Ich beschütze dich

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»Was zum?!« Ich sehe genauer hin. Aus vier Blutsaugern, werden auf einmal zehn! Das gibt's doch nicht. Die dunklen Silhouetten starren uns an und mir fährt ein beängstigender Schauder über den Rücken. Ich ducke mich runter und ziehe Elly mit auf den Boden.
»Was ist hier los?«, frage ich flüsternd.
»Ich habe keine A-«
Ich stoße einen lauten Schrei aus, als die Fenstergläser plötzlich zerspringen. Scharfe Scherben schnellen durch den Raum, als wir reflexartig unsere Köpfe einziehen und sie schützend in unseren Armen vergraben.
»Elly!«, fahre ich hoch.
»Mir geht es gut.«, sagt sie bestimmend, als wäre nichts passiert. »Du bist hier der Mensch. Um dich muss man sich eher Sorgen.«
Das Licht in meinem Zimmer fängt an zu flackern und die Birne explodiert, sodass wir in der stockfinsteren Dunkelheit sitzen und ich eine Todesangst verspüre, die mir bis ins Mark wandert. Der eisige Wind pfeift hörbar durch die Öffnung. Elly zupft mir am Ärmel und wir ziehen uns ans Bett, um den Abstand zum Fenster zu vergrößern.
»Was machen wir jetzt?«, flüstere ich panisch.
»Kommt drauf an, was diese Scheißkerle nun vorhaben. Wenn es hart auf hart kommt, müssen wir kämpfen - du auch.« Man kann spüren, wie auch Elly von Angst erfüllt ist.
»Wie soll ich das machen?!«, zische ich sie an.
Ich habe keine Ahnung, wie man diese Dinger umbringt. Weihwasser, Knoblauch und Kruzifixe werden mir bei diesem Part der Geschichte bestimmt nicht weiterhelfen.
»Besteht in deinem Zimmer irgendetwas aus Holz?«
Ich überlege kurz. »Mein Schreibtisch! Der ist aus Akazienholz.«
»Gut, ich taste mich an ihn heran und versuche eines seiner Beine rauszureißen. Wenn dich jemand angreifen sollte, rammst du ihm den Pflog ins Herz.«
Wie klischeehaft.
Naja, Hauptsache es tut, was es tun soll.
»Also gut. Und das soll die Viecher umbringen?«
Ich kann ihren Gesichtsausdruck durch die Dunkelheit nicht genau deuten.
»Nein, nicht wirklich. Es macht sie schwach und lässt sie in eine Art Schlaf verfallen. Sobald dieser dann aber rausgezogen wird, erwachen sie wieder zum Leben. Vampire sind nicht so einfach zu töten. Das ist so ähnlich, wie mit den Zecken. Die halten auch fast allem Stand.« Während Elly erklärt, krabbelt sie langsam zum Schreibtisch und ich höre, wie sie meinen teuren Tisch mit ihrer übermenschlichen Stärke zerkleinert.
In diesem Moment höre ich ein Geräusch und sehe zum Fenster, aus der eine Figur in mein Zimmer schwebend hereintritt und sich vor der ahnungslosen Elly aufbaut. Er knurrt aus voller Kehle.
»Pass auf!«, schreie ich ihr zu. In diesem Moment hat sie eines der vier Tischbeine abgerissen, dreht sich zu dem unbekannten Wesen um und rammt ihm dieses durch den Brustkorb. Er schreit laut auf und ich kann sehen, wie das Rot in seinen Augen noch stärker aufleuchtet und daraufhin erlischt.
Wie erstarrt schaue ich mir das Szenario an, das sich vor meinen Augen abspielt. Wenn ich nicht wüsste, dass dies die wahrhaftige Realität ist, würde ich meinen, ich wäre in einem schrecklichen Albtraum gefangen, der immer gefährlicher wird.
Der Vampir sackt zu Boden zusammen.
»Alisa, das sind Abtrünnige! Wir müssen hier raus!«
Ehe ich mich erheben möchte, um mit meiner Freundin aus dem Haus rauszurennen, taucht ein weiteres Wesen hinter ihr auf, umfasst ihren Hals, hebt sie hoch und drückt zu.
Ohne weiter zu überlegen renne ich auf den überaus riesigen Typen zu und springe mit meinem ganzen Körpergewicht auf ihn drauf. Er taumelt, lässt Elly los und fällt mit mir auf das Parkett. Ich raffe mich auf und schlage ihm, so fest ich kann, mit meiner bloßen Hand ins Auge. Er zuckt noch nicht einmal. Ich erschaudere bei seinem Anblick. Sein Gesicht ist verzerrt, das grinsen ist so breit, dass es sich wortwörtlich über beide Ohren ausdehnt und mir seine widerlich verdreckten Fangzähne zeigt. Seine blutroten Augen strahlen Mordgier und Hass aus, als er blitzschnell aufsteht, ein paar Haarsträhnen von mir packt und mich durch das Zimmer schleift, während Elly immer noch nach Luft ringt.
Ich schreie vor Schmerz auf, denn der Vampir reißt mich mit meinen Haaren vom Boden hoch und sieht mich abschätzig an.
»Du bist also das kleine menschliche Ding, das Drake so lieb gewonnen hat. Wie erbärmlich.«, knurrt er mich an und ich muss mich fast übergeben, als ich seinen widerlichen Atem rieche. »Wenn ich es nicht besser wüsste, wärst du schon tot. Als Trophäe würde ich deinen hübschen kleinen Schädel mitnehmen, aber aus irgendeinem Grund will der Prinz dich haben. Vermutlich bist du der Schlüssel zu seiner vollständigen Regeneration.«
Was faselt dieses nach Fäulnis riechende Wesen? Welcher Prinz? Was will er von mir und noch wichtiger, was werden diese Kreaturen mit mir anstellen?
Ich wedele panisch mit den Armen und versuche meine dicken Haarsträhnen von seinen Fängen zu befreien. »Lass mich sofort los, du Arschgesicht!«
Er lacht hässlich auf, packt meine Kehle und schleudert mich mit Leichtigkeit durchs Zimmer gegen die Wand, sodass meine Lunge zusammenklappt und ich röchelnd auf dem Boden aufkomme.
Höhnisch zeigt er mir seine spitzen Zähne und kommt auf mich zu, als Elly ihn, mit bemerkenswerter Schnelligkeit, von hinten anspringt und ihm ein weiteres spitzes Teil meines Tisches ins Herz rammen möchte. Doch er kommt ihr unglücklicherweise zuvor, nimmt sie über die Schulter und reißt ihr das Tischbein aus der Hand.
»Du kommst uns immer wieder in die Quere, du Göre. Es wird Zeit, dass du daraus lernst und endlich stirbst.«, faucht er sie an und rammt ihr den Pflog durch den Leib.
»NEIN!«, plärre ich.
Schreiend windet sich ihr Körper von der Qual des Schmerzes. Ehe ihre letzte Kraft schwindet, drückt sie mit aller Wucht ihre beiden Daumen in die Augen des Abtrünnigen. Dieser jammert gequält auf und schmeißt Elly gegen das Ende meines Bettes. Regungslos liegt sie nun da.
Sie ist ... tot? Nein, das kann nicht sein. Elly hat mir doch erzählt, dass Vampire nur in eine Art Schlaf verfallen. Ich müsste nur irgendwie aufstehen und mich zu ihr rüber bewegen können, um ihr das Ding aus dem Herz zu ziehen. Dann würde sie bestimmt wieder aufwachen. Das Adrenalin breitet sich in meinen Venen aus und mein Herz schlägt schneller als je zuvor. Ich spüre auf einmal keinen Schmerz mehr und richte mich langsam auf. Als ich mich kurz umblicke, sehe ich zwei weitere Blutsauger, deren blutrote Augen mich durchdringend anfunkeln und langsam auf mich zuwandern. Sie kesseln mich ein.
