Türchen Nummer 12: Überraschung

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„Guten Morgen, Lizzy. Hast du gut geschlafen, Kindchen?", begrüßte Irma mich am nächsten Tag. Durch meine Lesenacht hatte ich heute ziemlich lange geschlafen.
„Danke der Nachfrage. Ich habe so gut wie lange nicht mehr geschlafen", antwortete ich.
„Schön, das freut mich. Was hast du heute so vor?", fragte sie.
„Ich wollte mir den Weihnachtsmarkt anschauen. Hier werde ich meinem Exfreund ja nicht begegnen können", erwiderte ich.
Einige Gäste betraten die Pension.
„Mach das. Ich wünsche dir einen schönen Tag. Ich muss hier weitermachen", sagte sie.
„Bis später", verabschiedete ich mich.

Auf dem Weg zum Weihnachtsmarkt wurde mir bewusst, dass sich meine Einstellung zur Weihnachtszeit schon jetzt geändert hatte. Dieser Ort hatte eine besondere Wirkung auf mich. Überall war es weihnachtlich dekoriert und es war fast unmöglich hier nicht in Weihnachtsstimmung zu kommen. Meine Gedanken schweiften wieder zu den Briefen. Ich hatte gesagt, dass man mir den Zauber dieser Zeit nicht wiedergeben könnte. Vielleicht hatte ich damit Unrecht gehabt. Vielleicht hätte ich dem Weihnachtself eine Chance geben sollen. Vielleicht...

Plötzlich stieß ich mit jemandem zusammen und wurde so aus meinen Gedanken gerissen.
„Hey, ist alles in Ordnung?", fragte eine männliche Stimme besorgt.
„Ja, alles in okay", antwortete ich und erkannte vor mir einen Jungen grünen Augen und braunen Haaren. Er schenkte mir ein charmantes Lächeln und sah mir direkt in die Augen. Ich bemerkte, wie ich plötzlich weiche Knie bekam. Was war hier denn los?
„Es tut mir leid. Ich war so in Gedanken, dass...", fing ich an mich zu entschuldigen.
„Nein, es war meine Schuld. Ich habe nicht darauf geachtet, wo ich hinlaufe", meinte der Junge. Ich war verwundert. Er entschuldigte sich bei mir? Das war in letzter Zeit nicht häufig vorgekommen, wenn ich an die anderen Zusammenstöße dachte...
„Ich würde dich gerne auf einen Glühwein als Entschuldigung einladen", sagte er und lächelte erneut.

Perplex starrte ich ihn an. Damit hatte ich gar nicht gerechnet.
„Ähm, okay. Von mir aus", erwiderte ich völlig verwirrt.
„Sehr gut. Dann komm mit. Dahinten gibt es einen Glühwein-Stand." Noch immer verwundert über sein Verhalten, folgte ich ihm.
„Ich bin übrigens Liam", stellte er sich vor.
„Lizzy", tat ich es ihm gleich.
„Freut mich, dich kennenzulernen, Lizzy."
„Ich freue mich ebenfalls", sagte ich und lächelte kurz schüchtern.

„Zwei Glühwein bitte", bestellte Liam, als wir beim Glühwein-Stand angekommen waren. Die Getränke wurden uns gereicht und wir stellten uns an einen der Stehtische.
„Was verschlägt dich nach Cullingfield?", fragte er.
„Ich brauche etwas Abstand von meinem Leben in der Stadt und muss mal zur Ruhe kommen", antwortete ich und war verwundert über mich selbst. Normalerweise hätte ich die Einladung zum Glühwein nicht angenommen, aber Liam hatte mich mit seiner offenen Art irgendwie dazu bekommen doch Ja zu sagen und schaffte es zudem noch, dass ich normal mit ihm redete. Seit Joshua war ich anderen männlichen Wesen gegenüber sehr vorsichtig. Aber Liam schaffte es irgendwie mich aus meiner Wohlfühlzone zu holen.

„Und du? Kommst du von hier?", fragte ich.
„Nein, ich bin nur für ein paar Tage hier, um Urlaub zu machen. Ähnlich wie bei dir", erwiderte er.
„Stimmt", lächelte ich und nippte an meinem Glühwein.
Wir unterhielten uns noch eine Weile, bis Liam schließlich meinte, dass er noch etwas vor hat.
„Es tut mir leid, aber ich muss noch weiter. Aber wollen wir morgen zusammen Schlittschuhlaufen gehen?" Fragend sah er mich mit seinen grünen Augen an.
„Gerne", antwortete ich lächelnd.
„Super. Dann morgen um 12 am See. Ich freue mich", meinte er.
„Ich mich auch. Bis morgen", verabschiedete ich mich von ihm. Er lächelte mir noch einmal zu ehe er sich auf den Weg machte.
Als er verschwunden war, schlug ich mir mit der flachen Hand gegen die Stirn. Was hatte ich mir nur dabei gedacht? Ich hasste Schlittschuhlaufen und war darin eine komplette Niete. Dieser Liam machte etwas mit mir, was ich nicht kannte. Doch ich wollte ihn unbedingt wiedersehen.

Gedankenverloren schlenderte ich noch etwas über den Weihnachtsmarkt und trat schließlich den Rückweg zur Pension an.
„Lizzy, komm mal her", sagte Irma aufgeregt, als ich in die Eingangshalle kam.
„Was ist denn los?", fragte ich. Die ältere Dame schien sich vor Aufregung kaum noch einzukriegen. Ich trat zu ihr an die Rezeption.
„Der hier lag in unserem Briefkasten", erzählte sie und holte einen weißen Briefumschlag zum Vorschein. Sie legte ihn direkt vor mir auf den Tresen. Dort stand in handschriftlichen Buchstaben: „An die Geheimnisvolle."

A Letter for ChristmasWo Geschichten leben. Entdecke jetzt