Kapitel Drei

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Ich war glaube ich noch nie so nervös gewesen, wie in dem Moment, wo ich die Treppen hinunterstieg und in Richtung Speisesaal ging. Selbst mein erstes Essen an meinem ersten Tag war nichts, im Vergleich zu jetzt gewesen. Damals war ich einfach nur die Neue gewesen. Ein ganz normales Mädchen, mit einem Hang zu Ärger. Und jetzt? Am Liebsten wäre ich einfach wieder zurück in mein Zimmer gegangen und wäre nie wieder dort rausgekommen. 

Aber mir war klar, dass Summer es nicht gutheißen würde und mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit James schicken würde, der wahrscheinlich nur darauf wartete, mir endlich wieder Einträge und Strafarbeiten aufzubrummen. Denn meine Strafarbeit im Garten hatte Summer heute Morgen aufgehoben, was bedeutete, dass ich jetzt nicht mehr jeden Sonntag in Herrgottsfrühe aufstehen musste.

Mit zögernden Schritten betrat ich den Speisesaal, der bereits gut gefüllt war. Die meisten Schüler saßen bereits an den Tischen und ich erblickte Abby, Nic, Dana und Julian ganz hinten an einem Tisch. Damien setzte sich gerade zu ihnen und sie unterhielten sich angeregt miteinander. 

In den letzten Wochen waren die fünf meine besten Freunde hier geworden. Doch jetzt kamen sie mir vor wie Fremde. Sie alle waren übernatürliche Wesen. So wie der Großteil der Schüler, die hier saßen. Lautes Stimmengewirr umhüllte mich und ich hatte das Gefühl, mich übergeben zu müssen.

Doch fürs Umdrehen war es bereits zu spät. Dana hatte mich entdeckt und winkte mir zu, woraufhin die anderem am Tisch sich zu mir umdrehten. Abby lächelte fröhlich, Damien nickte mir auf seine zurückhaltende, höfliche Art zu, Nic grinste schief und Julian sah mich einfach nur an.

Um mir nichts anmerken zu lassen, ging ich zielsicher auf die fünf zu. „Hey", sagte ich und schaffte es sogar, dass meine Stimme normal klang. „Hey, wie geht's dir?", fragte Abby und ich ließ mich auf den freien Platz neben ihr nieder. „Gut", antwortete ich schlicht und sah in Richtung Küchentür, wo hoffentlich bald das Personal mit dem Essen herkommen würde. 

„Was gibt es heute?", fragte ich und ignorierte die Blicke meiner Freunde völlig. „Pasta", antwortete Damien, als niemand sonst auf meine Frage reagierte. Ich nickte und goss mir etwas Wasser in mein Glas.

Eine unbehagliche Stille hatte sich über unseren Tisch gelegt und ich spürte die Blicke meiner Freunde auf mir ruhen, die ich so gut es ging zu ignorieren versuchte. Mir war klar, dass sie wahrscheinlich mit mir über all das reden wollten, aber im Moment wollte ich erst einmal selbst damit klar kommen. 

Immerhin war mein Leben gerade komplett auf den Kopf gestellt worden. Und ja, ich hatte natürlich viele Fragen, aber jetzt gerade konnte ich einfach noch keine davon stellen. Denn Fragen zu stellen bedeutete, dass ich es voll und ganz akzeptierte. Und dazu war ich noch nicht bereit.

„Ist das nicht deine Mum, Lynn?", riss Julian mich aus meinen Gedanken und ich folgte seinem Blick in Richtung Lehrertisch, wo sich Mum und der Affenarsch neben Summer nieder ließen. Genervt knirschte ich mit den Zähnen. „Der Typ neben ihr, ist das der Affenarsch?", fragte Dana und musterte ihn gründlich. 

„Er sieht eigentlich ganz nett aus", murmelte Abby leise. „Und deine Mum sieht so aus, als wolle sie am liebsten hier her kommen", sagte Nic und ich drehte mich noch einmal um, um sie mit einem wütenden Blick zu strafen. Wenn sie es wagte jetzt hier rüber zu kommen, würde ich jede Strafarbeit in Kauf nehmen und einfach gehen.

„Sicher bleiben sie nur noch zum Essen und verschwinden dann", versuchte Damien mich zu beruhigen. „Hoffentlich", knurrte ich und sah genervt zur Küchentür. „Können die jetzt mal langsam das Essen bringen. Ich habe echt Hunger, Gottverdammt", fügte ich mürrisch hinzu. „Hey...", sagte Julian und legte seine Hand beruhigend auf meine. „Entspann dich Lynn", fügte er hinzu und tatsächlich spürte ich, wie ich mich langsam beruhigte und die Wut in mir abebbte. 

Silverleaf Academy - Was nach der Wahrheit kommt... (2)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt