Kapitel 3: Der Fluch von Whiteout

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Ben und Robert näherten sich der Strandpromenade. Direkt daran lagen Bars und andere Vergnügungslokale. "Eyy", brüllte ihnen ein taumelnder Mann zu: "Lance, bist du das?", fragte ein Mann und kam auf Robert zu. "Nein, hau ab!" Er stank und nun fing er an zu wimmern: "Wo ist denn Lance?" Nun schrie er: "Lance ist Gott." Der Rote und Ben sprangen von der befestigten Promenade in den Sand des Strandes. Die Musik und das Geschrei von der Promenade wurden etwas leiser. Direkt vor ihnen im Sandstrand brannte ein großes Lagerfeuer. Leute tanzten und jemand hielt ein großes Stück Fleisch in die Flammen. Es fing Feuer. Ben führte Robert abseits davon zum Beginn der Vegetation und den felsigen Anhöhen. Hier begannen bereits die Klippen östlich des Hafens von Lodea. Das war ein Grund, warum Whiteout diesen Namen trug. Unterhalb dieser Klippen, die direkt ins stürminsche Meer vor Grand Storm abfielen, wurde jede Menge Treibgut angespühlt. Aufgrund des Windes und der Ströhmungsverhältnisse prallte unten an die Klippen alles, was man sich vorstellen konnte, von Treibholz bis hin zu ganzen Schiffen. Vieles landete am Strand oder wurde, bevor es unter den Klippen ankam oder weiter an der Insel vorbeigespühlt wurde, von Sammlern aus dem Meer gefischt. Es herrschte ein reger Betrieb, sogar eine Konkurrenz von Sammlern, die es auf Schätze, Baumaterial oder Zeug zum Verkaufen abgesehen hatten. Ben winkte mit seiner Laterne. Von einem Stein etwas höher sah man ein Flackern. Es war bereits morgen geworden und die Sonne würde bald aufgehen. Robert rutschte ein paar Mal weg, so glatt waren die Steine , aber wenn man es richtig anstellte und den Weg etwas ausleuchtete, konnte man hier einen guten Aufstieg finden. Auf einem Vorsprung saß, mit einer Lampe ausgestattet, ein junger blond gelockter Mann. Er trug ebenfalls einen Regenanzug, dicke Stiefel und Handschuhen und hatte jede Menge Zeug im Gepäck. Auf einem kleinen Gaskocher erwärmte er Wasser für Kaffee. "Ein Seil?", fragte er und warf ein Tau um einen Stahlhaken in der Felswand. Ben packte es und warf sich daran rüber. "Gehts?", fragte der andere Junge. Der Rothaar konnte die wenigen Meter damit leicht überwinden und warf sich auf den Vorsprung. "Das ist Yasopp"", sagte Ben, "er arbeitet hier." "Yasopp, das ist Robert." Die beiden reichten sich kurz die Hände. "Was machst du hier auf dem Felsen und warum so früh?", wollte Rothaar wissen. "Morgens, sobald ich genug Sicht habe, sondiere ich das Meer. Aufgrund der Briese und den Ströhmungsverhältnissen kann ich sagen, an welchen Tagen besonders viel Zeug angespült wird. Darauf warte ich dann hier und schaue mit dem Fernrohr." "Was machst du so?", fragte Yasopp, "bist du auch ein Drogenkurier?" "Nein nein, ich bin heute das erste Mal mit Ben unterwegs. Ich bin ein Dieb." "Ah, okay, verstehe." "Nach was hältst du denn Ausschau?", fragte Robert interessiert und versuchte, durch das Fernrohr von Yasopp bereits etwas auf dem Meer oder am Strand zu erkennen. "Spar dir die Mühe, es ist noch etwas zu dunkel, aber bald geht es los", berichtete er, "ich suche Dinge, die sich gut verkaufen lassen, zum Beispiel Baumaterial wie Plankenholz von Schiffen, das noch nicht zu lange im Wasser trieb. Außerdem ist der Preis für Metallteile von Schiffsteilen recht hoch in Grand Storm. Das liegt an der Industrialisierung", erläuterte er. "Das muss man nicht gut finden. Ich denke, die Industrie bietet sowohl Chancen, als auch neue gesellschaftliche Probleme", führte er aus. "Aha", sagte Robert und versuchte weiter auf das Meer zu spähen, "aber wie kommst du an die Gegenstände ran, wenn sie im Wasser treiben?" "Dafür habe ich eine Apparatur gebaut, wirst schon sehen." "Unterhalb der Klippen liegt jede Menge Zeug, an das man nicht rankommt", warf Ben ein. "Das stimmt. Das zu bergen ist gefährlich und schwierig", ergänzte Yasopp.

