In der Bibliothek war nichts los, was vielleicht daran lag, dass Ferien waren und niemand in den Ferien in der Bibliothek sein wollte. Nicht einmal übernatürliche Wesen. Laut meinen Freunden waren jetzt nämlich nur noch übernatürlichen Wesen auf dem Gelände, weshalb es kein Wunder war, dass man beim Vorbeigehen an Schülergruppen plötzlich Gespräche über Fähigkeiten hörte.
Und während Abby und Nic mit den anderen Gestaltwandlern Sara in ihrer Gruppe begrüßten, weshalb alle Gestaltwandler nach dem Frühstück mit Cedric verschwunden waren, und Dana und Julian ebenfalls ein Vampir-Ding hatten, nahm ich mir die Zeit, um das zu tun, was Summer mir geraten hatte. In der Bibliothek im zweiten Stock lernen.
Nur leider hatte ich nicht die nötige Konzentration, um das was ich da las, auch wirklich zu verstehen und abzuspeichern. Denn leider passierte genau das, was in den letzten Tagen ständig passierte, wenn ich alleine war: ich dachte über die Situation Donnerstagnacht nach, als Blake und ich in meinem Zimmer gestanden hatten und wir uns beinahe geküsst hatten.
Seit genau diesem Abend hatte ich Blake auch nur noch von Weitem gesehen. Er war auch nicht mehr in meinem Zimmer aufgetaucht, hatte an meinem Fenster geklopft oder sonst irgendwie auf sich aufmerksam gemacht. Es war so, als hätte dieser Beinahe-Kuss nie stattgefunden. Als wäre er nicht seit Tagen, fast jeden Abend in meinem Zimmer erschienen. Wir waren wieder zu dem Status „Fremde" übergegangen, was mich mehr mitnahm, als ich zugeben wollte.
Mir hatte dieser Moment etwas bedeutet. Generell hatte es mir irgendetwas bedeutet, wenn er nachts in mein Zimmer gekommen war und wir geredet hatten. So viel, dass ich immer, wenn ich mit meinen Freunden zusammen gewesen war, nicht daran denken wollte, damit Dana oder Julian es nicht erfuhren.
Und jetzt, wo ich das mit dem Gedanken verbergen konnte, konnte ich nur daran denken, wie sehr es mich störte, dass dieser Moment für Blake scheinbar nie passiert war. Zumindest deutete sein Verhalten sehr stark darauf hin. Denn wenn ich ihn sah, war er immer mit Cecilia zugange, die an seiner Seite klebte, als sei sie an ihm festgewachsen.
Genervt seufzte ich und schlug das Buch vor mir zu. Es machte gerade wirklich keinen Sinn, das Buch: Die Geschichte der Gestaltwandler zu lesen. Auch wenn Mary mir das Buch extra empfohlen hatte. Wahrscheinlich auf Anraten von Summer, denn Mary hatte mir eine ganze Liste mit Büchern gegeben, die ich lesen sollte, um mein Wissen über die Ferien soweit zu erweitern, dass ich in den Nachmittagskursen gut mitkam.
Wenn meine wunderbare Mum mich nicht mein Leben lang im Dunkeln tappen lassen hätte, dann müsste ich mein Wissen nicht erweitern. Und das machte mich ebenfalls wütend. Und egal wie oft ich darüber nachdachte und überlegte, was für einen Grund sie gehabt hatte – denn mal ehrlich: dass sie davon ausgegangen war, dass ich ein Mensch bin, kaufte ihr doch niemand ab – mir wollte kein plausibler Grund einfallen, der es halbwegs rechtfertigte. Tja und ich hatte jetzt den ganzen Salat.
Ich durfte das ganze Wissen in mich reinprügeln, welches meine Freunde seit der Geburt vermittelt bekommen hatten und musste mir ständige Fragen von Nic anhören, ob ich in letzter Zeit irgendwelche Symptome wahrgenommen hatte. Und wenn Nic diese Frage nicht stellte, stellte Summer oder Cedric sie. Und das ich nach dem Mittagessen zum Selbstverteidigungskurs von Cedric musste, kotzte mich auch an.
Klar, diese Kurse waren freiwillig. Aber laut Dana gingen alle zu den Kursen, was mir nur deutlich machte, dass das freiwillig eben nur ein Wort war, was man einfach streichen konnte, sodass freiwillige Ferienkurse eben nur noch Ferienkurse waren. Und ich wusste jetzt schon, dass Cedric mich als aller erstes Fragen würde, ob es mir gut geht. Gestern zum Beispiel war ich kurz davor, einfach nein zu sagen, mich umzudrehen und zurück in mein Zimmer zu gehen. Nur würden sie mich dann wahrscheinlich erst recht nicht in Ruhe lassen.
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Silverleaf Academy - Was nach der Wahrheit kommt... (2)
ParanormalBuch Zwei. „Nein Lynn... Denn du bist, genau wie wir, ein übernatürliches Wesen..." Diese Worte veränderten mein Leben schlagartig. Alles, was ich geglaubt hatte zu wissen und zu sein, war aus meinem Kopf verschwunden. Ich wusste nicht mehr, wer ic...