„Da bin ich schon!" Allys Stimme riss mich aus meinen Gedanken. Langsam drehte ich mich zu ihr und zwang mich den Blick von Joshua und dieser Blondine abzuwenden.
„Toll", sagte ich wenig begeistert. Mit meinem Kopf war ich weiterhin bei meinem Exfreund.
„Och Lizzy, ich hab doch gesagt, dass es mir leid tut. Ich habe mich wirklich beeilt so schnell wie möglich hier zu sein", entschuldigte sie sich bei mir.Ich nickte nur kurz und schwieg. Jetzt bemerkte auch Ally, dass mich etwas anderes als ihr Zuspätkommen beschäftigte. Es dauerte nicht lange bis sie den Grund entdeckte. Allys Blick verfinsterte sich und sie ballte ihr Hände zu Fäusten. Gerade als sie in Joshuas Richtung marschieren wollte, packte ich sie am Arm.
„Lass es", sagte ich ruhig.
„Lizzy, ich verstehe nicht, wie du so ruhig bleiben kannst! Dieser Typ hat dich hintergangen, benutzt und aufs Übelste verarscht. Eine muss ihm doch eine verpassen", wetterte sie schon los. Obwohl ich wusste, dass meine beste Freundin recht hatte, konnte ich es nicht. Zwar hatte ich allen Grund genug auf ihn wütend zu sein, ihn verprügeln zu wollen und Gerechtigkeit zu bekommen. Aber wir hatten alles versucht und nichts hatte funktioniert. Ich hatte keine Kraft mehr dafür. Er würde mich ohnehin nur verspotten. Was sollte ich schon tun?
„Das hilft mir auch nicht weiter. Oder erlange ich dadurch Gerechtigkeit und bekomme meine Geschichte zurück?", erwiderte ich und sah Ally ernst an.
„Nein...", gab sie zu.
„Aber ich könnte...", fing sie an, doch mein Blick brachte sie zum Verstummen.
„Na gut. Dann lass uns schnellstens von hier verschwinden ehe ich es mir doch noch anders überlege. Das Arschloch hat Glück, dass ich dir zu liebe ihn verschone." Mit diesen Worten machte sie auf dem Absatz kehrt, nahm mich an der Hand und zog mich hinter sich her.Zusammen schlängelten wir uns durch die Menschenmassen. Als ich mich gerade an einer jungen Frau, die einfach mitten auf dem Weg grundlos stehen blieb, vorbei zwang, stieß ich mit einem Jungen zusammen. Unwillkürlich ließ ich Allys Hand los.
„Das tut mir leid", entschuldigte ich mich sofort, aber anstatt eine Antwort zu bekommen, tauchte der Fremde mit einem „schon okay" wieder in der Masse unter. War ich denn nur von anstandslosen Idioten der männlichen Spezies umgeben?
„Lass uns da drüben zur Fressbude gehen", hörte ich von rechts Allys Stimme. Nach einigem Umschauen entdeckte ich sie und den Stand, den sie gemeint haben musste.
„Ich kann etwas zu essen vertragen. Möchtest du auch etwas?", fragte meine beste Freundin.
„Nein, danke. Ich habe noch mein Schmalzgebäck", antwortete ich und zog die angebrochene Tüte aus meiner Tasche. Mit Joshuas Anblick war mir der Appetit vergangen und ich hatte die Tüte weg gesteckt. Skeptisch sah Ally mich mit einer hochgezogenen Augenbraue an.
„Die Tüte ist noch nicht leer? Sonst verputzt du das Gebäck doch innerhalb kürzester Zeit", erwiderte sie nur. Sie kannte mich einfach zu gut. Doch im nächsten Moment wurde ihr Blick wieder weicher und sie nahm mich in den Arm.„Ich mache mir Sorgen um dich. Jedes Mal, wenn du ihn siehst oder etwas in den Nachrichten von ihm hörst geschweige denn liest, hast du diesen Ausdruck in den Augen, der mich immer wieder an den Tag erinnert, an dem ich dich bei dir Zuhause zusammengekauert gefunden habe. Bitte tu irgendetwas gegen diesen Idioten. Dann wird es dir bestimmt besser gehen. Wenn du ihm keine verpassen möchtest, kann ich das verstehen, aber dann lass uns etwas anderes überlegen, wie wir dafür sorgen können, dass es dir besser geht", sagte sie, während sie mich fest in ihre Arme schloss.
Als ich gerade etwas erwidern wollte, wurden wir angerempelt.
„Das tut mir leid. Ich hoffe, euch ist nichts passiert", entschuldigte sich der Junge, der mit uns zusammengestoßen war.
„Nein, nichts passiert. Alles in Ordnung", meinte Ally.
„Dann ist ja gut. Ich muss dann auch weiter." Ohne ein weiteres Wort tauchte der Junge wieder in den Menschen unter. Innerlich verdrehte ich die Augen. Wenigstens hatte er sich entschuldigt.
„Komm, lass uns etwas essen. Und ich weiß, dass du Hunger hast. Widerrede ist zwecklos. Ich geb dir eine Pommes aus", redete meine beste Freundin weiter, als sei nichts gewesen. Sie schien der Zusammenstoß nicht zu stören. Wahrscheinlich reagierte ich einfach mal wieder über.
„Na gut. Gegen deinen Dickkopf komme ich sowieso nicht an", gab ich nach und zeigte ein erschöpftes Lächeln. Der Besuch auf dem Weihnachtsmarkt war anstrengender und unvorhergesehener gewesen, als gedacht. Doch ich sollte erst noch erfahren, wie unvorhersehbar.
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A Letter for Christmas
Short StoryWeihnachten - die Zeit der Liebe, Freude und Magie. Nicht für Lizzy. Seit einem Vorfall letztes Jahr hasst sie diese Zeit. Für sie ist es die reinste Heuchelei und nichts weiter als Kommerz. Nach einem Besuch mit ihrer besten Freundin auf dem Weihna...