"Kann man nicht mit einem Boot ranfahren?", fragte Robert. "Viel zu riskant. Die Strömung ist, wie gesagt, dafür bekannt alles in die Klippen zu schleudern. Einen Schwimmer oder sogar ein Boot würde es dort unten relativ wahrscheinlich zerfetzen." "Man könnte jemanden abseilen", sagte Robert nach einigen Minuten grinsend. "Gar nicht so blöd oder nicht, Yasopp?" Yasopp schlürfte seinen Kaffee und gab Robert einen Schluck zum Probieren. "Hmmm", Yasopp fingerte sich an den Lippen herum und drehte seine Haare um die Finger. "Je nachdem, ob der Wind es zulässt, wäre man, wenn man ins Meer gar nicht eintaucht, vor der Stömung geschützt. Man müsste entsprechend koordiniert am Seil ziehen, um nicht in den Wellen zu landen", überlegte er. "Man bräuchte nur jemanden, der bekloppt genug ist, sich dort abseilen zu lassen...", warf Ben ein und sah den Roten an. "Ich mach's!", rief Robert. "Vielleicht liegt dort unten eine Kiste mit Gold." Ben lachte: "Siehst du, ich hab ein gutes Händchen. Genau für sowas hab ich dich vor den Stadtwachen gerettet." "Ich wär auch so davon gekommen, nur war's so leichter", erwiderte der Rote ebenfalls laut lachend. "Haltet mal einen Moment die Fresse!", sagte Yasopp. "Ich überlege gerade meine Apparatur mit einem Flaschenzug auszustatten, sodass man leichter jemanden abseilen kann."
"Überleg du mal, wir machen uns nützlich", rief Ben und erhob sich. "Wollen wir schauen, obs schon Goldmünzen, Edelsteinen und Perlen angespült hat?", rief Robert und folgte ihm ohne eine Antwort abzuwarten.
Die Sonne begann nun am Horizont hervorzukriechen. An der Strandpromenade war Musik zu hören und immer noch brannten Lichter. Im Whiteout wurde immer getanzt, gesoffen und Zeit spielte für viele hier keine Rolle mehr. Der Strand war teilweise sehr verschmutzt, Leute schliefen einfach unter freiem Himmel am Boden, manche hatten Matten, Wolldecken oder gar Zeitungen über sich gepackt. Die Reste eines Lagerfeuers brannten noch, Möwen und Raben machten sich bereits über die Reste an einem Grillrost her. Ein Mann taumelte den beiden durch das Licht der Laterne und das aufgehende Sonnenlicht entgegen. Er nahm sich eine Flasche vom Boden und hielt sich die Öffnung über den Mund, um sich ein paar letzte Tropfen Schnaps daraus in den Hals tropfen zu lassen. "Ich will noch nicht nach Hause!", hörte man eine heiser krächzende Frauenstimme rufen. "Süße, ich bin müde, komm jetzt!", rief ein Mann. "Du alter Dreckskerl...", hörte man die Frauenstimme. Zur Enttäuschung Roberts fanden die beiden nicht sofort einen Schatz. Aber zu erwarten war das wohl eh nicht. Doch mehr als Dreck, Müll und moderiges Holz waren nicht zu sehen. Als sie zurück kamen, war Yasopp auch auf einen unteren Felsen geklettert und warf eine Art Angel mit einem Haken aus. Es erinnerte an das, was Bergsteiger benutzten. Es zog Zeug aus dem Wasser. "Was gefunden?", rief er den beiden zu. "Ne, Müll und Dreck", rief ihm Robert zu. Die beiden machten sich einen Kaffee auf dem Felsen, den Yasopp als sein Lager zurecht gebaut hatte. "Kommst du die Tage wieder mit? Wir gehen was ausräumen oder hier auf eine Strandfeier oder oben zur Stadtmauer", fragte Ben. "Klar", sagte Robert gähnend. "Das Zeug ist bitter und man wird nichtmal betrunken davon", warf Robert ein. "Macht wach und fit", sagte Ben. Robert döste ein wenig. "Ey", brüllte Yasopp, "Jungs!" Es klang