Das Gasthaus in dem meine Mutter wohnte, war leicht zu finden. Was vielleicht aber daran lag, dass Susan davor auf einer Bank saß und auf mich wartete. Summer hatte sie sicher vorgewarnt, dass ich kommen würde, denn als sie mich sah, stand sie auf und kam ein paar Schritte auf mich zu, mit einem unsicheren Lächeln im Gesicht.
„Lynn, ich freue mich so dich zu sehen", sagte sie und blieb vor mir stehen, unsicher wie sie sich verhalten sollte. „Können wir reden?", fragte ich, um gleich zur Sache zu kommen.
Ich wollte los werden, was ich loswerden wollte. Nicht, weil mich jemand hetzte, sondern weil ich endlich mein Gewissen erleichtern wollte.
Susan nickte. „Natürlich, wollen wir ein Stück gehen? Wir könnten runter zum Bach gehen. Dort ist nicht sehr viel los und wir können ungestört reden", sagte sie und sah mich dabei fragend an. Ich nickte und gemeinsam gingen wir den schmalen Pfad entlang, bis wir an dem kleinen Bach angelangten, der sich durch das Dorf schlängelte.
Tatsächlich war das derselbe Bach wie der, der durch unser Schulgelände floss und in dem Weiher endete, indem Julian, Damien, Dana, Abby, Nic und ich gebadet hatten. Damals, als ich von alldem noch nichts wusste und mein Leben noch halbwegs normal war.
„Ich kann mir vorstellen, weshalb du hier bist und ich kann mich nur wiederholen Lynn. Es tut mir leid, dass ich dir das alles verheimlicht und dich angelogen habe. Ich..."
„Mum warte", unterbrach ich sie und Susan sah mich überrascht an. „Ich bin nicht hier, weil ich dir weiter Vorwürfe machen will oder von dir eine Erklärung verlange. Ich verstehe so langsam, weshalb du mir das alles verschwiegen hast, auch wenn es natürlich weh tut. Aber... ich bin eigentlich hier, weil ich mich bei dir entschuldigen will", sprach ich weiter und ging auf eine Bank zu, die in Ufernähe stand. Langsam setzte ich mich und sah meine Mutter an.
„Ich habe die Woche sehr viel über alles nachgedacht und mir ist dabei etwas sehr deutlich klar geworden. Das gesamte letzte Jahr über, war ich alles andere als eine gute Tochter. Ich habe Dinge gesagt und gemacht, die nicht in Ordnung gewesen sind und ich weiß, dass ich dich dabei verletzt habe. Es... es war nur plötzlich alles so anders. Die ganzen Jahre waren wir nur zu zweit und ich weiß, dass es egoistisch ist, aber... Als du Thomas mitnachhause gebracht hast und ihn mir als deinen neuen Freund vorgestellt hast, da... da waren wir nicht mehr das Mutter-Tochter-Duo. Aus unseren Mutter-Tochter-Ausflügen wurden plötzlich Mutter-Tochter-Thomas-Ausflüge und dann ist er eingezogen und ich hatte das Gefühl, dass du mich ersetzen würdest. Dass du mich nicht mehr liebst. Es ist egoistisch, ich weiß, aber... Er war plötzlich überall und hat sich in alles eingemischt und das hat mich genervt, weil er es dann immer war, der Dinge erlaubt oder nicht erlaubt hat", erklärte ich ihr, ohne sie dabei anzusehen. Stattdessen sah ich auf meine Füße und krallte meine Finger vor Nervosität in den Saum meiner Jacke.
„Alles was ich gemacht habe, was mich in Schwierigkeiten gebracht hat, habe ich nur getan weil ich unbedingt deine Aufmerksamkeit haben wollte. Ich wollte, dass du mich wieder siehst. Dass du merkst, wie schlecht es mir eigentlich geht. Ich weiß jetzt, dass ich einfach mit dir hätte reden können. Ich... Ich neige nur irgendwie dazu, meine Gefühle für mich zu behalten und gleichzeitig hoffe ich, dass irgendjemand merkt, dass etwas nicht stimmt und mir hilft. Nur in letzter Zeit stoße ich alle weg, die mir helfen wollen..."
Susan nahm mich so plötzlich in den Arm, dass ich einen kurzen Moment nicht wusste, wie ich reagieren sollte. Doch dann erwiderte ich die Umarmung und lächelte leicht.
„Ich wusste nicht, dass du dich so gefühlt hast. Ich... ich dachte dein Verhalten und das alles, würde mit deinem wahren Ich zusammen hängen. Es tut mir leid Lynn..." „Nicht", sagte ich und löste mich von ihr.
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Silverleaf Academy - Was nach der Wahrheit kommt... (2)
ParanormalBuch Zwei. „Nein Lynn... Denn du bist, genau wie wir, ein übernatürliches Wesen..." Diese Worte veränderten mein Leben schlagartig. Alles, was ich geglaubt hatte zu wissen und zu sein, war aus meinem Kopf verschwunden. Ich wusste nicht mehr, wer ic...