A Letter for Christmas

Türchen Nummer 7: Der Antwortbrief

Genervt nahm ich das Papier und zerknüllte es. Mittlerweile hatte ich den zehnten Versuch hinter mir einen Antwortbrief zu verfassen. Früher waren das Schreiben und Romantik meine Leidenschaft gewesen. Beides war mir von meinem Exfreund zerstört worden.
Seufzend lehnte ich mich in meinem Stuhl zurück. Auf was hatte ich mich da nur eingelassen? Aber ich hatte es geschworen. Daher musste ich mein Versprechen einhalten.

Ich nahm mir ein weiteres Blatt Papier und startete einen neuen Versuch. Doch es wollte einfach nichts Gutes dabei rum kommen. Dann hatte ich eine Idee. Wenn das hier eine Geschichte wäre, die ich schreiben würde und ich wäre eine der Hauptcharaktere, was würde sie antworten? Schnell nahm ich das nächste Papier vom Stapel und fing an zu schreiben:

Lieber Weihnachtself,

Ehrlich gesagt, weiß ich nicht, was ich antworten soll. Ich finde, es ist zu früh für ein Treffen. Immerhin kennen wir uns dafür noch nicht gut genug. Daher muss ich dich leider enttäuschen, aber ich werde am Mittwoch nicht da sein.

Ja, es ist Weihnachten... Früher war das meine Lieblingszeit des ganzen Jahres. Sogar mein Geburtstag kam nicht daran. Meine Eltern und ich sind immer in eine kleine Pension im Ort Cullingfield gefahren und haben dort einige Tage vor Heiligabend verbracht. Dort habe ich mich immer geborgen und wie Zuhause gefühlt. Doch man wird älter und der Zauber von Weihnachten verblasst immer mehr. Man sieht die Wahrheit: Kommerz, Heuchelei und vorgespielte Gefühle. In dieser Zeit sind die Menschen plötzlich zu allen möglichen Verwandten, die sie sonst nicht leiden können, nett, gehen in die Kirche und Geschäfte machen mehr Umsatz als sonst. Warum spielen wir da mit? Spätestens am Anfang des nächsten Jahres ist alles wieder vorbei und die Menschen verfallen in ihr altes Leben zurück.

Es tut mir leid, dass ich mich über diesen Zauber der Weihnacht nicht freuen kann. Aber für mich gibt es an dieser Zeit einfach nichts Magisches oder Besonderes mehr. Wenn man das Spiel einmal durchschaut hat, kann man nicht mehr wegsehen. Wie siehst du die Weihnachtszeit?

Deine Geheimnisvolle

Ich legte den Stift beiseite und las mir den Brief noch einmal durch. War dort vielleicht zu viel Persönliches von mir drin? Sollte ich die Frage am Ende weg lassen?

Kritisch betrachtete ich das beschriebene Papier in meinen Händen. Mein Blick schweifte immer wieder zu den zerknüllten Blättern, die verteilt auf dem Fußboden lagen. Wenn ich diesen Brief jetzt auch zerknüllen würde, müsste ich wieder von vorne anfangen. Bisher war dieses Geschriebene das einzige, was einigermaßen in Ordnung war. Ich wusste nicht, ob ich noch etwas schaffen würde, mit dem ich meinen Schwur einhalten konnte.
„Was soll's", sagte ich, faltete den Brief ordentlich und steckte ihn in einen Umschlag. Dann packte ich mich in meine Winterjacke, Mütze, Schal und Handschuhe ein. Nachdem ich im letzten Moment noch Klebeband in meine Handtasche gepackt hatte, machte ich mich auf den Weg zum Weihnachtsmarkt.

Als ich den östlichen Eingang erreichte, entdeckte ich die Bank neben dem Schmalzgebäckstand. Ich kam mir ziemlich komisch vor, wie ich mich dort auf die Bank setzte, den Umschlag mit dem Klebeband präparierte und ihn schließlich so unauffällig wie möglich unten an das Holz zu kleben. Nach einer gefühlten Ewigkeit hatte ich es schließlich geschafft und stand wieder auf. Gerade als ich mich zum Gehen wandte, wehte mir der Duft des süßen Gebäcks in die Nase. Einige Sekunden zögerte ich. Doch dann drehte ich mich wieder um und ging zielstrebig auf den Gebäckstand hinzu. Ally hatte schon Recht. Schmalzgebäck konnte ich schwer widerstehen. Ich kaufte mir eine mittlere Tüte und verputzte sie auf dem Weg nach Hause. Das hatte ich mir auch verdient.

Ob der Briefeschreiber mir wohl antworten würde? Eigentlich wollte ich darüber nicht nachdenken, aber meine Neugierde war mittlerweile geweckt. Ich war gespannt, ob ich eine Antwort erhalten würde und wenn ja, was drin stehen würde. Würde er enttäuscht sein, dass ich nicht zum Treffen erschienen war?