Kapitel 1: Ein Tag wie jeder andere

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Sieben Jahre zuvor, Sommer 1713, Lodea...

Ein Aufruhr tobte auf einer der Hauptstraßen von Lodea. Wachen eilten herbei, Frauen kreischten und ein reicher Mann in feiner Kleidung schrie: "Dieb! Haltet ihn!" Ein Junge mit rotem Haar und einem hellblauen Hemd rannte die Straße entlang, mit einem breiten Grinsen im Gesicht. Im Laufen schaute er in den geraubten Beutel. Darin waren eine Geldbörse sowie etwas Proviant. Er griff hinein und stopfte sich etwas davon in den Mund, um seinem rumorenden Bauch zu füllen. Der Marktplatz war um diese Zeit eigentlich so überlaufen, dass er jederzeit in die Menge eintauchen und verschwinden könnte. Auf dem Markt waren viele fremde Händler und ihre Helfer und Matrosen von Übersee vertreten, sodass dort nicht auffiel, wenn dort einer mehr oder weniger herumirrte. Heute allerdings schienen dort Wachleute bereits die Stände und anliegenden Straßen zu überwachen. Als das Geschrei der Leute nun bis zum Marktplatz vordrang, waren die Wachen dort ebenfalls alarmiert.
"Ey", rief eine Stimme, "hier entlang!" Der hungrige Dieb schaute sich mit vollen Backen um und sah in der Gasse neben sich einen schwarzhaarigen Jungen mit einem Tuch um den Kopf gebunden. Er winkte und gestikulierte. Der Gejagte überlegte nicht lange, grinste nur und bog in die Gasse ein. Sie führte leicht abschössig von der Hauptverkehrsstraße in die Wohnviertel und tiefergelegenen Straßen, näher dem Hafen und dem Strand vor Lodea.
Der Helfer rief: "Ey, kannst du sprechen?", doch es kamen nur stammelnde Schmatzgeräusche hervor. Der Junge winkte ab:"Hier! Ich hoffe, du schaffst das!" Er sprang über einen kleinen Abhang, der nach unten Richtung Kanalisation führte und packte beherzt die Steinwand, die sich dahinter auftürmte. "Das ist die alte Stadtmauer. Sie werden hier niemals suchen", rief er dem anderen zu. Nach einem groben Schlucken und Fallenlassen des restlichen Tascheninhalts sprang er ebenfalls und packte mit jeweils einer Hand verschiedene Felsvorsprünge. Seine Finger brannten und seine Hüfte war an die Wand angeschlagen. Der Schwarzhaarige saß bereits in einem Vorsprung mit Kanalisationsausgang und reichte ihm die Hand. Ein weiterer Sprung und die beiden erreichten sich. Durch die Öffnung und einige Meter Kletterpartie, dann erreichten die beiden das Dach eines Wohnviertels, das etwas oberhalb des Marktplatzes gelegen war. Der Fremde zog ihn in ein Fenster in eine Dachniesche hinein und atmete schwer. "Haben wir's geschafft...", sagte er. "Wem gehört dieses Zimmer?", keuchte der Gerette. "Es ist meins. Der Hausbesitzer handelt illegal mit Sumpfkraut und Selbstgebranntem. Ich arbeite für ihn. Er gibt mir das Zimmer und den Schutz, indem er mich nicht kennt und nie gesehen hat, verstehst du?"
Das Zimmer hatte ein Bett, einen Schrank und einen Tisch mit Stuhl. "Wow, sogar ein Federbett", sagte Rothaar und lutschte sich das Blut von den Fingern. Der andere Packte seine Hand und goss etwas Flüssigkeit darüber. "Auuh!", rief der Verletzte auf, aber hielt sich schnell wieder zurück, um nicht laut zu schreien. Der Aushilfsdoktor wickelte ihm ein Tuch darum, ein längeres Stück Leinen. Dann nahm er einen Schluck aus der Flasche, mit der er eben die Wunde desinfiziert hatte. Sekunden später keuchte er, musste niesen und ihm tränten die Augen. Beide lachten sofort los. Sie tranken nun von dem bitteren Gebräu, das der Hausbesitzer seinen Kunden andrehte, die sich die Hafenarbeit mit Branntwein erträglicher machten.
"Jedenfalls bin ich dann losgerannt", erläuterte der Rote mit schon etwas lallender Stimme. "Und da sah ich diese Leute, das waren Reisende. Das sieht man sofort..." "Moment", unterbrauch der andere, der nun hustend an einer Zigarre zug. Er gab den kostbaren Glimmstengel weiter, woraufhin der andere ebenfalls hustete. "Also, du bist weggerannt und hast dann diese Leute beklaut?" "Weil ich so einen Hunger hatte und die jagten mich eh schon." "Das ist die Frage. Warum zur Hölle jagen dich die Wachen an einem Markttag durch die Straßen?" "Ich hatte vor einigen Tagen dort unten am Markt ordentlich abgeräumt und sie müssen mich heute wiedererkannt haben. Pech, würde ich sagen", lachte er. Der Schwarzhaarige fasste sich an die Stirn und schüttelte den Kopf: "Mit Glück oder Pech hat das wenig zu tun, mehr damit, dass du ein Vollidiot bist! Du bist nicht maskiert, deine Haare sind so rot, die leuchten im Dunkeln, und du hast Klamotten an, als würdest du auf eine Strandparty wollen! Kein Wunder, dass sie dich erkennen." Nachdenklich nickte der sichtlich betrunkene junge Rothaar. "Hier", der andere stand auf, nahm ein Messer und schnitt etwas von den langen roten Haaren ab. Er nahm ein schwarzes Tuch und band es seinem neuen Freund um den Kopf. "Siehst du - und hol dir ein paar unauffällige Klamotten, du Amateur", grinste er. "Ich klau morgen gleich welche", erwiderte der willige Lehrling nickend. Wieder fasste sich der Schwarzhaarige an die Stirn. "Ey", sagte er und ließ sich nach hinten fallen: "wie heißt du eigentlich?" "Robert", sprach der Rote und warf sich ebenfalls nach hinten. "Ich bin Benjamin." "Okay, Ben, sag mir das nachher nochmal, ich werd mich wahrschenlich an unser Gespräch nicht mehr erinnern können."

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