Kapitel Achtzehn

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Ich wollte wegrennen. Ich wollte aufstehen und einfach wegrennen. Ich wollte schreien, wüten und toben. Aber stattdessen saß ich einfach weiter still da und schüttelte den Kopf. Ich unterdrückte ein Schluchzen und ignorierte die Tränen, die mir über die Wangen liefen. Drinnen hörte ich Summer schluchzen.

„Sag mir, dass das nicht wahr ist!", sagte sie und schluchzte. „Susan..." „Es tut mir leid..." Ich wunderte mich schon gar nicht mehr, weshalb ich die Stimme meiner... von Susan problemlos hörte, obwohl sie definitiv flüsterte. Noch verrückter und abgedrehter konnte mein Leben ohnehin nicht mehr werden. 

Wenn jetzt ein UFO auf der Wiese landen würde und mir ein kleines, grünes Männchen sagen würde, ich wäre außerdem ein Alien, würde ich es wahrscheinlich sogar einfach hinnehmen und in das verdammte Raumschiff steigen.

„Jolanda verschwand vor fast achtzehn Jahren...", murmelte James. Auch ihn verstand ich problemlos, obwohl er mittlerweile nicht mehr direkt vor dem Fenster stand. „James... bitte sag mir, dass sie lügt. Sag mir..." Summer schluchzte und ich nahm wahr, wie sie sich ein Taschentuch aus einer Box zog und geräuschvoll die Nase schnaubte. 

„Es tut mir leid Flo... Glaub mir, ich hätte es dir gesagt aber... Ich habe versprochen es für mich zu behalten!" „Jolanda hätte nie das Rudel verraten!", schrie Summer aufgebracht. „Florence", sagte James sanft und ich zwang mich selbst dazu, endlich aufzustehen. Ich wollte das alles nicht hören. Ich wusste jetzt, dass Susan nicht meine Mutter war. Alles andere war mir egal. Mir war egal, wer meine leiblichen Eltern waren, denn scheinbar hatten sie mich nicht gewollt.

Langsam richtete ich mich auf und entfernte mich von dem Fenster, ohne dass mich irgendjemand da drinnen sah. Auf dem gesamten Weg um das Gebäude herum versuchte ich mein Gefühlsleben wieder unter Kontrolle zu bekommen. Ich atmete tief durch und schaffte es, die Tränen vollständig wegzublinzeln, ehe ich zurück in das Gebäude trat und augenblicklich mit Julian zusammenstieß.

„Hier steckst du! Ist alles okay?" Er sah mich prüfend an und es war mir egal, ob er meine Lüge erkennen würde. „Ja, ich war ein bisschen draußen und habe mich über meine Möchtegern-Mutter aufgeregt", sagte ich und zwang mich zu einem Lächeln. Julian runzelte die Stirn und strich mir über die Wange. 

„Sicher werden Summer und so dich holen, wenn es um dich gehen sollte", sagte er und lächelte aufmunternd. „Ja, bestimmt", murmelte ich und schluckte. „Möchtest du vielleicht mit in den Aufenthaltsraum kommen? Wir wollen Monopoly spielen", fragte Julian und griff bereits nach meiner Hand. Doch ich schüttelte den Kopf.

„Danke, aber nein danke. Wenn du mich entschuldigen würdest, ich... ich würde gerne noch in die Bibliothek gehen", sagte ich zögernd und beobachtete unauffällig seine Reaktion. Julian nickte. „Okay, dann sehen wir uns später beim Mittagessen?" „Ja", sagte ich und er wandte sich ab. 

Ich habe ihn gerade angelogen. Zweimal! Er drehte sich auch nicht noch einmal um, sondern verschwand im Aufenthaltsraum. Fassungslos sah ich ihm hinterher und ging dann langsam die Treppe rauf. Ich hatte nie vorgehabt in die Bibliothek zu gehen. Julian hätte meine Lüge durchschauen müssen. Oder er akzeptiert einfach, dass du gerade deine Ruhe willst!

Schritte hinter mir holten mich aus meinen Gedanken raus. „Lynn?" Ich drehte mich zu Blake um und seufzte. „Hm?" „Du sollst in Summers Büro kommen", sagte er und ich schluckte. „Jetzt?", fragte ich und er runzelte die Stirn. „Wann denn sonst?" Er klang leicht gereizt, was mich gerade ziemlich ankotzte. 