Ich werde diese Nacht wohl nicht mehr überleben. Drake hatte recht. Ich hätte hier nicht herziehen sollen.
Die Viecher kommen immer näher, bis sie mich so tief in die Ecke gedrängt haben, dass ich mich auf Zehenspitzen gegen die Wand presse. Ihre Mäuler entwickeln sich zu einem gehässigen breiten Lächeln, die Gesichter verformen sich und ich bekomme es mit der Angst zutun. Ich sterbe gleich und keiner wird mich retten. Vergangene Erinnerungen kommen hoch und mein panisch zitternder Körper bereitet sich darauf vor, den letzten Atemzug zu tätigen, bevor das Licht dieser Welt für mich ausgeht.
»Wir haben sie endlich. Wenn ich nicht wüsste, wem sie versprochen wäre, hätte ich sie schon längst aufgefressen.«, knurrt einer.
Ich presse meine Lider zusammen und eine geballte Ladung Filmrisse aus meiner Kindheit, bis hin zum heutigen Tag strömen durch mein geistiges Auge. Mein Vater, der mir das Fahrradfahren beigebracht hat, meine Mutter, die verletzt am Tisch saß, als sie die Scheidungspapiere in der Hand hielt, meine Freunde, mit denen ich unglaublich viel Spaß hatte und dann kommt Drake, der mir zeigte wie sich Leidenschaft anfühlen kann. Ich will noch nicht sterben. Nicht jetzt, wo ich doch so jung bin und mein ganzes Leben noch vor mir habe.
»Bevor wir sie dem Prinzen abgeben, können wir ja wenigstens mal kosten, wie ihr Blut schmeckt.«, sagt ein dickerer Vampir, der sich die Finger leckt.
Erschreckenderweise nickt so ziemlich jeder bei seiner Aussage und ich schnappe nach Luft, will schreien, doch man hält mir den Mund zu.
»Na, na. Wir wollen doch niemanden aus dem Schlaf reißen.«
Als die Gruppe sich bereit macht über mich herzufallen, springt urplötzlich die Tür auf, reißt sich aus der Ankerung heraus und wirbelt durch das Zimmer.
Keiner bewegt sich, mich eingeschlossen. Es ist, als hätte jeder die Luft angehalten. Als wäre die Zeit stehengeblieben.
Ich blicke auf und sehe eine mir bekannte Statur, die verkrampft an der Türschwelle steht. Ich glaub's nicht. Es ist Drake!
Er stützt sich an die Wand ab, um sich fortzubewegen. Diese scheint in seiner Hand zu verschmelzen und hinterlässt einen glühenden Abdruck.
»M-m-m-My Lord.«, stottert der Vampir, der mich vor ein paar Sekunden noch gegen die Wand geschleudert hat. »W-w-wir wollten diesem Mädchen n-nur einen kleinen Besuch abstatten u-und ihr Gute Nacht wünschen.«
Drake sieht ihn gar nicht an. Seine schwarzen Haare wehen vom Wind, das durch das kaputte Fenster bläst. Ich kann seinen Ausdruck nicht genau deuten, aber anhand seiner wutentbrannten Energie und seiner angespannten Statur scheint er nicht gerade erfreut zu sein. Er atmet schwer und kommt noch näher. Ich erkenne ihn gar nicht wieder, als er sein Haupt erhebt und die versammelten Abtrünnigen mit seinem unheimlichen Blick fixiert. Seine blutrünstigen Augen lodern wie Feuer.
Dieser Drake ist angsteinflößend, gruselig und bedrohlich zugleich. Jeden Schritt, den er auf uns zukommt, lässt die Gruppe zusammenzucken und ich schreie laut auf, als einer der Vampire eine Handbewegung macht und Drake ihn mit telekinetischen Fähigkeiten in die Lüfte hebt und in Stücke reißt, sodass dessen Blut umher spritzt.
Mein Brustkorb hebt sich fassungslos, als ich merke, dass ein paar Sprenkel, der dunkelroten Flüssigkeit, mein Gesicht befleckt. Ich bin wie paralysiert.
