügelt habe." Jetzt war das Gelächter noch größer. "Warst du da auch besoffen?" "Ne, nur sauer." "Dann geht's ja. Stell dir mal vor, was du gemacht hättest, wenn du betrunken gewesen wärst!" "Ihn getötet", sagte Robert. Das lachen verstummte. Die Leute merkten, dass der Rote es ernst meinte, obwohl er es natürlich nur so daher gesagt hatte, ohne wirklich darüber nachzudenken. "Man Junge", sagte einer der Gefangenen, "das ist echt übel. Du musst das in den Griff kriegen, sonst versauerst du irgendwann in einem Knast." "So wie du, Paule", rief einer der Gefangene. "Ja, so wie ich. Ich war mein Leben nur wenige Jahre draußen."  "Ja, ich auch, immer wieder rein." Kaum war Robert einige Stunden dort, gab es eine Art Gruppensitzung, bei der sich Berufsverbrecher, Piraten und andere Kriminelle über ihre Lebensführung Gedanken machten. "Was macht ihr, wenn ihr raus seid?", fragte Robert in die Runde. "Ich besuche meine Kinder", sagte einer aus der Zelle gegenüber, an der anderen Seite des Ganges. Einer von denen, die Robert vorhin gedroht hatten, sagte: "Ich will zu meiner Frau zurück." Ein anderer sagte: "Meine Eltern in Pollos noch einmal sehen..." "Ja, man", sagte Espotuo, "einma noch nach Pallas an den Strand. Heimat, Bruder." "Für einen Haufen Knastbrüder seid ihr ja echt in Ordnung, Jungs", lachte Robert. "Was willst du tun, Junge?" Es war die Stimme des Riesen aus der Ecke. Er hatte noch kein Wort gesagt nach seiner Ansprache. "Keine Ahnung", seufzte Robert. Er war nun ziemlich müde geworden und schlief auf dem Boden ein. 

Die Tage wurden Robert nun lang. Er schimpfte, schnauzte eine Wache an. "Du musst ruhig bleiben, Shanks", sagte der Große in seiner Ecke. "Ich langweil mich hier zu Tode!", motzte Robert. "Sie werden dich in wenigen Tagen hier rüber lassen, du bekommst eine Anhörung und du wirst dein Strafmaß erfahren. Verhalte dich kooperativ." "Kooperativ. Ich...?" "Schaffst du das?", unterbrach der Große ihn. "Wenn du das nicht schaffst, wirst du hier allein hocken und durchdrehen. Wenn du das schaffst, darfst du hier rüber. Ich werde dir zeigen, wie du eingesperrt überlebst. Also, kriegst du es hin, Shanks?" "Ja, versprochen", sagte Robert. Augenblicklich setze er sich auf den Boden. Wenige Minuten später fing er an, Kniebeugen zu machen. Dann Liegestütze. "Ich bin sauer. Normalerweise würde ich nun durch die Stadt flitzten. Also ist dies die Alternative."

