Kapitel Zweiunddreißig

288 25 8
                                    

So leise wie möglich schlich ich den Gang hinunter und zur Treppe. Mein Herz klopfte so laut und schnell, dass ich zitternd durchatmete, als ich die ersten vier Stufen hinter mir gelassen hatte und kurz in die Dunkelheit hineinhorchte. Die Schule war totenstill. Ich hörte nichts, außer meinen eigenen Herzschlag und langsam ging ich weiter, immer mit der Angst im Nacken, dass mich jemand erwischte.

Was sollte ich bitte sagen, wenn James oder Summer oder Cedric mich jetzt erwischten? Wie sollte ich erklären, dass ich mitten in der Nacht, weit nach Nachtruhe, außerhalb meines Bettes herumschlich? So kurz nach meinem Hausarrest, der beinahe in einem Rauswurf geendet wäre? 

Es tut mir ehrlich leid Summer. Aber ich kann dir leider den Grund nicht nennen, weil ich sonst jemand anderen in ziemliche Schwierigkeiten bringen würde. Bitte tut einfach so, als wäre nichts gewesen und ich wäre nie außerhalb meines Bettes erwischt worden. Okay?

Ich glaubte kaum, dass sie mir das durchgehen lassen würde. Aber ich musste Will einfach treffen. Er war wie ich und er war gerade der Einzige, der mir alles erklären konnte. Mit Cedric das Aura-Wechsel-dich-Spiel zu spielen, war zwar hilfreich, aber er konnte mir nicht die Fragen beantworten, die ich unbedingt beantwortet haben wollte. 

Zum Beispiel, wie genau das mit den Kräften der anderen Arten funktionierte. Oder die ganzen Hintergründe, wieso es so schwierig für uns ist, als eigenständige Art akzeptiert zu werden. Wie viele es noch von uns gab und noch tausend weitere Fragen. Und Will hatte die Antworten. Zumindest hoffte ich das.

Ich war unten im Foyer angekommen und tippte unruhig von einem Bein aufs andere. Von Will war nichts zu sehen und mit jeder Minute die verstrich, wurde ich nervöser. Die Gefahr, dass ich erwischt wurde, wurde ebenfalls immer größer. Ich stand im Foyer, in der Nähe der Treppe. Wenn einer der Lehrer von oben kommen würde, wäre ich geliefert. Das gleiche, wenn einer aus dem Keller käme oder aus dem Festsaal oder dem Speisesaal. Wenigstens verriet mir das fehlende Licht in den Räumen die ich von hier sehen konnte, dass niemand hier unten war. Wobei... 

Vampire und Werwölfe konnten im Dunkeln ziemlich gut sehen. Sie brauchten kein Licht. Also wenn ich ganz viel Pech hatte, stand James hinter einer der Türen und wartete nur darauf, dass ich mich hier wegbewegte. Damit er hinter mir auftauchen konnte und mich zu Tode erschrecken konnte, mit seiner tiefen, bedrohlichen Stimme, die mich sofort in Summers Büro schicken würde, wo Summer auf mich warten würde. Im dunklen Büro sitzend.

„Entschuldige die Verspätung..." Ich hätte fast aufgeschrien, aber eine kühle Hand legte sich sofort über meinen Mund. „Ich bin's nur!", zischte Will und ließ mich los. Ich atmete tief durch. „Mach das nie wieder", murmelte ich und brauchte einen kurzen Moment, um meinen Herzschlag wieder unter Kontrolle zu bekommen. 

„Komm", sagte Will und ging zielsicher zur Eingangstür. Zögernd folgte ich ihm. Ich trug eine schwarze Jogginghose und ein schwarzes Shirt. Außerdem meine Hausschuhe. Und draußen war es nass und kalt und ich hatte keine Jacke mitgenommen, weil ich davon ausgegangen war, dass wir nicht draußen sein würden.

„Wo genau gehen wir hin?", wisperte ich und folgte ihm dann schließlich nach draußen. Ein leichter Regen hatte eingesetzt und ein kalter Wind wehte durch die Bäume und Blätter des naheliegenden Waldes. Es war finster und Will zog die Tür leise hinter und ins Schloss. 

„Wir gehen zum alten Gewächshaus. Los, beeile dich", sagte Will und rannte sofort los. Ich folgte ihm und fragte mich im selben Moment, ob es nicht klüger wäre sich in irgendein Tier zu verwandeln. Eine Eule oder irgendein anderes, nachtaktives Tier. Falls jetzt irgendjemand aus dem Fenster sehen sollte, würde er oder sie zwei Personen beobachten, die in den Wald rennen. Und bei meinem Glück war dieser jemand James, der uns folgen würde. 

Silverleaf Academy - Was nach der Wahrheit kommt... (2)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt