Kapitel 19: Relikte der Vergangenheit

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Die beiden verbrachten einige Wochen im Wald, zogen durch den Südwesten Grand Storms. "Da wären wir", sagte Havoc. "Das ist das größte und bekannteste Steinmonument in Grand Storm." Die Steinformation war eine Art Weg mit Steinen an den Seiten. Säulenartige Steine und darauf quer ebenfalls Steinbrocken, die aber eckig waren. Sie sahen aus wie Tore, die aneinander gereiht waren. Am Ende dieses Weges kam man in einen Kreis aus ähnlichen Steinkonstruktionen, in dem ein weitere kleiner Kreis genauso gebaut worden war. Ganz in der Mitte stand ein gigantischer Stein, der an einen übergroßen Tisch erinnerte. Das meiste der Steinbauten war sehr gut erhalten, noch besser als bei dem anderen Steinkreis nahe Lodea. Dies war auf die unglaublich harte, widerstandsfähige Beschaffenheit der Steine zurück zu führen. Genau wie auf ihre schiere Größe. Selbst sie zu zerstören wäre ein unglaublicher Aufwand, geschweige denn sie abzutransportieren. Warum auch immer man das vor gehabt hätte. Aufgrund der Abgeschiedenheit dieses Ortes verirrten sich verhältnismäßig selten Besucher an diesen Ort. Zwar war er den Bewohnern bekannt und galt als eine Art Wahrzeichen von Grand Storm, allerdings ist ein Besuch für die meisten Bewohner eher nicht reizvoll, aus besagten Gründen. Auf Zeichnungen und ähnlichem waren sie dennoch ein beliebtes Motiv. Auch, dass kaum jemand ihre Geschichte kannte, machte die Steine zu einem beliebten Mysterium und zu einer Quelle für Gruselgeschichten. Gleichzeitig aber sorgte es auch dafür, dass ihnen die meisten Bewohner keine Bedeutung beimessen würden.

"Wahnsinn", sagte Robert, "die Dinger sind hier noch größer als in dem anderen Steinviech nahe bei Lodea. Und es sind zich mal mehr." "Ja, hier sind weit mehr verbaut worden und die Fläche reicht um ein vielfaches weiter." Robert ging um die Steine herum und berührte ein paar von ihnen. Sie fühlten sie ganz normal an. Eben wie ganz normale Steine. "Mach dich bereit, Robert", sprach Havoc. "Du wirst dich nun die nächsten Tage nicht aus dem Bereich der großen Steine begeben. Konzentriere dich nur auf dein Observatorium. Wenn du etwas spürst, geh dem nach." "Darf ich vorher zumindest noch was essen und mal eben in die Büsche, wenn du verste..." "Jaja, mach einfach." Havoc war heute nicht für Roberts Späße aufgelegt. Sie konzentrierte sich selbst auf ihr Observatoirum. "Robert", sagte sie, "Ich bringe dir nachher noch was zu Essen." Robert fing an, wie Havoc es ihm gesagt hatte. Das Tageslicht verschwand langsam. Havoc hatte einiges an essbaren Früchten, Wurzeln und frischem Wasser bereitgestellt. Vom Rumsitzen wurde er langsam müde. Gegen Abend waren noch zwei Wanderer vorbei gekommen. Seitdem passierte nicht viel. Ein Greifvogel zog seine Kreise über die baumkarge Lichtung. Eine ganze Menge Rehe bedienten sich auf den Wiesen zwischen den Monumenten. Robert wurde müde, ihm fielen ab und an die Augen zu. Er stand auf, reckte sich und lief ein wenig umher. Da passierte es. Er sah etwas aufblitzen. Es war dasselbe wie im Wald und in Cubric Manor. Er fixierte sich auf ein besonders leuchtendes Abbild. Er lief ihm hinterher. Es war etwas kleiner als er, mehr konnte er noch nicht erkennen. Ein weiteres, viel größeres lenkte seine Aufmerksamkeit auf sich, verblasste aber schnell wieder. "Man", sagte Robert. Er kniff die Augen zusammen und wischte sich mit den Fingern darin. Dann setze er sich hin und versuchte es erneut. Er kaute ein paar der Wurzeln und Früchte. Die schemenhafte Gestalt begann seine Reise erneut, Robert versuchte ihr zu folgen.