ernst. Die beiden erkannten dies sofort und sprangen auf. Beim Rennen schlug sich Robert noch den Fuß an dem rutschigen Felsen an, aber der Schmerz war schnell verflogen. An dem Tau mit der Winde hing eine Leiche. Ben und Robert halfen den Körper auf die unteren Steine zu ziehen. Es war bereits ein wenig hell geworden. Die drei Jungs schauten den Mann an, den sie dort aus dem Wasser gezogen hatten. "Er lang nicht lange im Wasser, denke ich", sagte Ben. "Ich glaube, ich kennen den Mann", sagte Yasopp und wandte sich ab. Er wischte sich die Augen. "Das Gesicht war mehr oder weniger noch zu erkennen, der Mann hatte lange, zottelige, weiße Haare, trug keine Schuhe und seine Jacke und Hose sahen lumpig und zerschlissen aus, sodass sie bereits vor seinem Tod sehr mitgenommen gewesen sein mussten. Zwei weitere Sucher kamen auf die Gruppe zu. Der eine murmelte, als er die Leiche sah, sogleich ein Gebet. "Das ist doch...", der anderen kam auf den Mann zu und beugte sich herunter. "Das ist doch der Barns", sagte er. Er wischte ihm über das Gesicht. "Ja, das isser." Der andere kam auch und beugte sich ebenfalls runter. Er begann dem Toten in die Taschen zu fassen. "Ey", rief Robert und schubste den Mann nach hinten um, von der Leiche weg. "Ihr kanntet ihn, ward seine Freunde?" "Er war immer hier", sagte der eine Sammler. "Barns hieß er, hat immer getrunken. Der war schon hier, als ich hier her kam. Das Ende, Ende und Aus im Whiteout, sacht man doch auch." "War er immer hier am Strand?", fragte Robert. Der andere hatte sich wieder aufgerappelt: "immer hier", seine Stimme war krächtzig und er hustete, "immer hier, hatter gesammelt, oder er saß, wenn's kalt, war oben irgendwo." "Schnaps hat'n warm gehalten, nech Paule?", sagte der andere. "Wir müssen ihn beerdigen", rief der Rote. Andere waren nun auch hergekommen. "Der Alte?", "Ja, der, der immer oben saß am Eck." "Warum ist er so zugerichtet?" "Die Klippen hier sind tückisch, haben schon so manchen Seefahrer angespült!", rief ein alter Sammler mit einem Handkarren heiser. "Das sind Schnittwunden", sagte Yasopp. "Was meinst du?", fragte einer. "Willst du sagen...?" "Der Fluch!", sagte ein alter obdachloser Mann. "Was soll der Quatsch?", fragte Ben. "Jemand hat den armen Kerl aufgeschlitzt." "Hat jemand noch Kraut?", rief einer der Sammler dazwischen. "Ey, ihr Idioten", schnauzte Robert, "sucht euch gefälligst Stöcker! Macht hinten ein möglichst tiefes Grab und wir beerdigen ihn hier am Stand, hinten bei den Bäumen. Er war immer an diesem Strand, vielleicht mochte er ihn besonders. Also los!" Die Menschen, die sich angesammelt hatten, begannen nun ein Loch zu graben. Einer benutzte einen langen Ast, einer seinen Schuh, ein gut ausgerüsteter Sammler hatte sogar Werkzeug dabei. "Du!", sprach Robert den einen an, der eben versuchte, die Leiche zu plündern, "Schau, ob er noch irgendwas bei sich hat, irgendeinen Gegenstand der ihm gehörte oder sowas!" Der Sammler schaute etwas verschüchtert. "Los!", raunte der Rote. Er kam herüber und schaute in Jacke, Strickpulli und Hose. "Er macht das echt gut", sagte Yasopp zu Ben, als die beiden das Loch aushoben. "Hätte ich ihm kaum zugetraut auf den ersten Blick", ergänzte er. "Ja, ziemlicher Chaot", sagte Ben und lächelte leicht, obwohl sie gerade ein Grab aushoben und dies sogar für einen Straßengauner wie Benjamin etwas unpassend wirkte.

