8. Donnerstag (2)

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Der Klang seiner Stimme bringt die Erinnerung an den Morgen des gestrigen Tages zurück. Dabei ist sie jetzt so viel fester, gefasster. Sie gefällt mir.

Ich senke den Kopf, mir auf die Zunge beißend, um nicht laut zu fluchen. Schon wieder lässt Jarry mich das Wesentliche aus den Augen verlieren und treibt mich dabei in Gefilde, in denen ich nichts verloren habe.
Tief durchatmen, wir sind alle nur Menschen.
Sind wir nicht. Fuck.
Anderes Thema!

Ich muss beichten. Wo fange ich überhaupt an? Am besten chronologisch, angefangen am vorgestrigen Morgen.
„Also, am... Dienstag -als wir hier her gefahren sind- sind Thomas und ich noch zu ihm nach Hause gegangen, nachdem ich aus dem Unterricht geworfen wurde..."

In kurzen, grässlichen Sätzen gebe ich die Geschehnisse wieder. Ich lasse nichts aus und verharmlose nichts, aber ich schmücke auch nichts aus und verzichte vor allem darauf, irgendein Gefühl in meine Worte oder Stimme zu legen. Nur Fakten, so detailliert wie nötig und ohne meine Meinung oder andere Aspekte, die Emotionen auslösen könnten. Wäre es eine Klausur, in der ich einen Bericht schreiben soll wäre meine Lehrerin stolz auf mich.

„Oh, und als Thomas so wütend wurde, als er die Musik in deinem Auto gehört hat. Erinnerst du dich, dass ich dir das noch erklären wollte?", ohne auf seine Antwort zu warten, rede ich weiter, „Ich glaube, dass ihn diese Musik an jemanden erinnert hat, der ihm sehr viel bedeutet. Keine Ahnung, was jetzt mit diesem Menschen ist, vermutlich ist er tot. Auf diesen Verlust habe ich auch heute Morgen angespielt, um...", verdammt, ich kann nicht sagen: um dich zu rächen. Das wäre zwar die Wahrheit, aber nachher macht er sich selbst für Thomas Ausrasten verantwortlich.
Wobei... ich weiß nicht, ob so etwas Jarrys Art ist.
Andere Möglichkeit wäre, dass ich dastünde wie das ätzendste, arroganteste Arschloch! Was wahr wäre...

„Um ihn zu verletzten.", auch nicht gelogen...
„Inzwischen haben Thomas und ich den Deal, dass ich nicht mehr über diesen Typen rede, er dich in Ruhe lässt und wir versuchen, ein wenig zusammen zu arbeiten. Also, diese beiden Sachen sind die Voraussetzung für eine Zusammenarbeit. Aber dazu später noch etwas." Den Teil, der verrät, dass ich ihn schützen möchte, nuschle ich möglichst schnell am Rande dahin.

Danach wird es leichter zu erzählen, einmal, weil ich mich besser erinnern kann und, und das ist ein weit mächtigeres Argument, weil ich mich einzig auf die Erzählung konzentrieren kann. Jarry hat mich nicht einmal unterbrochen oder eine Reaktion auf die doch reichlich absurden und schockierenden Dinge gezeigt, von denen ich berichte. Das schafft Vertrauen, wodurch ich mich entspannen und aufhören kann, mir im Hintergrund Sorgen über die möglichen Auswirkungen meines Verhaltens auf Jarrys Sicht auf mich zu machen.

„... Jedenfalls hatte ich dann eine Idee, wie man Thomas wieder aus dem Automaten herausbekommt." Ich stocke.
Jetzt käme der Part, an dem ich beinah meinen Vorsatz in den Wind geschossen und dem Hochgefühl, das Thomas Anblick mir bescherte, nachgab. Alles in allem etwas, weswegen ich mich nun so sehr verabscheue, dass mich das Verlangen, aufzuspringen und meinen Kopf an der nächstbesten Wand einzuschlagen, um ein Haar überwältigt.
Ein weiteres Wort darüber und dieser bröckelnde Wall fiele gänzlich in sich zusammen.

Vielleicht wäre jetzt die Zeit, diesen Trick bis Zehn zu zählen, um sich zu beruhigen, einmal auszuprobieren.
Ablenken würde es mich definitiv und das ist bitter nötig, denn nur, weil ich nicht weiter spreche, lassen die Sätze, die ich nutzen könnte, um meine Krankheit zu beschreiben, es sich nicht nehmen, Staffeln in meinem Kopf zu laufen. Mit jeder Bahn sind sie ausgefeilter, treffen den Nagel besser auf den Kopf und rammen ihn so mit ansteigender Effizienz immer tiefer in mein Bewusstsein.
Es hat seine Flucht vor der Wahrheit längst aufgegeben, versucht nur noch den Blutverlust zu verringern, den der Nagel, der es auf den Boden der Tatsachen pinnt, verursacht.

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