„Woher weißt du das?", fragte ich, obwohl ich die Antwort schon ahnte.
Arrogant sah er mich an.
„Komm schon, Lizzy. Wer wird das Manuskript dort wohl eingereicht haben?"
„Nein. Sag, dass das nicht wahr ist. Du hast nicht meine Geschichte als deine ausgegeben!" Heftig schüttelte ich den Kopf in der Hoffnung, dass es dann nicht wahr sein würde.
„Natürlich. Diese Geschichte hat so viel Potenzial und ist meine Chance groß rauszukommen. Sie ist sogar noch besser, als dein erstes Buch. Diese Gelegenheit konnte ich mir einfach nicht entgehen lassen", erwiderte er.
„Aber... warum?" Meine Stimme brach und die Enttäuschung überwältigte mich. Ich musste gegen die Tränen ankämpfen.
„Das habe ich dir doch gerade eben erklärt. Ich will Erfolg haben und groß rauskommen. Und du hast mir die Chance dazu gegeben", antwortete er.In diesem Moment wandelte sich meine Enttäuschung und Trauer in Wut.
„Damit kommst du nicht durch!", meinte ich.
„Ach ja? Und wie willst du mich daran hindern?", fragte er, verschränkte die Arme und sah mich herausfordernd an.
„Ich habe handschriftliche Notizen, gespeicherte Zwischenschritte und das fertige Manuskript auf meinem Laptop", schrie ich.
„Die Dateien, ach ja... weißt du, da ist etwas ganz Dummes passiert. Als ich vor einigen Tagen meine E-Mail über deinen Laptop abgerufen habe, bin ich aus Versehen auf den Löschen-Button gekommen. Und bezüglich deiner Notizen... du meinst bestimmt diese hier, oder?" Mit gespielter Unschuld und Unwissenheit sah er mich an.
Dann zog er aus seiner Hosentasche ein Feuerzeug heraus. Als ich die Flamme sah, erwachte ich aus meiner Schockstarre und wollte Joshua die Papiere aus der Hand reißen, aber es war zu spät. Die Flamme war bereits auf die rechte Ecke der Zettel gesprungen. Wie in Zeitlupe musste ich zusehen, wie die Flamme gierig die Papiere verschlang und ein schwarzes, verkohltes Nichts zurück ließ. Mit jeder Sekunde schwand meine Hoffnung mehr, bis sie komplett zerstört war.Kraftlos sank ich auf die Knie. Ich versuchte gegen die Tränen weiter anzukämpfen. Die Blöße wollte ich mir vor Joshua nicht geben. Aber ich versagte kläglich.
„Ich werde dann jetzt mal gehen. Alles Gute für die Zukunft und viel Erfolg weiterhin beim Schreiben", meinte Joshua und steckte das Feuerzeug wieder zurück in seine Tasche.
„Bevor er die Wohnung verließ, wandte er sich nochmal zu mir um.
„Nur um Missverständnissen vorzubeugen: Das zwischen uns ist vorbei. Mit uns ist es aus und vorbei." Mit diesen Worten betrat er den Hausflur und mit einem lauten Krachen fiel nicht nur die Tür ins Schloss, sondern zerbrach auch meine komplette Welt zusammen. Wie ein kleines Kind, saß ich schluchzend und weinend auf dem Boden und konnte mich gar nicht mehr beruhigen. Jetzt, wo er weg war, hielt ich meine Emotionen und Tränen nicht mehr zurück. Ich wälzte mich auf dem Boden hin und her, schlug mit der Faust gegen die Wand, um im nächsten Moment mich wieder zusammenzurollen und lautstark zu schluchzen.Ich weiß nicht, wie lange ich so da gelegen habe, aber irgendwann spürte ich zwei helfende Hände, die mir aufhalfen und mich ins Bett verfrachteten. Allys besorgte Stimme drang wie durch Watte langsam zu mir durch, aber ich konnte die Worte nicht verarbeiten. Nur den Klang der Stimme konnte ich meiner besten Freundin zuordnen. Bis heute bin ich ihr dankbar dafür, dass sie mich überraschen wollte, mich gefunden und mir ohne großartig Fragen zu stellen geholfen hat. In den darauffolgenden Tagen tat Ally alles Mögliche um mir zu helfen. Zusammen schauten wir Filme, löffelten Eis und versuchten zu beweisen, dass die Rechte an dem Buch mir gehörten. Doch jeder Anwalt machte uns keine großen Hoffnungen, da Joshua jeden Beweis dafür vernichtet hatte. Mit jedem vergangenen Tag wurde ich hoffnungsloser und mutloser.
Es hatte ein ganze Weile gedauert, bis ich wieder unter Menschen ging. Nach einem Jahr kam ich jetzt mittlerweile ganz gut klar damit, aber mit Joshuas Anblick kochten alle Erinnerungen und Gefühle wieder hoch. Mittlerweile war er ein gefeierter Autor - mit meiner geklauten Geschichte.
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A Letter for Christmas
Short StoryWeihnachten - die Zeit der Liebe, Freude und Magie. Nicht für Lizzy. Seit einem Vorfall letztes Jahr hasst sie diese Zeit. Für sie ist es die reinste Heuchelei und nichts weiter als Kommerz. Nach einem Besuch mit ihrer besten Freundin auf dem Weihna...