Ein paar Minuten lang sitze ich regungslos da. Ich bin so weit weg, losgelöst, von dem gewaltigen, undurchdringlichen Vorhang der Verleugnung, den mein Hirn zum Selbstschutz über die kürzlich geschehenen Ereignisse gehängt hat.
Dann beginne ich mich im Auto umzusehen. Das Handschuhfach ist nicht ganz zu.
Ich drücke dagegen. Doch es tut das Gegenteil von dem, was ich wollte und springt auf. Ein Haufen CDs kommt mir mit so viel Schwung entgegen, dass manche bis auf meinen Schoß katapultiert werden. Ganz oben liegt „Ultra" von Depeche Mode.
Ich hebe sie sachte mit den Fingerspitzen auf. Darunter befindet sich „Some great Reward" von derselben Gruppe.
Ich lege erstere auf die Mittelkonsole, da ich das Cover ansprechender finde, und stopfe den Rest wieder ins Handschuhfach. Ob die Lieder auf diesem Album genauso schön und mitreißend sind wie „What's-her-face"? Ich klappe die schon ziemlich verkratzte Hülle auf und angle die CD heraus, möglichst ohne Fingerabdrücke auf der Lauffläche zu hinterlassen.
Dann schiebe ich sie vorsichtig in das CD-Laufwerk. Vom ersten Lied bekomme ich überhaupt nichts mit, und erst nach guten fünf Minuten wird mir klar, dass die Lautstärke auf Minimum stand. Emotionslos drehe ich am Lautstärkeregler,Ein Stampfen und Klopfen ertönt, begleitet von seltsamem, Kosmischem Rauschen. Dann setzt die Melodie, gespielt von einem Keyboard, ein. Zuletzt kommt die Stimme. Unglaublich klar, im Fokus stehend und alle Aufmerksamkeit zunächst auf sich ziehend. Doch sie ist auch kühl und wie von etwas bedeckt, das alles von ihr abperlen lässt. Unnahbar, trotz des leichten, zwischen Sehnsucht und resignierter Langeweile schwankenden Untertons. Der Text gefällt mir. Er handelt von der Liebe, doch in einer anderen Richtung als es in den Liedern der Fall ist, die im Radio laufen. Es geht um die Nachteile und Tücken, die sie mit sich bringt und darum, dass doch niemand eine Chance gegen sie hat. Gemeinsam mit der Art der Vortragsweise, jede Zeile hat die beinahe gleiche Betonung, wirkt es ergeben. Als hätte das Lyrische-Ich sich mit den aufgezählten Dilemmas abgefunden. Ihm bleibt schließlich auch keine Wahl.
Die Zeit vergeht erst, ohne dass ich viel davon merke. Doch dann klärt sich der Nebel um meinen derzeitigen Standpunkt, sowohl in meinem Innern wie auch, was die Umgebung und bevorstehende Ereignisse angeht, langsam. Vereinzelte Gedanken tauchen aus dem Sirup auf, der sich am Boden meines Geistes gesammelt hat.
Ich recke den Hals in der Hoffnung einen der drei im Geschäft zu finden. Keine Chance.
Jarry hat sich einen absurd weit vom Geschäft entfernt liegenden Parkplatz ausgesucht. Das dritte Lied hat soeben, erneut mit einem Stampfen und seltsamen Geräuschen im Hintergrund, angefangen, da treten sie ganz plötzlich aus dem Licht hinter den Schiebetüren. Meine Mundwinkel zucken, es ist ein komischer Effekt.
Als sie das Auto, beladen mit in Plastik geschweißten Wasserflaschen und ebenfalls in Plastik vakuumierten, Bratwürstchen und einem Einkaufswagen, zur Hälfte gefüllt mir Konservendosen, erreichen, ist grade der erste Satz des Textes, getragen von einer, starken Tonlagenschwankungen unterworfenen, Melodie, gesungen worden.Ich höre ihre Stimmen gedämpft durch die Autotüren und wenig später ganz deutlich, als, wie ich im Rückspiegel sehe, Thomas den Kofferraum aufreißt.
„Nein, das werde wi...", er verstummt mitten im Satz und starrt, wenn ich raten müsste, das Radio an, „wir werden nicht verhungern." Seine Stimme hat im zweiten Teil des Satzes ihr Lachen und jede Betonung verloren, klingt unterkühlt und ist leiser.
Ich stecke noch zu tief in dem Sirup, um schnell eine Antwort auf die Frage nach dem Warum zu finden.
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Mysterie
Mystery / ThrillerStelle dir vor, dein Leben kotzt dich an. Nicht dieses pseudo Ding, das jeder während der Pubertät mal hat. Sondern so richtig. Stahl harter Verdruss und ein tiefwurzelnder Hass auf alles um dich herum. Und dann ändert sich etwas. Die Veränderung b...