»My Lord ... b-bitte ...«, wimmert ein blondhaariger Abtrünniger und kniet vor Drake nieder. Dieser lässt sich davon aber nicht beeindrucken. Er beißt fletschend seine Zähne zusammen, hebt seine Hand und drückt diese fest zu einer Faust zusammen. Daraufhin fängt das Wesen an gequält zu röcheln und fasst sich an die Kehle. Dann macht er eine drehende Handbewegung in der Luft und reißt dem Wesen den Kopf ab, der kullernd vor Drakes Stiefeln rollt. Ich komme gar nicht mit dem Schreien hinterher. Dieser Anblick wird mich bis in mein Grab verfolgen.
Ich schiele verstört rüber und sehe, dass Elly noch immer regungslos vor meinem Bett liegt. Ich will zu ihr, ihr helfen. Doch als ich die Gelegenheit nutzen möchte, um ihr das verdammte Holzstück aus ihrem Körper zu ziehen, packt mich der vermeintliche Anführer der Gruppe und zerrt mich gewaltsam an sich.
»Noch einen Schritt und sie stirbt.«
Ich fasse es nicht. Gerade hatten sich meine Überlebenschancen wieder erhöht und nun bin ich in den Fängen dieses ... Abschaums. Ich versuche mich aus seinem Griff zu winden, doch dieser wirkt dadurch nur noch fester.
»Lass mich los, du Arschgesicht!«
Ich stocke und höre auf mich zu wehren, als ich ein leises bösartiges Lachen vernehme. Ein kalter Schauer zieht sich über meinem Rücken runter und dringt fast schon schmerzhaft in mein Knochenmark ein. Ich bin überwältigt. Sowas habe ich noch nie gespürt. Mein Körper reagiert erschreckend panisch und mir wird mehr denn je bewusst, was es heißt einen echten Vampir vor sich zu haben.
Drake lächelt immer noch und zeigt dabei seine prachtvollen Fangzähne. Dabei lodern seine Augen noch stärker auf, als wäre das Feuer darin außer Kontrolle geraten.
»Du glaubst doch nicht im Ernst, dass du mir drohen kannst.«
Er schlendert weiter auf uns zu und der Abtrünnige zieht mich mit sich an die Wand, dabei holt er seinen Zeigefinger hervor, dessen verkohlter Fingernagel unerwartet gefährlich spitz und lang wird.
»L-lass uns einfach gehen und ich überlasse dir das Mädchen.«
Drake sieht ihn vergnügt an und grinst breit. Dabei merkt er, dass sich ein paar Tropfen Blut seines letzten Opfers auf seinen Lippen befinden und leckt sich diese amüsiert von seinem Mund.
»Ihr Gesindel.«, faucht er. »Wie könnt ihr es wagen hier aufzutauchen? Was wollt ihr von ihr? Ich denke ich muss euch nicht nochmal darauf hinweisen, dass dieses Gebiet für euch strengstens verboten ist.«
Drakes Gesicht verfinstert sich mehr und mehr. Er ist hier, um mich zu retten ... oder etwa nicht? Woher wusste er, dass wir in Gefahr sind?
Der Vampir nimmt seinen Zeigefinger und drückt gegen meine Halsschlagader. »Irgendwie habe ich nicht gerade viel Lust dir unsere Absichten zu erklären.« Sein Fingernagel wandert weiter runter und ich atme unkontrolliert. »Ein Vögelchen hat uns gezwitschert, dass du dich mit diesem Mädchen verbunden fühlst. Stimmt das?« Der Vampir wirkt immer selbstbewusster. Wieso rettet mich Drake nicht einfach?! »Du fühlst dich von ihr angezogen. Sie gehört aber jemand anderem. Jemand mächtigeren, wie du.« Er lacht dunkel. »Sie wird niemals dir gehören, Reinling des Hauses Greymoor.
