Kapitel Achtundzwanzig

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Ich spürte die Blicke der Anderen auf mir, als ich mich an einen freien Tisch im Speisesaal setzte. Es waren noch nicht viele hier, dennoch hörte ich das leise Getuschel. Urplötzlich fühlte ich mich zurück in meine Anfangszeit hier versetzt. Alleine am Tisch sitzen, von allen angestarrt werden, das Getuschel... Und keine Freunde, die sich zu mir setzen.

Ich hatte irgendwie gehofft, dass Abby und die anderen bereits hier waren, sodass ich fragen konnte, ob ich mich zu ihnen setzen durfte. Ich hatte mir schon genau überlegt, was ich sagen wollte und in meiner Vorstellung nahm Abby meine Entschuldigung an und alles würde so sein wie zuvor. 

Ich würde sie über die Wild Night ausquetschen und mir von Abby und Nic sagen lassen, was ich die Woche über im Training verpasst hatte. Wir würden Pläne für den restlichen Tag machen und uns darüber beschweren, dass Montag schon wieder der normale Schulalltag begann und morgen die menschlichen Schüler zurück sein würden. Doch es kam anders, als ich gehofft hatte.

Da ich mit dem Gesicht zur Tür saß sah ich genau, dass Abby zusammen mit Dana und Julian den Speisesaal betrat. Sie kamen auf mich zu und ich wollte gerade zu einem Lächeln ansetzen, als sie an mir vorbei gingen, ohne mich zu beachten. Ich drehte mich um und sah zu, wie sie sich an einen anderen Tisch setzen. 

Mein Blick traf den von Julian, doch er wandte sofort seinen Blick ab und wandte sich Abby zu. Seufzend drehte ich mich wieder um und senkte den Blick. Was hatte ich auch erwartet? Dass sie sich zu mich setzen und alles vergeben und vergessen sei? Ich hatte es komplett verbockt und die besten Freunde, die ich je hatte, vergrault.

„Hey, da ist ja jemand aus der Einzelhaft entlassen!" Überrascht sah ich Nic an, der sich neben mich setzte und grinste. „Ich nehme mal an, dass du hier sitzt bedeutet, dass du nicht von der Schule fliegst?" 

Als sei alles wie immer, griff er zum Wasserkrug und goss sich etwas Wasser in sein Glas, welches er sofort an seine Lippen führte und einen Schluck trank. „Äh... Ja, ich darf hier bleiben", sagte ich und sah ihn weiterhin an. „Hab ich was im Gesicht?" „Nein, aber... Wieso sitzt du hier und nicht bei den Anderen?"

Nic hob eine Augenbraue und drehte sich kurz um. Ich tat es ihm gleich und wurde sofort mit vernichtenden Blicken bedacht, was mich schnell den Blick abwenden ließ. Nic seufzte. „Ich glaube du brauchst mich gerade mehr, als sie", sagte er und lächelte mich an. Ich zuckte mit den Schultern. 

„Du kannst dich ruhig zu ihnen setzen. Ich komme klar", sagte ich und nippte an meinem Wasser. „Und ich finde, ich habe es nicht anders verdient, als alleine hier zu sitzen und mich von allen anstarren zu lassen", fügte ich hinzu und sah ihn kurz an. Nic verdrehte die Augen.

„Du bist zu hart zu dir. Du hast deine Strafe erhalten und wer anders darüber denkt, kann sich gerne mit mir anlegen!" Dankbar lächelte ich ihn an. „Trotzdem musst du das nicht tun", fügte ich dann ernst hinzu. 

„Ich will nicht, dass ihr euch streitet, weil du für mich da bist. Du kennst Julian, Dana und Abby länger als mich und ihr seid schon seit Jahren beste Freunde. Mich kennst du seit ein paar Monaten..." „Wir streiten uns nicht und unsere Freundschaft wird daran auch nicht zerbrechen. Ihr klärt das später in Ruhe und du wirst sehen, heute Abend sitzen wir wieder alle zusammen am Tisch!"

Zweifelnd sah ich meinen besten – und gerade einzigen – Freund an, der mich zuversichtlich angrinste. „Und falls sie dir nicht sofort verzeihen, hast du immerhin noch den Idioten da und mich!" Überrascht drehte ich mich zu Blake um, der sich links von mir auf den freien Platz fallen ließ. 

„Hey Blake, was geht?", fragte Nic. „Nicht viel... Wow hier wird man wirklich von Blicken vernichtet. Wie hälst du das aus Lynn?" Ich sah ihn einfach nur an und dann wanderte mein Blick zu Nic, der mit einem Teelöffel in seinem Wasserglas herumrührte. Und dann wurde mir eine Sache klar.

„Ihr sitzt schon die ganze Woche zusammen oder? Gott Nic, bitte sag mir, dass du dich nicht mit den anderen gestritten hast!" „Okay, ich sag es nicht", murmelte Nic und wich meinem Blick aus. „Dann sag ich es. Die haben sich zerstritten. Nic fand es scheiße, dass Abby, Dana und Julian nicht einmal ansatzweise versucht haben dich zu verstehen und dir die ganze Schuld an der Sache geben und vor allem Abby fand es scheiße, dass Nic dich verteidigt. Fing Samstagfrüh an und hat sich bis jetzt nicht geklärt. Also die bösen Blicke gelten nicht nur dir Lynn", sagte Blake unbeeindruckt.