Am Morgen schreckte Robert aus dem Schlaf hoch. Es war bereits taghell. Er lief zu Havoc, die einige hundert Meter von ihm entfernt im Gras der Wiese schlief. "Hey", sagte Robert. "Hat es geklappt, Robert?" Er setzte sich neben sie. "Naja, ich bin irgendwann eingepennt. Aber da war was." "Okay." Havoc sah ihn fragend an. "Einer Gestalt konnte ich folgen, erst nur kurz, dann weiter." "Das ist doch gut", sagte Havoc. "Du weißt ja, die Wege der Geister sind Teil der Vergangenheit, sie gehören zur Materie dieses Ortes und sind untrennbar mit ihm verknüpft. Du musst den Weg nur gut genug erkennen, dann nimmt es dich immer weiter mit hinein."

Die nächsten zwei Nächte klappte es ähnlich wie zuvor, aber dann änderte sich alles. Robert folgte der Gestalt so weit bis sie eine zweite gleich große trafen. Er konnte das erste Mal erkennen, was sie waren. Sie sahen aus wie Menschen, zwei Beine, Arme. Sie trugen Kleidung, die Robert natürlich gänzlich fremdartig vorkam, was natürlich zu erwarten war, bei der entfernten Vergangenheit. Was ihn am meisten wunderte, waren ihre Gesichter. Sie waren länglicher als die der heutigen Menschen, ihre Augen waren seltsam geformt. Ihre Haare sahen aus wie Tentakeln. Eine große Gestalt nahm nun Form an. Ihre Merkmalen waren genauso, wie die der Kleineren. Ihre Haare gingen fast bis zum Boden und sie trug etwas, das an ein Kleid erinnerte. Robert war erstaunt über ihre Größe. Mehrere Meter musste sie groß sein. Der Rote schaute sie an. Nun ergab die Größe der Steine einen Sinn. Für ihn und Havoc waren die Steintore einfach riesig und hoch. Doch dieser Geist lief dort hindurch wie durch eine normale Tür. Nun verstand er: die Erscheinung, der er gefolgt war, war ein Kind der großen Kreatur. "Ein kleines Kind, das mit einem anderen spielt", dachte Robert, "was zur Hölle ist das hier?"

Um ihn herum leuchtete alles. Die Wesen liefen die Steinreihe entlang, die zum Kreis führte. Im Kreis standen weitere Wesen und schauten nach oben. Dort waren schwebende Ringe zu sehen. Es gab weitere schwebende Steine in Form des Symbols, das Berhath Kenway in seinen Aufzeichnungen hinterlassen hatte. Der Kreis schien eine Art Treffpunkt zu sein. Robert konnte nicht erkennen, was sie dort anschauten. Nur ein Flimmern und Leuchten. Außerhalb des Steinkreises waren Silhouetten von Bauwerken zu erkennen. Sie sahen eckig aus und erinnerten an Tempel, hatten Verzierungen, Säulen und Türme. Fensterartige Öffnungen schienen zu glitzern, wie die Oberfläche eines Gewässers. "Havoc", sagte er, als er aus einem tiefen Schlaf erwachte, "dies ist eine Stadt. Eine Stadt von... einer Art Menschen." Seine Aussage klang teilweise wie eine Frage. "Ja", antwortete sie, "hier muss eine Stadt von ihnen gestanden haben." "Wer sind die?", fragte Robert. "Sie sind unsere Vorfahren. Die Vorfahren der heutigen Menschen." Robert fasste sich an die Stirn und schüttelte den Kopf. Dies waren Sachen, die er nie geglaubt hätte und vor allem hatte er sich für so etwas nie interessiert. Es kam ihm vor, als sei ihm das in die Wiege gelegt worden sein. "Das also war's, von dem mein Großvater und mein Vater so besessen waren..." "Ja, genau, ziemlich sicher hat dein Großvater in der Neuen Welt irgendetwas gefunden, gelesen oder gehört, was damit zu tun hat." "Und bei meinem Vater war's umgekehrt. Als wiederum sein Vater mit dem Zeug aus der Neuen Welt anfing, begann er hier den Scheiß zu erforschen und verpisste sich schließlich in die Neue Welt, um dort weiter zu machen oder was weiß ich." "Nehme ich auch genau so an, Robert", bestätigte Havoc. "Ob es nun One Piece, die Stätten hier oder was auch immer war, schien ebenfalls sein Interesse daran geweckt zu haben. Und dann entschloss er sich in die Neue Welt zu reisen." "Ja, aber ich könnte heute sonstwo hinsegeln, um mir Steinchen anzuschauen", sagte Robert mit ernster Stimme, "er hat dafür seine Familie verlassen." Havoc nickte nur. "Lass uns hier verschwinden, Havoc."


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