Kapitel 15: Wie die Zeit vergeht

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Robert arbeitete auf der Farm, als er ein Mädchen vom Stadtrand aus barfuß in Richtung des Waldes verlassen sah. Er wunderte sich, lief zum Zaun und winkte. Sie winkte zurück, als sie ihn bemerkte, lief dann weiter und verschwand im Wald. "Seltsam", dachte sich der Rote. Er erzählte von dem Vorfall. "Opa, ich hab ein Mädchen in den Wald laufen sehen." "Hmhm...", grummelte Silverstin. Der alte Kerl war heute nicht bei der Sache. "Hast du die Geister im Wald gesehen?" Robert schaute Silverstin ein wenig verwundert an, aber schob es aufs Alter. "Die Geister leben in den Steinen, kennst du sie schon?" Robert schüttelte den Kopf. "Du kommst doch aus... äh, Cliffort..." Robert sagte nichts dazu. "Nicht Cliffort...", er überlegte. "Ich war in Cliffort stationiert damals. In Cliffort ist der große Militärhafen." "Wann war das, Opa?", fragte Robert. Aber Silverstin ging nicht darauf ein. "Swansea", sagte der Rote dann, als Silverstin wieder den Faden verloren zu haben schien. "Da komm ich her." "Achja, das war es. Warst du gern am großen Schwanensee?" "Klar", sagte Robert. "Warste denn schonmal am Militärhafen in Cliffort?" "Ne, noch nie", sagte Robert. Cliffort lag ebenfalls westlich von Lodea, aber an der südlichen Küste, wie auch Lodea. Von dort aus wurde der Northblue und der Eastblue befahren. Dies machte Grand Storm zu einer Macht auf den Meeren der Welt. "Die Geister der Vergangenheit leben im Westen Grand Storms. Ich habe sie aber auch in der Neuen Welt gesehen." Robert wurde traurig und dachte an seinen eigenen Großvater, der ähnliche Dinge berichtete. Aber Robert zog nicht in Erwägung, dass etwas dran sein müsste, sondern sah die Verbindung im Alter und der fortschreitenden Verwirrtheit der beiden Männer. Sowieso verband er seinen eigenen Großvater viel mit Sevras Silverstin. Vielleicht verstanden sich die beiden deswegen so gut. "Kennst du das Mädchen, das ich gesehen habe, Opa?", fragte Robert, um nochmal darauf zu sprechen zu kommen. "Hm, das Mädchen aus dem Wald? Nein..." Er überlegte kurz. "Hatte es vielleicht grüne Haare und sah ulkig gekleidet aus?" Robert horchte auf. "Ja, genau, hast du sie auch gesehen?" "Ja, vor Jahrzehnten hab ich sie zuletzt gesehen." Der Rote dachte sich wieder seinen Teil. Dass Silverstin ein nun maximal 18 jähriges Mädchen vor Jahrzehnten durch den Wald laufen sah, war schlichtweg unmöglich. "Sie ist eine von denen, die mit den Tieren des Waldes leben. Sie sind die Wächter dieser Wälder..." "Mehrere?", zwar verstand Robert nicht so recht, aber er war sehr interressiert daran. "Wenn du mehr darüber wissen willst, such doch nach den leuchtenden Bäumen." Robert dachte sich nun, dass der alte Herr wirklich langsam verrückt wurde. "Wenn dir alles zu viel wird, Shanks, wenn du den Frieden und dich selber finden willst, such danach." Er sprach in Rätseln. Robert schaute Silverstin an, der Richtung des Waldes schaute. Er spürte eine Art kribbeln. Auf einmal hatte er nicht mehr das Gefühl, der alte Mann würde Quatsch erzählen oder gar verrückt werden. Seine Augen schienen zu leuchten. Die Luft schien zu flackern. Robert wischte sich die Augen. Er begann zu schwitzen. "Mir ist nicht so gut, Opa, ich glaube, ich muss mich nun hinlegen..." "Sauft nicht wieder so viel, ihr beiden", sagte Lorette, die gerade auf den Hof zurück gekommen war und die beiden auf der Veranda antraf. Robert lief zu seinem Zimmer und schaute zum Wald. Für den Bruchteil einer Sekunde glaubte er, das komische Mädchen am Waldrand gesehen zu haben. Er schaute nochmal hin. Er meinte, er sehe etwas im Augenwinkel. "Man", dachte Robert, "wasn heute los, ich hab nichtmal gesoffen oder Sumpfkraut geraucht, ich sollte mal pennen."