Super... Meine Emotionen spielen auch schon wieder verrückt! „Entschuldige, dass du meinetwegen durch die Schule rennen musst", zischte ich und rempelte ihm im Vorbeigehen an. Sofort hielt er mich am Handgelenk fest. „Was ist los?", fragte er und seine Augen funkelten sofort gelb auf. 

Doch ich war echt nicht in der Stimmung, mich irgendwie dumm anmachen zu lassen. Schon gar nicht von einem Typen, der mich fast küsste und mich dann Tagelang nicht mehr ansah. Und was auch immer ihn geritten hatte, mit uns am Montag Volleyball zu spielen, wollte mir auch nicht einfallen.

„Nichts", knurrte ich und entriss ihm mein Handgelenk. „Sollte ich nicht sofort zu Summer?" Ich war die halbe Treppe bereits nach unten gelaufen, als sich erneut seine Finger um mein Handgelenk legten. 

„Fass mich nicht an!", zischte ich und funkelte ihn wütend an. Sofort ließ er mich los und wich eine Treppenstufe zurück. Gut so! Sorry, aber ich habe heute echt nen scheiß Tag! Und der Tag ist noch nicht einmal zur Hälfte rum! Ich wandte mich ab, sauste die Treppe runter und in Richtung von Summers Büro. Die Tür war verschlossen und ich klopfte, mit viel mehr Kraft als nötig, gegen das glatte Holz. Ein Herein wartete ich schon gar nicht mehr ab.

„Lynn, schön dass du so schnell kommen konntest", sagte Summer, die sich scheinbar beruhigt hatte. Susan saß auf dem kleinen Sofa und sah angestrengt auf ihre Füße, während James wieder am Fenster lehnte. Cedric stand neben der Tür und lächelte kurz. Will hatte sich auf Summers Schreibtisch gesetzt und wirkte ziemlich gelangweilt. 

„Schien dringend gewesen zu sein", antwortete ich und ließ mich auf einen der beiden freien Sessel fallen. Summer, die sich gerade eine Tasse Tee eingoss, fuhr sich durchs Haar und deutete Will, dass er von ihrem Tisch runter sollte. Sofort stand er auf und lehnte sich neben James gegen die Wand.

„Also? Um was geht's?", fragte ich und sah Summer abwartend an, die langsam Platz nahm. Ich wusste ja, um was es gehen würde. Sie hatten sich wahrscheinlich entschieden, dass ich unbedingt die ganze Wahrheit erfahren musste. Wahrscheinlich waren deshalb noch so viele hier. 

Falls ich austicke und jemanden den Kopf abreiße... Ich konnte mir ein kurzes Lächeln nicht verkneifen und räusperte mich schnell. „Um was geht es?", fragte ich noch einmal. Summer seufzte. 

„Deine Mutter möchte dir etwas sagen", sagte sie und ich spürte ein leichtes Ziehen im Schläfenbereich. Ich drehte mich zu Susan um und sah sie an. „Okay was?", fragte ich und war selbst überrascht, wie ruhig ich blieb. Ich schaffte es sogar noch einen drauf zu setzen.

„Du hast dich mit Thomas verlobt und möchtest meinen Segen für die Hochzeit?", fragte ich und lächelte gespielt. Der nächste Satz war vielleicht fies, aber sie hatte es verdient. „Oder bist du schwanger?", fragte ich gespielt geschockt und ein Gefühl von Befriedigung floss durch meinen Körper, als sie zusammenzuckte. Alle im Raum sahen Susan abwartend an und ich seufzte gespielt versöhnlich. 

„Also falls ihr euch verlobt habt, kein Problem. Ich mag ihn zwar nicht, aber irgendwas muss ja an ihm toll sein. Meinen Segen für eine Hochzeit mit dem Affenarsch hast du!" Ich stand auf und ging in Richtung Tür. Sie würde es mir nicht sagen und niemand im Raum würde sie zwingen. Deshalb würde ich es ihr einfach machen.

„Achja und keine Sorge, Susan", sagte ich und drehte mich in der Tür noch einmal um. „Ich hasse dich nicht mehr als vorher, jetzt wo ich weiß, dass du nicht meine Mutter bist!" Alle im Raum sahen mich schockiert an, selbst James und damit bestätigte er mir, dass er keine Ahnung gehabt hatte, dass ich unter dem Fenster gehockt hatte.

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