Zwei Wachen kamen herein, der eine Wachmann rief: "Javier, vortreten. Und Kenway!" Die beiden benannten wurden abgeführt. Javier rief den anderen noch irgendwas zu. Für ihn ging's wohl nun in die Freiheit. Für Robert ging's darum, wie lange und unter welchen Bedingungen er hier zu bleiben hatte. Der Rote wurde in einen großen Raum mit mehreren Schreibtischen geführt. Er wurde wie in einem Gerichtssaal in der Mitte platziert. "Robert Kenway also", sagte Theta. "Hallo", antwortete Robert. "Hast ja eine ganz schöne Akte vorzuweisen." Herr Pillcern las vor: "Diebstahl, tätlicher Angriff, Sachbeschä..." "Danke für Ihren Beitrag Pillvern", unterbrach Theta. "Ich will dir gern helfen, was brauchst du, um hier klarzukommen?", fragte Theta.  Robert fragte: "Wie lange muss ich bleiben?" "Die Strafe wurde erstmal auf 2 Jahre gesetzt." Theta wuselte in ihren Papieren herum. "2 Jahre...", widerholte Robert. Er klang gefasst. Aber Theta dachte sich, er könne sich sicher nicht vorstellen, wie lang einem das werden kann. "Hast du eine Schule besucht?", fragte sie. "Was spielt das für eine Rolle, Frau Sather?", fragte Pillcern. "Pillcern, bitte", sagte Theta, "lassen Sie mich die Anhörung durchführen." "Ich hatte Unterricht. Damals in Swanlake." "Okay, du kommst aus Swanlake?" "Genau." "Wie lange warst du auf der Straße?" "Einige Jahre." "Was ist passiert?", fragte sie, aber ging gleich zum nächsten Thema: "Jedenfalls... liest du gern?" "Ähm..", Robert überlegte. "Ich mag solche Seefahrergeschichten. Ein Freund von mir hat Bücher darüber." "Schön", antwortete Theta, "und Sport solltest du auch machen. Du darfst nicht nur in der Zelle sitzen. Hofgang natürlich auch, schreiben sie das auf, Pillcern!" "Äh, ja, Frau Sather. "Noch fragen?", Frau Sather schaute Robert an. "Äh, darf ich in die Gemeinschaftszelle? Ich langweile mich, Frau Sather." Theta machte eine einwilligende Geste. "Natürlich, aber halte dich von Ärger fern und pass auf dich auf." "Natürlich. Darf ich mir eine Zelle aussuchen?", bat Robert. Theta wunderte sich ein wenig. "Beide im Trakt haben kapazitäten", sagte Pillcern. Frau Sather nickte: "Wärter Sullivan wird dir nachher die Biblithek zeigen. Dort kannst du juristisches Zeug lesen, für deine nächsten Anhörungen. Aber das nützt eh nichts." Theta war nun richtig in Fahrt: "Wir haben dort aber auch Geschichten: Seefahren, historisches Zeug oder Themen der Allgemeinbildung. Enttäusch mich nicht und komm hier besser raus als du rein bist." Robert nickte. "Raus hier nun." "Danke", antwortete der Rote. "Packst du schon!", rief Theta ihm nach. Robert wunderte sich, so hatte er sich eine Gefängnisleitung auch nicht vorgestellt.

Robert wurde herunter geführt. Die große Gemeinschaftszelle wurde geöffnet: die Seite mit dem mysteriösen, großen Kerl. "Da bin ich", grinste Robert. "Hofgang?", fragte einer, der sich Lovry nannte. "Ja, und Bibliothek." Robert ging an den anderen vorbei und stellte sich vor den Mann in der Ecke. Nun erkannte er ihn gut. Es war ein großer Fischmensch. Sein Kiefer war breit. Er hatte dunkelbraune, verfilzte Haarsträhnen und war bis zum Hals tätowiert. Man sah vernarbte Wunden an seinem Körper. Seine Haut war hellgrau mit Flecken darauf, jedenfalls dort, wo er nicht tätowiert war. Das impostanteste an seiner Erscheinung war allerdings seine schiere Breite. Er war natürlich auch hochgewachsen, aber was ihn wirklich besonders machte, neben all den genannten Dingen, war seine Statur. Ein Arm von ihm war breiter und größer als Roberts ganzer Körper. "Robert Kenway!", sagte der Rote freundlich grinsend, "Vielen Dank für deine Hilfe, Großer!" Keiner sagte etwas. Lovry und ein anderer aus der Zelle, genannt Carson, starrten nur. Der Fischmensch richtete sich auf. Alle im Gefängnis starrten. Das tat er so gut wie nie. Er ließ sich sein Essen bringen, ging nie zum Hofgang und schien sogar fast nie auf die Toilette zu müssen. Er überragte Robert um ein Weites und auch jeden in diesem Gefängnistrakt. Er war sicher drei bis 4 Meter hoch. "Xan Bei. Man nennt mich den Krieger des Südens." Er streckte Robert die Hand aus, sie schüttelten sich die Hände und Robert grinste ihn an. Xan Bei setzte sich wieder. "Setz dich hin", sagte er, "wir meditieren." 

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