Der Rote mochte die Arbeit auf dem Hof. Er mochte Tiere und er genoss es, in der Natur zu sein - mehr als dachte. Zwar suchte er früher schon den Wald zum Schutz auf, wo er sein Lager aufschlug, aber er war doch meist in Lodea unterwegs. Silverstins Hof erinnerte ihn vielleicht an seine frühe Kindheit. "Hey Opa, warum nennst du mich eigentlich manchmal Shanks?", fragte Robert. Aber Silverstin schien das nicht so Recht erklären zu können. "Du weißt doch wie es ist. Auf einem Schiff muss man vertrauen können!" "Klar", bestätigte er." "Und man weiß irgendwann, wem man vertrauen kann. Dem Shanks kannste vertrauen. Aber wem du nicht vertrauen kannst, den nimm am besten gar nicht mit!" Er kam mit dem Gesicht nach vorn, als wolle er Robert hier eine wichtige Lektion erläutern. Silverstin schien manchmal wirklich schlechtere Tage zu haben. Zwar war er meist nett zu Robert, aber er wirkte verwirrter. Lore hatte seine Unterhaltung mit ihrem Vater gehört. Als Robert im Haus stand, sagte sie: "Komm mal mit Robert, schau hier." Auf einer Kommode stand ein altes Foto in einem Rahmen. "Das ist Vaters frühere Einheit. Hier ist er, dies ist Goldrance.." "Achwas, der von drüben? Mit der Knarre?" "Genau der", antwortete Lore. "Diese beiden weiß ich gar nicht, nur dass der eine wohl auch früher noch in Lodea lebte. Der Fischmensch ist Joe. Der ist früh schon verstorben . Und der letzte, der in der Mitte, ist Shanks." Robert sah genau hin. "Ich verstehe", sagte er. "Meinst du, dass er mich manchmal mit ihm verwechselt oder sowas?" "Ja, oder dass du ihn an den Kammeraden erinnerst." "Und, schau mal", sagte Lorette und gab Robert ein Bild von Silverstin in die Hand, das nicht so alt war. "Das ist Sevras Silverstin mit mir auf dem Arm, das ist meine große Schwester Christin, das dort unsere Mutter Caroline." "Wow", sagte Robert und schaute Lore an. "Was ist denn?", fragte sie. "Opa Silverstin hatte so blaue Haare wie du, als er jung war." "Ach das", sagte Lorette lächenlnd, "ja, man hat immer sofort gesehen, dass er mein Papa ist. Und schau, Chrissi, meine große Schwester hat schwarze Haare, wie unsere Mutter." "Verrückt", sagte der Rote. "Solche Haare hab ich noch nie gesehen." "Ich auch nicht solche wie deine, das ist ja mehr als rot." Beide lachten.

Robert fuhr gerade mit der vollbeladenen Schubkarre zu den Kühen. "Hallo, ihr Hübschen!", rief er. "Robert", rief ihn Graham, "Komm mal her!" Robert hörte eine gewisse Ernsthaftigkeit in der Stimme sofort. Er rannte herbei. "Ist was mit Opa?", fragte der Rote sofort. "Nein nein, ihm geht's gut. Es ist jemand für dich in der Schneckenbox. Er sagte, es ist wirklich wichtig.." "Oh", sagte Robert, eher erleichtert, denn er wusste, das Silverstin nicht mehr der jüngste wahr und es ihm zuletzt nicht so gut zu gehen schien. "Wer ist es?" "Yasper von Syropp?", sagte er fragend. "Klar", sagte Robert, die Schnecke in der Hand. "Ey, mein Freund, was los?", rief Robert freudig in die Schnecke. "Ey Roter. Komm so schnell du kannst ins Whiteout!" "Was?", fragte Robert verdutzt. Kein Gelaber, keine Witzelein, so kannte er seinen Freund nicht. "Ey Yasper, wasn passiert man?" "Siehst du dann, komm einfach her. Renn dich nun nicht tot, aber komm hin. Ich mach mich nun auch aufn Weg, bin noch bei meinen Eltern in Reddin." "Okay, sicher man. Graham, es tut mir Leid, kannst du weiter füttern? Ich muss los. Es ist was mit meinen Freuden..." "Okay, natürlich,  Kleiner", sagte Graham verständnisvoll, der wusste, dass Robert sich nicht einfach drücken wollen würde. Lorette kam auch herbei und fragte: "Aber wo willst du denn hin, Robert?" "Whiteout", rief er und lief los. Lore wurde bleich. Graham kratze sich am Kopf. "Pass bitte auf dich auf!", rief Lore ihm hinterher. Der Rothaarige winkte, ohne sich umzudrehen.

