Türchen Nummer 9: Entscheidung

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Überrascht starrte ich den Brief in meinen Händen an. Eigentlich wollte ich ihn sofort öffnen, aber der Vorfall von gerade eben hielt mich davon ab. Was, wenn hier die nächste Enttäuschung auf mich warten würde? Ich beschloss den Brief erstmal mitzunehmen und zurück in meine Wohnung zu gehen. Die Situation mit Joshua und der Blondine beschäftigte mich die ganze Zeit. Dieses Mal hatte er mich gesehen und sogar noch arrogant angegrinst. Er wusste, dass ich ihm rein gar nichts nachweisen konnte. Ich fragte mich, wie ein Mensch so etwas einem anderen antun konnte.

Traurig schlug ich den Weg zurück zu meiner Wohnung ein. Währenddessen überlegte ich, ob ich den Brief öffnen sollte, aber die Neugierde überwog schlussendlich. Daher setzte ich mich Zuhause angekommen sofort in meinen Ohrensessel und riss den Umschlag auf. Ich zog das Papier heraus und las die geschriebenen Zeilen:

Liebe Geheimnisvolle,

Schade, dass du nicht gekommen bist, aber ich respektiere deine Entscheidung natürlich. Du meintest, dass wir uns noch nicht kennen. Dann lass uns über diese Briefe kennenlernen. Vielleicht fühlst du dich dann irgendwann besser mit einem Treffen.

Du hast gefragt, wie ich die Weihnachtszeit sehe. Ich kann dir da leider gar nicht zustimmen. Für mich hat diese Zeit des Jahres noch immer etwas Besonderes. Das ganze Jahr freue ich mich auf diese Zeit. Jedes Mal werde ich dann wieder zu einem Kind. Es tut mir leid, dass du diesen Zauber nicht mehr spürst. Weihnachten ist viel mehr, als Heuchelei und dem Vorspielen von falschen Gefühlen. Ich denke, die Menschen lassen sich in dieser Zeit von der Magie mitreißen und verhalten sich deswegen anders, als die restliche Zeit im Jahr. Im nächsten Jahr holt sie nur der Alltagsstress wieder ein, Weihnachten ist vorbei und sie verfallen wieder in ihr altes Verhalten. Das würde ich jedoch nicht als Vorspielen von falschen Gefühlen bezeichnen. Sie fühlen in dieser Zeit wirklich so, vergessen es dann jedoch wieder. Das hat auch nichts mit Heuchelei, sondern Menschlichkeit zu tun. Es wäre schön, das gesamte Jahr Weihnachten zu haben. Dann würde in unserer Gesellschaft vielleicht einiges anders laufen.
Vielleicht schaffe ich es mit der Zeit auch deine Meinung über Weihnachten zu ändern. Du weißt, wie sich der Zauber anfühlen kann. Diese Magie muss bei dir nur wieder erweckt werden. Da bin ich mir sicher.

Ich freue mich schon auf deinen Brief.

Dein Weihnachtself

Ich las die Zeilen noch ein zweites Mal. Dann stieg Wut in mir auf. Was wusste er schon von mir? Rein gar nichts. Er hatte es bestimmt nur gut gemeint, aber für mich war durch Joshuas Betrug der Zauber der Weihnacht verloren. Mit einem Mal hatte ich das Gefühl, dass mich niemand hier verstand und jeder gegen mich war. Joshua lief mir immer wieder über den Weg, meine Schreibblockade hatte mich noch immer fest im Griff und der Briefeschreiber wollte mir einen verlorenen Zauber zurück bringen, ohne zu wissen, warum ich ihn überhaupt verloren hatte.

Mir wurde das alles zu viel. Ich musste dringend hier raus und für ein paar Tage woanders hin. Fieberhaft dachte ich nach, wo ich hinfahren könnte. Leider fiel mir spontan nur ein Ort ein. Nachdem mir auch nach längerem Überlegen kein anderer einfiel, beschloss ich auf mein Bauchgefühl zu hören. Ich ging in mein Schlafzimmer und fing an einen kleinen Koffer zu packen. Währenddessen dachte ich nach, ob ich dem Weihnachtself noch eine Antwort schreiben sollte. Er schien nur gute Absichten zu haben und konnte nichts für meine Situation. Daher setzte ich mich wenig später an meinen Tisch und verfasste eine Antwort:

Lieber Weihnachtself,

Es ist schön, dass du versuchen möchtest, mir den Weihnachtszauber zurückzubringen. Aber man kann niemandem etwas zurück geben, wenn man nicht weiß, warum es überhaupt verloren gegangen ist. Vielleicht gibt es einen guten Grund dafür, der das Vorhaben unmöglich macht. Genau dieser Grund ist dafür verantwortlich, warum ich gerade nicht hier bleiben kann. Ich muss für ein paar Tage weg von hier. In meinem letzten Brief, habe ich dir von der Pension erzählt, wo ich immer früher vor Heiligabend mit meinen Eltern war. Dort werde ich einige Tage verbringen, was mir hoffentlich gut tun wird. Daher wird das hier mein letzter Brief an dich sein. Es tut mir leid.

Deine Geheimnisvolle

A Letter for ChristmasWo Geschichten leben. Entdecke jetzt