Drake lacht höhnisch in sich hinein. »Wie waghalsig von dir mich zu provozieren. Jetzt, wo du weist, dass du sowieso gleich einen unbarmherzigen Tod sterben wirst.«
»Nun, ich werde nicht alleine untergehen. Die Kleine scheint so kostbar für euch Adelige zu sein, dass es wohl, das Beste ist, wenn ich sie von ihrem schrecklichen Schicksal als Sklavin erlöse.«
»Drake!«, gluckse ich warnend.
Drake steht regungslos da, als würde er über etwas nachdenken, grübeln. Als würden die Worte, die der Abtrünnige gesagt hat, nur müßig zu ihm durchdringen.
»Was der Vampir da von sich gibt ist vollkommener Schwachsinn! Nun tu endlich etwas!«, rufe ich gedrückt und bekomme nur schwer Luft.
»Wer ist dieser Jemand, von dem du sprichst?«
»Das wirst du bald selbst herausfinden, wenn du dich nicht ergibst und mich mit der Kleinen ziehen lässt.«
Der Vampir grinst triumphierend, als er merkt, dass Drake sich noch immer nicht rührt und drückt seinen Fingernagel in meinen Hals. Ich schluchze und merke, dass ich beginne Blut zu verlieren, das sich nun Wege meinen Hals runterbahnt und auf meinem Schlüsselbein versammelt.
Meine Tränen wandern an meinen geröteten Wangen entlang und ich schaue Drake hoffnungslos in sein dunkles Gesicht. »Warum unternimmst du nichts dagegen?«
Ich versteife mich, als der Vampir beginnt an meinem Hals zu riechen.
»Du bist ein widerliches, abscheuliches Monster, Drake! Ich hasse dich!«
Drake runzelt die Stirn und es scheint, als hätte ich ihn mit diesem Satz aufgeweckt.
»Ich hasse dich so sehr! Ich wünschte wir wären uns nie über den Weg gelaufen!«
Ich treffe ins Schwarze.
Er knurrt laut und schnippst anschließend mit dem Finger, sodass auch die letzten Abtrünnigen peinigend aufbrüllen und zu Staub zerfallen, dabei ist sein durchdringender feuerroter Blick auf mich gerichtet.
»Wer ist dein Anführer?«
Der Vampir kichert leise. »Wusstest du, dass Neugierde zu manchem Tod geführt hat?«, fragt er und leckt mir meinen Hals entlang.
Drake macht einen Schritt auf uns zu, belässt es aber dabei.
»Du lässt mich am Leben, weil du wissen willst, wem sie versprochen ist. Das ist wirklich niedlich. Fast schon rührend, wenn man bedenkt, dass deine Schwachstelle ein nichtsnutziger Mensch ist.«
Wieso zermalmt er diesen verdammten Wichser nicht einfach?
Der Abtrünnige drückt mit seinem spitzen Fingernagel wiederholt in meinen Hals und Blut rinnt meine Haut herunter, sodass mein Pyjama sich bereits zur Aufgabe gemacht hat mein Blut aufzusaugen.
Die Atmosphäre verändert sich und die Dunkelheit bricht über uns herein. Er ist wütend.
»Alisa. Versprich mir, dass du mir gehören wirst.« Er grinst angsteinflößend. »Ich rette dich, aber dafür musst du dich an mich binden. Andernfalls werde ich dich gehen lassen und zusehen, wie dich dieses Arschgesicht von hier wegschleppt und du letztendlich elendig krepierst. Wenn du möchtest, dass ich dich rette, verlange ich genau das als Gegenleistung. Versprich mir, dass du mir gehören wirst, wenn ich ihn umbringe.«, sagt er bestimmend und kommt einen gewaltigen Schritt näher, als würde dies seine Aufforderung noch verstärken.
Ich bin fassungslos und sehe in seine blutroten Augen.
Das ausgelassene Gesicht vergeht dem Abtrünnigen direkt.
