1. Donnerstag

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Warum kann dieser Penner seine unförmigen Gliedmaßen nicht einfach bei sich behalten? Sieht der nicht, dass ich neben ihm sitze? Passt die Tatsache, dass Bussitze weder besonders breit, noch besonders weit von einander entfernt sind, nicht in sein winziges Hirn? Warum müssen manche Menschen in Bussen immer so breitbeinig sitzen? Das ist peinlich, lächerlich und es macht mich höllisch aggressiv neben solchen ignoranten Spacken sitzen zu müssen. Dann trägt dieser Idiot auch noch ein enges, weißes Shirt, welches seine Plauze nur zu perfekt betont. Von den ekligen, blonden Haaren will ich gar nicht erst anfangen.

Ich mache mich etwas breiter und räuspere mich. Keine Reaktion.

Liegt wohl an den undichten Kopfhörerchen, aus denen abstoßend schlechte Rapmusik tönt.
Plötzlich lüftet der Typ ganz unverfroren eine Arschbacke, die auf meiner Seite, und furzt.
Atmet einmal tief durch und schürzt die Lippen. Vor Ekel und Wut verziehe ich das Gesicht, daraufhin guckt mich eine der Halbtoten im Gang blöd an.

„Lass mich raus.", sage ich tonlos. Das Arschloch dreht den Kopf und sieht mich mit vor Ignoranz und Blödheit tränenden Augen an.
„Ich möchte aufstehen.", wiederhole ich laut und deutlich, nicht mehr in der Lage die Genervtheit länger zurück zu halten.
„Sach datt doch." Er steht auf und stellt sich mitten in den Gang, den Blick kontinuierlich auf sein Handy gerichtet. Kochend dränge ich mich an ihm vorbei und bohre meinen Ellenbogen dabei in sein absurd weiches, nachgiebiges Fleisch. „Haste nen Problem?"

Ich drehe mich nicht einmal um, steige einfach aus. Dieser Tag war ab dem Moment gelaufen an dem ich aufgestanden... nein, aufgewacht bin. Ich hatte nicht mal Kopfhörer mit, um mich abzulenken.

Zuhause angekommen schließe ich die Tür zum Treppenhaus auf, dann die zu unserer Wohnung und schmeiße meine Sachen dort in den Flur.
„Du sollst essen, Hausaufgaben machen und mich in Ruhe lassen." Zähneknirschend trample ich an Linas Zimmer vorbei und knalle die Tür zu meinem Eigenen hinter mir zu. Gerade als ich mich auf mein Bett habe fallen lassen schallt es: „Hallo, Viki, hast du nicht gehört? Du sollst essen! Und knall die Türen nicht zu, davon gehen sie kaputt."
Mein nur zwei Jahre älteres Großmaul von Schwester hält sich wieder für besonders toll.
Das Drama im Bus hat mir den Appetit verdorben, und ich tue sowieso aus Prinzip nicht das, was sie will.
Ich bin sechzehn, ich weiß, und das ist kindisch, das weiß ich auch, aber es ist mir scheiß egal. Ich schnappe mir mein Handy und in dem Moment, in dem ich es anmache, sinkt meine Laune noch weiter. Lukas, mein „Freund", hat gefragt, ob er nicht vorbei kommen könne, damit wir die Englischhausaufgaben zusammen erledigen und danach direkt etwas für die nächste Deutscharbeit lernen könnten, schließlich sei diese schon in einer Woche. Es ist schwierig zu beschreiben was für eine Sorte Mensch so etwas auch nur denkt. Ganz zu schweigen davon... ach, ist ja müßig drüber nachzudenken.
Ich antworte mit einem knappen +Ja+ und frage mich im nächsten Moment, warum ich mir das freiwillig antue. Doch Lukas hat die Antwort schon gelesen und schickt ein glücklich lächelndes Emoji. Stöhnend schmeiße ich das Telefon auf die andere Seite des Zimmers.

Das Geräusch mit dem es auf dem Boden aufkommt ist gleichermaßen befriedigend und erschreckend. Langsam richte ich mich auf und angle das Ding vom Boden hoch.
Nee, alles gut, ist noch ganz.

Ich sammle aus Langeweile alle Schulsachen zusammen und stopfe sie unter mein Bett. Lukas wird sicher einen Herzinfarkt bekommen, wenn er sieht, dass ich weder vorbereitet bin noch die Sachen überhaupt griffbereit habe. Außerdem bekommt er Panik, wenn ich mich in seiner Anwesenheit auch nur in die Nähe eines Bettes bewege. Na, ist ja nicht mein Problem.

Einmal mehr frage ich mich, wie ich so tief sinken konnte. Keine Freunde, eine nervtötende Schwester, ein absolut uninteressantes Leben und einen „Freund", der an mir hängt wie ein Zentnergewicht, und den ich nicht wegstoßen kann, weil mein Gewissen dann streikt.

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