Türchen Nummer 2: Schmerzhafte Erinnerungen - Teil 1

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Geschockt blickte ich auf die Szenerie, die sich nur einige Meter von mir entfernt, abspielte. Schlagartig verschwand meine gute Laune. Hier würde auch Schmalzgebäck nicht mehr helfen. Tränen stiegen in mir auf. Ich blinzelte mehrmals und versuchte sie so zu vertreiben, aber es half alles nichts.
Nicht weit von mir entfernt stand mein Exfreund Joshua. Den Arm um eine dürre Blondine gelegt, stand er am Glühweinstand und prostete gerade seinen Freunden zu. Ich konnte es nicht fassen. Ich hatte ihm vertraut, mich ihm geöffnet, ihn geliebt. Doch er hatte mich belogen und betrogen und am Ende mit mir Schluss gemacht, was mein Herz in viele kleine Einzelteile zerbrechen ließ. Erinnerungen an unsere gemeinsame Zeit schossen mir durch den Kopf...

„Ich kann es kaum glauben. Das ist mein erstes, eigenes Buch, das ich hier in den Händen halte." Glücklich strahlte ich Joshua an.
„Du hast es geschafft und bist nun eine richtige Autorin", hatte er erwidert und mich danach leidenschaftlich geküsst.
„Ich bin mir nur noch nicht so sicher, ob es wirklich richtig war mein Studium für das Schreiben abzubrechen", meinte ich danach nachdenklich. Hätte ich doch nur auf mein Bauchgefühl, als auf den Idioten von Exfreund zu hören.
„Schatz, überleg doch mal. Dadurch hast du viel mehr Zeit zum Schreiben und deine Ideen auszuarbeiten. Außerdem hast du doch gesehen, wie die Verkaufszahlen sich seit dem Release in den letzten Tagen positiv entwickelt haben", sagte Joshua und vertrieb so die Zweifel in mir.
„Du hast ja recht. Ich habe auch schon so viele Ideen für mein nächstes Buch", lächelte ich.
„Siehst du. Glaub mir, das war die richtige Entscheidung. Konzentrier dich einfach aufs Schreiben und dann wird sich alles geben", ermutigte er mich.
„Ja, stimmt. Und deswegen werde ich mich jetzt auch gleich meine Ideen ordnen und schon mal anfangen mein neues Buch zu platten", sagte ich voller Enthusiasmus und gab Joshua einen Kuss, ehe ich mich mit meinem Laptop an meinen gemütlichen Schreibtisch setzte. Mit Musik auf den Ohren fing ich wie eine wilde an meine Gedanken zunächst auf Papier zu organisieren und dann stichpunktartig in meinem Schreibprogramm am Laptop zu notieren. Nach zwei Stunden kam Joshua zu mir und brachte mir lächelnd einen warmen Tee.
„Na, wie kommst du voran?", erkundigte er sich.
„Sehr viel besser als ich anfangs gedacht habe", antwortete ich.
„Dann will ich dich mal nicht weiter stören", meinte er und ließ mich wieder alleine.
Eine Weile blickte ich durch das Fenster nach draußen. Schließlich erinnerte ich mich aber selbst daran, dass ich die Kreativität nutzen und weitermachen sollte.

Nach weiteren zwei Stunden hatte ich die komplette Handlung geplottet und sogar schon die ersten Kapitel geplant. Ich hätte nicht gedacht, dass ich so gut voran kommen würde. Dieser Abend hatte für einen gewaltigen Motivationsschub gesorgt und bestärkte mich darin, dass es richtig war das Studium fürs Schreiben aufzugeben.
Durch die vermehrte Freizeit, den Erfolg meines ersten Buches und die Unterstützung von Joshua, schrieb ich mein zweites Buch innerhalb eines halben Jahres. Pünktlich zur Weihnachtszeit letztes Jahr hatte es verlegt und in den Handel kommen sollen. Doch dann wurde ich von der Person, von der ich es am wenigsten erwartet hatte, hintergangen. Genau dieses Manuskript wurde schon ein paar Tage zuvor beim Verlag von Jemand anders eingereicht. Einer meiner schlimmsten Alpträume war zur bitteren Realität geworden. Nach mehrfachen Bitten und Betteln erfuhr ich schließlich, dass der Autor noch ganz neu in der Branche war und das sein erstes Buch war. Leider konnte ich den Namen nicht in Erfahrung bringen, doch es dauerte nicht lange, bis ich diesen erfuhr.

Als ich geschockt und verzweifelt nach Hause kam, wartete Joshua dort schon auf mich. Auf seinen Lippen lag ein Lächeln. Aber es war nicht wie sonst liebevoll, sondern vielmehr wissend und arrogant. In meiner Verzweiflung bemerkte ich das jedoch nicht sofort.
„Du glaubst nicht, was passiert ist. Das ist das Schlimmste, was mir passieren konnte", fing ich an und versuchte schon die Tränen zurückzuhalten.
„Dein Manuskript liegt dem Verlag schon unter einem anderen Namen vor." Bei diesen Worten entglitten mir alle meine Gesichtszüge und ich starrte Joshua mit offenem Mund fassungslos an.

A Letter for ChristmasWo Geschichten leben. Entdecke jetzt