"Er hat nichts dabei." Der Mann schaute Robert fragend an. Auch sein Freund, mit dem er unterwegs war, trat wieder heran. "Armer Kerl, er hat nichts, nur seine Kleidung am Leib. Ich kenne nichtmal seinen Namen. Ich weiß nur, dass man ihn Barns nannte.." "Gar nichts?", fragte Robert. "Nein, rein gar nichts", wiederholte der Sammler. "Ey, hört mal!", rief Robert, "Kennt jemand seinen Namen? Hey, weiß irgendwer etwas über ihn?" "Barney oder so", sagte einer. "Oder Barns", rief ein anderer. "Stimmt", bestätigte der andere, "kann auch sein." Andere schüttelten nur den Kopf und sagten nichts. "Niemand?", fragte der Rote erneut. Es half nichts, sie zogen die Leiche des Alten in das Grab und begannen es zuzuschütten. "Ich trink auf den, den der Fluch von uns genommen hat. Sprechen wir ein Gebet", sagte einer. "Schluss jetzt mit dieser Fluchscheiße!", rief jemand anderes. Robert hatte Yasopp um ein Stück Seil gebeten, mit dem er zwei Äste zu einem Kreuz zusammen band. Er steckte es in den Sand, drehte sich um und ging. Ben folgte ihm und rief Yasopp noch einen schnellen Gruß zu. "Robert, alles in Ordnung?", fragte Ben, der hinter seinem Freund herlief. "Alles in Ordnung", erwiderte dieser. "Ich fand's stark, wie du das gemacht hast eben." Robert nickte. "Sieht man dir nicht an." Wenige Minuten später sagte Robert zu Ben: "Keiner kennt ihn, keiner sprach anscheinend mit ihm. Keinem wird auffallen, wenn er weg ist." "Das ist der Fluch", erwiderte Ben gedankenlos. "Was für ein verdammter Fluch...", patzte Robert nun. Die beiden liefen bereits wieder die Straßen vom Whiteout weg hoch ins Whiteground. Die Menschen dort begannen mit ihrem Treiben, trugen Waren umher, liefen gehetzt durch die Straßen. Eine große randvoll beladene Lieferkutsche bahnte sich den Weg durch die holprige Straße. "Du kennst das echt nicht?", fragte Ben. "Was kennen?" "Na, die Geschichten übers Whiteout." "Ich weiß, dass die Leute hier stranden. Sie verlieren ihre Arbeit oder was auch immer, saufen und landen hier. Und das Zeug wird dort in Massen angespült", sagte Robert. "Hattest du nie Angst vor dem Whiteout?", fragte Ben. "Nein", sagte der Rothaarige, "ich weiß nur, dass man hier an den falschen Stellen schnell eine aufs Maul bekommt." "Das meine ich nicht", sagte Ben etwas zögerlich. "... ist so eine Kindergeschichte, die kennt jeder. Hier verschwinden angeblich Menschen. Manche werden nie gefunden, andere findet man aufgeschlitzt oder wie man das nennen soll. Das ist der Fluch, der immer wieder in Whiteout seine Opfer findet." Fast wie ein Zitat betete Benjamin die Geschichte runter. "Komisch, dass du es nie gehört..." "Ich komm nicht von hier", unterbrach ihn Robert, "Ich bin in Swanlake aufgewachsen." "Ich verstehe", sagte Ben.

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