Robert kam im Whiteout an, es war erstaunlich ruhig. Ein Typ lief auf Robert zu und fragte ihn nach Essen. Ein weiterer übergab sich gerade an der Promenade. Am Strand war eine große Versammlung. Robert lief langsam durch die Mengen. Leute schrien und weinten. "Nicht schon wieder", rief eine junge Frau. "Gott erbarme dich uns", rief eine andere. "Ey, was ist hier los?", fragte Robert in die Runde. "Der Tod..", sagte ein völlig zugedröhnter Mann. "Der Fluch...", sagte eine alte Frau. Robert sah ein paar Straßenkinder. "Leute, ey", Robert lief auf sie zu. "Was ist hier los?" "Du weißt es nicht?" "Ey, das ist der Rote", sagte ein anderer. "Komm mit man", sagte ein Junge. Er folge dem Jungen weiter Richtung Strand. "Kennst du Ben?", fragte Robert, "Weißt du, wo er ist?" "Komm einfach." Direkt am Wasser standen die Menschen dicht an dicht. Ein Mädchen, das er vom Sehen kannte, kam auf Robert zu: "Hallo, Roter. Danke, dass du kommen konntest." Einer von Fayez Leuten legte Robert die Hand auf die Schulter. Er war schon einige Jahre älter als Robert und die Jungs. Er war ein ehemaliges Straßenkind. Er hatte Tränen in den Augen. "Herrgott, was ist denn mit euch?", fragte Robert. Die anderen ließen ihn nach vorne durch. Am Strand aufgebettet und mit verkreuzten Armen lag ein Straßenkind: ein Mädchen, wahrscheinlich keine 12 jahre alt. Ein Mädchen mit kurzen schwarzen Haaren. "Ich kenne sie...", sagte Robert. Sie war ein sehr bekanntes Straßenmädchen im Whiteground. Robert ging auf sie zu. Ihre Kehle war aufgeschnitten. Sie hatte furchtbare Wunden und war noch nicht lange tot. "Wir haben sie heute morgen gefunden. Als sie nachts nicht an der Stadtmauer war, haben wir uns gewundert...", erklärte ein weiterer Bekannter von Robert. Robert starrte auf das Mädchen. Er war wütend. Wieder kam diese Seite in ihm hervor. "Ey", rief er zwei Seeleuten zu, die auch dicht bei den versammelten Straßenkindern standen, "ihr beiden, kommt her!" Die beiden schauten nur. Es wurde stiller rundherum. "Glotzt nicht, kommt her, hebt mich hoch, ich will mit den Leuten reden!" "Tut was er sagt!", hörte man eine Stimme aus den Reihen. Es war Ben. Er schaute Robert an und nickte ihm zu. Die beiden Seebären nahmen Robert. Dieser stellte sich auf ihre Schultern. Die Leute schauten Robert an. Robert blickte auf die Menschenmasse. "Whiteout", brüllte er, "warum?" Er hielt ein paar Sekunden inne. "Warum wurde dieses Kind ermordet?" Ein paar Leute riefen etwas über den Fluch und das Schicksal. "Das ist Aberglaube!", brüllte der Rote. "Das ist kein Fluch! Habt ihr euch das Mädchen angeschaut? Das sind Schnitte, das war ein Messer. Wer benutzt Messer? Ein Mensch!" Raunen und Wortfetzten drangen durcheinander. "Es gibt hier einen Menschen, der durch Whiteout läuft und Kinder, Alte, Obdachlose aufschneidet!" "Ich hab das Mädchen noch gehört", rief eine Frau, "ich hörte sie, aber sah sie nicht." "Ich auch", rief ein Straßenkind, sie stand nur weniger Meter von mir und auf einmal war sie weg!" "Ich hab sie schreien gehört!", rief eine schluchzende Stimme. "Da war nur Nebel und dann war sie weg!" "Es muss ein Geist sein!" Robert sah, dass sich einige Stadtwachen durch die Menge begaben. "Schluss hier!", hörte man diese rufen. "Verschwindet hier!" Sie versuchten die Menge aufzulösen. "Warum lassen die Stadtwachen das zu?", schrie Robert, "Warum darf jemand Kinder töten, ohne dass eine Wache das Whiteout betritt?" "Ruhe, komm da runter", die Wache bahnte sich den Weg zu Robert. "Wieso sterben hier die Menschen? Warum leben sie im Dreck? Warum darf man sie fangen und töten?" Die Wachen zogen Robert von den Männern weg. Er rollte sich auf dem Boden ab. Beim Wegrennen rief er: "Interessiert es irgendwen, der was zu sagen hat, dass hier Menschen sterben und leiden?" "Packt ihn euch!", rief einer der Wachleute. "Er hat doch Recht!", fingen nun die Leute an zu rufen, "Wo seid ihr, wenn hier was passiert?", "Wo ist die Stadtwache, wenn hier Kinder sterben?", "Was machen die Politiker?", "Interessiert die Königin das?" 

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