Er schnappt nach Luft, als er die Worte hört und sieht Drake ungläubig an. »Das wäre gegen das Gesetz! Du darfst sie nicht an dich binden, wenn sie von Mond und Finsternis schon jemand anderem versprochen ist. Das würde uns alle in Gefahr bringen, du törichter Reinling!«
Ich schnaube laut. Er glaubt doch nicht wirklich, dass jetzt der richtige Zeitpunkt wäre, um einen Deal auszuhandeln.
»Sie wird niemals dir gehören. Sie ist dem Prinzen versprochen.«, flüstert der Abtrünnige und drückt sich fester an mich, als wäre ich sein Schutzschild.
»Du hast keine Wahl. Versprich es mir oder sieh deinem Schicksal entgegen.«
Das ist also Drakes wahres Gesicht. Ein egoistischer Tyrann, der andere für seine Zwecke ausnutzt.
»Das ist Erpressung!«, schreie ich ihn an und merke, wie die Stelle, an der zugestochen wurde, anfängt brennend bis in meinen Oberarm runterzuziehen. Der Abtrünnige ist viel zu berauscht von dem Geruch meines Blutes, als dass er uns weiterhin zuhören möchte und leckt sich hungrig über die Lippen.
»Wieso bist du gekommen, Drake? Um dich weiterhin über mich lächerlich zu machen?« Der Schmerz, der in mir aufkeimt erstickt das pochen meiner Stichwunde. »Du hast mich bloßgestellt, dich über mich lustig gemacht! Und nun, da du es nicht nötig hast mich ohne ein Versprechen zu retten, kann ich auch genauso gut sterben!«
Meine Augen füllen sich erneut mit Tränen, bis diese meine Wangen heruntergleiten. Wer weiß, was passiert wäre, wenn ich ihm meine Unschuld geschenkt hätte? Ich will gar nicht erst daran denken. Dieses unausstehliche Monster hatte die bloße Absicht mich leiden zu sehen! Es war nur ein Spiel für ihn, mehr nicht. Ich kann ihn nicht anhören, geschweige denn ihm verzeihen. Wie könnte ich mich solch einem Tyrann versprechen?
Das Rubinrot in Drakes Augen blitzt belustigend auf. »Du denkst also, dass ich mich über dich lächerlich gemacht habe?« Er wirkt nun ernst und kalt. »Du hast ja keine Ahnung, wie ich für dich fühle, Alisa.«
»Elly hatte recht. Du bist gefährlich und ich hätte mich dir nie anvertrauen sollen.« Meine Stimme bricht. Wenn dieser widerliche Abtrünnige recht hat und mich ein schreckliches Schicksal ereilen wird ... wenn die Welt wirklich voller gefährlicher Wesen ist, die mich und viele andere verfolgen und umbringen könnten, dann möchte ich lieber hier und jetzt sterben.
Meine Aufmerksamkeit gilt nun dem Abtrünnigen, der Gierig meine Blutspur beobachtet.
Ich atme erschöpft aus. Diese Wesen existieren. Sie sind real und sie werden mich wohl oder übel jagen, bis ich ihnen gebe, was sie möchten. »Nun beiß endlich zu. Genieß mein Blut. Ich möchte weder deinem Prinzen, noch diesem aufbrausenden Urvampir gehören. Töte mich. Ich sterbe eher, als dass ich als langsam verrottetes Menschenfleisch ende und ihr mit mir eure Spielchen treibt.«
Es klingt egoistisch, wenn man bedenkt, dass meine Mutter ebenfalls ein Mitspracherecht über mein Leben hat. Aber was für eine Tochter wäre ich, wenn ich meine Mutter ungewollt reinziehen und sie dadurch in Gefahr bringen würde?
Ich bin außer mir vor Wut und habe vermutlich gerade die dümmsten Sätze meines Lebens ausgesprochen. Hätte jemals jemand ahnen können, dass ich in eine Welt eintrete, die für mich, als Sterbliche, vollkommen Tabu sein sollte? Was habe ich mir dabei gedacht, als mir die Wahrheit offenbart wurde? Etwa, dass Mensch und Blutsauger friedlich miteinander leben könnten? Nun, da ich weis was sie sind, werden sie mich sicherlich bis an mein Lebensende verfolgen, unterdrücken, foltern und wer weis was noch grauenhaftes mit mir anstellen.