Ich sah Nic an und er zuckte mit den Schultern. „Wird sich schon klären", sagte er und ich seufzte. „Sie haben doch aber recht... Ich bin schuld an der ganzen Sache. Da gibt es auch nichts zu verteidigen", sagte ich und Nic verdrehte die Augen. „Wir wissen beide, dass das nicht stimmt", sagte er und sah mich vielsagend an. 

Ich hätte ihm das mit Susan nicht sagen sollen... „Na ja ich finde schon. Drei gegen Eine ist halt unfair. Und wenn Summer dich nicht unter Hausarrest gestellt hätte, hättest du dich noch am selben Tag bei Abby entschuldigt und die Sache wäre längst vom Tisch", sagte Blake und ich sah ihn an. „Warum Nic hier ist, verstehe ich. Was du allerdings hier noch machst, kann ich nicht nachvollziehen. Sitzt du nicht normalerweise an dem Tisch, an dem deine Freundin gerade sitzt und mich mit Blicken tötet?", fragte ich schnippisch. Blake folgte meinem Blick.

„Ich muss dich enttäuschen, aber die Blicke gelten allein mir. Und Cecilia ist nicht meine Freundin und war es auch nie", sagte er und ich sah ihn skeptisch an. Er seufzte. „Ist kompliziert, aber... sie ist nicht meine Freundin und ich kann sie nicht einmal wirklich leiden", sagte er und fuhr sich durchs Haar. Ich schnaubte. 

„Oh ja, ich küsse auch immer nur Jungs, die ich nicht leiden kann..." Ich bereute die Worte sofort, als ich Blakes Grinsen sah. Nic tarnte sein Kichern als einen Hustenanfall und ich trat unter dem Tisch nach seinem Bein. Ich erzähl ihm nie wieder etwas! „Also ich muss da was richtig stellen. Cecilia hat immer mich geküsst und..." 

„Mir ist es doch egal, wen du - oder wer dich küsst", fiel ich ihm ins Wort und spürte die Hitze in mir aufsteigen. Gott, sicher würde ich gleich rot wie eine Tomate werden. „Also wäre es dir auch egal, wenn ich jetzt dich..." „Was gibt es eigentlich heute zum Essen?", fragte ich und Blake lachte.

Nic gab sich große Mühe nicht ebenfalls loszulachen und ich griff nach meinem Glas, nur um festzustellen, dass es leer war. Genervt füllte ich es mir wieder mit Wasser und musste dann aber Schmunzeln. Was stellte ich mich eigentlich so an? Tatsächlich war es doch schön zu hören, dass Blake scheinbar das Gleiche empfand, wie ich. Nur die Frage war, was empfand ich eigentlich? Er war süß und irgendwie waren wir Freunde geworden. Es war nett von ihm, dass er die Woche über mit Nic Zeit verbracht hatte und es war ebenfalls super nett von ihm, dass er jetzt hier war. 

Ich mochte ihn, nur wusste ich nicht, ob da noch mehr als nur mögen war. Bis jetzt hatten wir uns hauptsächlich in meinem Zimmer getroffen (was gegen die Regeln war) oder wir hatten gemeinsam Strafarbeiten absolvieren müssen. Und dann war da dieser Kuss. Er hatte mich geküsst und wenn ich so darüber nachdachte, dann hatte dieser Kuss etwas in mir ausgelöst.

„Essen kommt... Uh, Pizza wie cool", sagte Blake und riss mich so aus meinen Gedanken. Mein Magen knurrte auffordernd und ich nahm mir ein großes Stück und biss genüsslich hinein. „Hast du eigentlich schon einen Plan, wie du mit Abby reden willst?", fragte Nic mich mit vollem Mund. 

„Einen Plan jetzt nicht. Ich weiß ungefähr, was ich sagen will. Der Rest liegt dann an ihr", sagte ich und Nic nickte verständnisvoll. „Sie wird dir schon verzeihen. Sie hat immerhin auch ein paar nicht so schöne Dinge gesagt", sagte er und ich seufzte. „Schon, aber..." „Sag jetzt nicht, dass sie Recht hat", fiel Blake mir ins Wort. „Ihr habt beide Dinge gesagt, die nicht in Ordnung gewesen sind. Aber ich finde, ihre Worte waren verletzender als Deine!"

Ich seufzte. „Können wir das Thema wechseln? Ich muss mich damit noch früh genug auseinandersetzen. Außerdem würde ich wirklich gerne alles über die Wild Night erfahren!" Damit hatte ich den Themenwechsel erfolgreich absolviert und hörte den Beiden dabei zu, wie sie die Wild Night beschrieben.

„Unser Team hat übrigens gewonnen. Wir haben von sechs anderen Teams, fünf der Kugeln geholt", sagte Nic stolz. „Unsere habt ihr nicht bekommen. Aber eure Taktik war echt genial. Einfach die Kugeln innerhalb des Teams aufteilen und sich verstecken... War deine Idee oder?" Nic grinste zufrieden und ich lächelte, auch wenn ich deutlich die Blicke der anderen auf mir spürte. Ich musste dringend mit Abby sprechen. Soviel stand fest!

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