Türchen Nummer 1: Weihnachtszeit

70 9 19
                                    

Zitternd hielt ich mir die Hände vor den Mund und hauchte sie an. Es war Anfang Dezember und mir definitiv zu kalt, aber Schnee war dennoch nicht in Sicht. Leider hatte ich meine Handschuhe Zuhause vergessen. Jetzt bekam ich die Quittung dafür. Ich fragte mich, wo Ally blieb. Wenn sie endlich hier auftauchen würde, könnten wir uns einen warmen Glühwein holen. Ungeduldig trat ich von einem aufs andere Bein. Warum musste meine beste Freundin auch immer zu spät kommen?

Nachdem weitere fünf Minuten des Wartens vergangen waren, zog ich schließlich mein Handy aus der Tasche und rief sie an.
„Ja?", meldete sie sich am anderen Ende der Leitung.
„Ally, wo zur Hölle bist du? Ich warte hier schon eine halbe Ewigkeit auf dich", redete ich sofort drauf los.
„Lizzy...", fing meine beste Freundin an. An ihrem Tonfall erkannte ich sofort, dass sie ein schlechtes Gewissen hatte.
„Jetzt sag nicht, dass du noch nicht mal auf dem Weg bist", meinte ich.
„Ich wurde aufgehalten. Aber ich gehe sofort los. Versprochen. Gib mir zwanzig Minuten", sagte sie.
„Zwanzig Minuten?! Ich bin jetzt schon ein halber Eiszapfen", erwiderte ich, doch da hatte Ally schon aufgelegt.

Genervt schlenderte ich über den Weihnachtsmarkt. Nur weil meine beste Freundin sich mal wieder alle Zeit der Welt ließ, hieß das nicht, dass ich hier seelenruhig auf sie wartete. Ich war sauer auf sie und das nicht zu knapp.

Die vielen warmen Lichter der verschiedenen Essensbuden, Glühweinständen und Mini-Geschäften sollten Gemütlichkeit und Besinnlichkeit verbreiten, aber auf mich bewirkten sie das Gegenteil. Seit diesem Ereignis vor einem Jahr, war die Weihnachtszeit für mich nichts weiter als Kommerz und Heuchelei. Nur widerwillig hatte ich Allys Vorschlag auf den Weihnachtsmarkt zu gehen vor einigen Tagen zugestimmt. Doch gegen ihren Dickkopf und ihre Beharrlichkeit hatte ich keine Chance gehabt. Jedes „Nein", jeder Vorwand und jegliche andere Arten der Ausreden wurden von ihr abgeschmettert, durchschaut und nicht akzeptiert. Ihre Sturheit würde mich irgendwann nochmal in den Wahnsinn treiben. Genauso wie ihre Unpünktlichkeit.

So sauer ich gerade auch auf sie war, ich wusste, dass mein Groll nicht lange anhalten würde. Ally war meine beste Freundin, Mitbewohnerin und Familie. Wenn ich sie wirklich brauchte, war sie für mich da und ließ mich nie im Stich. Mit ihrer Frohnatur schaffte sie es regelmäßig mich zum Lachen zu bringen, obwohl mir gerade in den letzten Monaten so gar nicht danach gewesen ist.

Schließlich seufzte ich und sah mir die Buden in meiner Nähe doch genauer an. Außerdem bekam ich langsam ziemlichen Hunger. Nur einige Meter von mir entfernt entdeckte ich einen Stand mit Schmalzgebäck - das einzig gute an dieser Jahreszeit und genau das, was ich jetzt brauchte. Schnellen Schrittes legte ich wenigen Meter zum Ende der Schlange zurück und freute mich schon auf das süße Gebäck.
Als ich schließlich dran war, entschied ich mich gleich für eine 400-Gramm-Tüte. Freudig nahm ich sie entgegen und fing genüsslich an zu essen. Da das Gebäck warm war, bekamen meine armen Hände auch endlich etwas Wärme. Langsam hob sich meine Laune wieder etwas. Gib mir etwas Süßes und meine Stimmung hebt sich sofort.

Neugieriger als zuvor betrachtete ich die lachenden Menschen, beleuchteten Buden und ließ mich sogar ein wenig von der Weihnachtsstimmung anstecken. Vielleicht würde der Dezember doch besser werden, als ich gedacht habe. Es war noch gar nicht so lange her, dass diese Zeit meine Lieblingszeit des gesamten Jahres gewesen ist. Auch mein Geburtstag im Sommer kam dagegen nicht an. Das ganze Jahr über hatte ich mich auf die Adventszeit und Weihnachten gefreut. Über die Feiertage waren meine Familie und ich immer in eine kleine Pension gefahren. Die gesamte Weihnachtszeit hatte immer etwas Magisches für mich gehabt.

Vielleicht sollte ich dem Ganzen nochmal wieder eine Chance geben. Dann würde es besser werden, als ich noch dachte. Hoffnung stieg in mir hoch und ein leichtes Lächeln schlich sich auf meine Lippen. Eigentlich war es hier wirklich schön und Ally müsste auch gleich da sein, wie mir ein Blick auf meine Uhr verriet. Fast schon gut gelaunt wich ich einer Gruppe Teenager aus, doch das, was ich danach sah, ließ mich abrupt abbremsen und erstarren.

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~
Der Dezember ist da und das 1. Türchen ist geöffnet. Ich hoffe, es gefällt euch. Was meint ihr, was Lizzy erstarren lässt?

A Letter for ChristmasWo Geschichten leben. Entdecke jetzt