Es ist alles seine Schuld. Wutentbrannt sehe ich in Drakes rotleuchtende Augen.
»Du Monster.«, sage ich ruhig, während er mich warnend ansieht.
»Wag es nicht, Alisa.«
»Tu es!«, rufe ich aus tiefster Kehle und fühle mich mutiger denn je.
Der Vampir gehorcht direkt und rammt seine Zähne in meine Kehle. Ich kann nicht schlucken und Tränen füllen meine Augen. Dann, ganz plötzlich, wird mir warm. Ein gutes Gefühl umhüllt mich. Als wäre ich in einer Art Trance. Ich hätte nicht gedacht, dass sich ein Vampirbiss so anfühlt. Ekstase kribbelt durch meine Glieder. Ich schwebe auf tausend Wolken.
Drake sieht neben seiner wütenden Fassade schon fast ein wenig erschüttert aus und ich lächle gequält. Ich vernehme in dem Nebel meines schwindenden Daseins ein bebendes Knurren und bemerke zu spät, dass das blutsaugende Wesen wie eine Zecke von mir losgerissen wird und ich unsanft in die Realität zurückgeschleudert werde und wie ein Kartenhaus auf dem Boden zusammenfalle. Ich kauere mich auf dem Boden zusammen und fühle mich nackt, als hätte mir jemand etwas weggenommen, als wurde ein bestimmtes Gefühl aus mir qualvoll entfernt. Ich vermisse es, diesen Rausch, der mich auf einmal alles vergessen ließ.
Mit jedem schnellenden Herzschlag werde ich wacher und begreife, dass ich mich alles andere, als berauschend gefühlt habe. Das, was mir durch diesen Biss eingeflößt wurde war reines Gift. Meine zitternden Finger tasten an den Hals und Panik übermannt mich, als das viele Blut die Haut meiner Fingerkuppen bedeckt. Ich blicke hoffnungslos hoch. Was habe ich getan?
Der Abtrünnige schwebt nun in der Luft, krächzt und krümmt sich, als seine Kleidung langsam anfängt, aus dem Nichts, Feuer zu fangen. Gröhlend zappelt er in der Luft, während Drake ihn hasserfüllt anstarrt. Die Erde fängt an zu beben und mit einem Mal erheben sich einige meiner Gegenstände und Möbel in die Lüfte und wirbeln durch das Zimmer.
»Wie kannst du es wagen?«, zischt Drake den Eindringling an. Außer Sich vor Wut, reißt er ihm mit einer telekinetischen Kopfbewegung beide Arme raus. Das Wesen brüllt schmerzerfüllt auf. Sein Körper biegt sich. »Wir sind viele.« stockt er gequält. »Er wird kommen. Du wirst sie nicht ewig beschützen können.«
Ich halte mir schockiert die Hand vor den Mund und kann nicht anders, als dem innerlichen Druck nachzugeben und lauthals zu weinen. Ich weis nicht mehr weiter. Wieso werde ich verfolgt und von wem? Was habe ich ihnen denn getan?
Mein Kopf dröhnt. Ich starre paralysiert auf den Holzboden, der sich immer mehr mit meinem tropfenden Blut bedeckt. Ich habe den Vampir dazu eingeladen mein Blut zu trinken. Was stimmt nicht mit mir?
Drake schnalzt missbilligend mit der Zunge. »Nichts, als Abschaum. Ich werde jeden Einzelnen dafür bitter bezahlen lassen, der diesem Mädchen zu nahe kommt. Angefangen mit dir.« Drake schnippst schlussendlich mit dem Finger und der Angreifer pulverisiert sich krächzend zu Staub und löst sich im Strudel der umherfliegenden Gegenstände auf.

I will know how you taste Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt