3. Samstag

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Ich habe vergessen meinen drecksverdammten Wecker auszustellen. Ich reiße die Klappe vor den Batterien voller Aggression ab und fange gegen meinen Willen an zu heulen, als ich mir einen Fingernagel beim anschließenden herauspulen der Batterien so tief einreiße, dass es blutet und weh tut wie Hölle. „Warum muss jeder Tag in meinem Leben anfangen wie der eines verdickten Haufens Scheiße?" wimmere ich und lecke angewidert das Blut von meiner Hand. Ganz vergessen wie ekelig das schmeckt. Ich greife mir mein Handy und sehe in die Mails. Um 02:32. Betreff: 13

+ Ich habe genug. Ich komme dich jetzt holen.
Das Medium +

Alles klar.
Nee, ohne scheiß, mein Tag ist eh gelaufen.

Aber warum warst du noch so lange wach? Oder hast du dir nen Wecker gestellt, nur, um um diese Uhrzeit eine Mail zu schreiben? Ich lache. Was eine dumme Vorstellung. Ich drücke auf „neue E-Mail" und kopiere die kryptische Adresse in das entsprechende Feld.
Betreff: Leck mich.

+ Ach was, mach dir keinen Stress. So in vier Stunden unter meiner Feuertreppe?

Was ist der Natürliche Feind eines Mediums? Mal eben Googlen. Mh, nichts was mich weiterbringt. Ich unterschreibe am besten mit:

Die böse Dämonin von der anderen Seite +

Ich muss selbst darüber lachen. Noch ehe ich weiter nachdenken, bzw. anfangen kann nachzudenken, drücke ich auf absenden.

„Gott verdammte Scheiße. Mails kann man nicht löschen." Einige Sekunden lang lasse ich meine Dummheit auf mich wirken. Dann brumme ich: „Jetzt kann ich vor meinem Tod nicht mal mehr ausschlafen. Ich hätte sechs Stunden schreiben sollen. Hilft ja nichts."

Und dann kommt die Nervosität. Da mir so etwas immer auf den Magen schlägt, wird mir auch direkt noch schlecht. Und ich weiß das es mir nicht besser gehen wird, bevor ich den Grund für die Nervosität hinter mich gebracht habe. Heißt, ich muss das jetzt noch vier Stunden lang ertragen. Ich schleppe mich in die Küche und stelle fest das Ma neues Müsli gekauft hat.
„Wenigstens etwas.", seufze ich und kippe mir etwas in eine Schüssel. Ich muss mich jede Sekunde übergeben, warum mache ich mir was zu essen? Na, dann lohnt sich das Kotzen wenigstens. An meinem Humor merke ich, dass ich einer Panikattacke wieder gefährlich nah komme. Also atme ich tief durch und zwinge mein Gehirn an die Arbeit.

Es ist direkt neben meinem Haus. Ich kann meine Tür auflassen und schreien, wenn etwas schlimmes passiert. Dann hören meine Eltern mich, sie sind schließlich zu Hause.

Falls. Falls etwas schlimmes passiert. Immer positiv bleiben.

Ich schleiche zurück in mein Zimmer und hocke mich aufs Bett. Mein Herz schlägt so stark, dass ich es ununterbrochen spüre, und so schnell, dass ich Angst bekomme, es würde sich verhaspeln und ich dann tot umfallen. Ruhiges Atmen bringt einen Dreck. Als ich fertig mit essen bin, traue ich mich nochmal in mein Mail Fach zu sehen. Betreff: Ich bin mir nicht sicher, ob ich das möchte.

Oha. Immerhin werde ich von jemandem mit Humor umgebracht. Na! POSITIV bleiben.

+ Ganz wie du willst. Ich hätte nicht gedacht, dass du Frühaufsteherin bist.
Medium +

Mir klappt die Kinnlade hinunter. Langsam werde ich wirklich sehr neugierig auf diese Leute. Fast so neugierig, dass es meine Angst in den Hintergrund schiebt. Fast.

Dann sehe ich animiert auf meinen Finger. Er sieht widerlich aus. Ich mag meine Hände sehr, sie sind schlank, mit langen Fingern und hübschen Nagelbetten. Dieser Nagel macht es eindeutig kaputt. Jaja, ich versuche mich nur krampfhaft abzulenken. Gleichzeitig will ich nicht, dass ich anfange, dieses Treffen in dem Licht zu sehen, in dem ich anfange die Person, die mir die Mails schreibt zu sehen. Ich fühle mich ihr seltsam nah. Ja, das ist Blödsinn. Ich habe nicht die geringste Ahnung wer das ist. Ob es überhaupt nur eine Person ist. Ob der Charakter, den diese wenigen Sätze beschreiben, auch nur im Ansatz so ist wie der, der Person, die ich gleich treffen werde. Die Wahrscheinlichkeit ist auf Grund ihrer Absonderlichkeit wohl recht gering. Ich stehe auf und gehe ins Bad. Als ich mir die Hände wasche fällt mir auf, dass ich noch immer mein Nachthemd trage. Das geht nicht, ich will einen würdevollen Abgang. Nein, nach Möglichkeit will ich gar keinen Abgang. Okay, Positivität ist mir zu anstrengend, ich gebe sie auf.

MysterieWo Geschichten leben. Entdecke jetzt