(Kleiner Einschub.
Ab jetzt bin ich gezwungen die Tage in mehere Kapitel zu teilen, es würde sonst ewig dauern bis ich wieder einen Tag fertig hätte und ihn hochladen kann. Außerdem ist es sicher lästig, dauernd die richtige Stelle wiederzufinden, da wohl kaum jemand alles in einem durch ließt.
Die Struktur damit kaputt zu machen ist ungeschickt, aber ich habe zu spät darüber nachgedacht, daher muss das jetzt sein.
Mir ist auch aufgefallen, dass einige Kapitel öfter angeklickt wurden als andere, auch wenn sie hinter denen liegen, die zeitlich weiter vor spielen.
Sieh ggf. nochmal nach, wenn etwas keinen Sinn macht, das könnte der Grund dafür sein.)Autsch, mein Finger tut immer noch weh. Ich taste nach dem Schalter, um die Schreibtischlampe anzuknipsen. Das Nagelbett hat sich leicht entzündet. Es sieht immer noch ekelhaft aus.
Lange nicht so ekelhaft wie Matts Hand. Ich verziehe das Gesicht.Erinnere mich nicht daran.
Ich stehe sofort auf und krame in einem Schrank nach einem meiner alten Zeugnisse. Danach schreibe ich das Formular für eine Entschuldigung ab und wähle einen strahlend weißen, hellen Telefonhintergrund aus. Durch das Licht ist es ein Leichtes, die Unterschrift abzupausen. Ich mache das peinlich routiniert. Dann wasche ich mich, ziehe mich an und frühstücke. Meine Eltern und Lina sind schon weg, daher verlasse ich das Haus mit nicht allzu schlechter Laune.
Auf dem Weg zum Bus tippe ich die Textzeile, die ich gestern verstanden hatte, in meine Musik App. Der erste Vorschlag ist „What's-her-face" von ‚Christine and the Queens'. Schulterzuckend tippe ich auf abspielen.
Schon in der ersten Sekunde weiß ich, dass das das richtige Lied ist. Ich drifte ab und steige in den Bus, der doch tatsächlich pünktlich kommt. Auf dem Weg zu meinem Platz nehme ich am Rande wahr, dass jemand auf dem Vierersitz hinter meinem Sitz sitzt, der dort sonst nicht sitzt.
Etwas klingelt in meinem Hirn. Ich sehe nochmal hin.
Was macht Thomas hier? Ich runzle die Stirn und streife widerwillig die Kopfhörer ab. Verdammt, jetzt muss ich auf dem niedrigeren Sitzt sitzen! Okay, bisschen lächerlich, weiß ich.
„Was machst du hier?"
Er rollt mit den Augen und zupft sich, als wäre es eine unmöglich zu verantwortende Sache, die uralt-Stöpsel mit Kabel aus den Ohren.
„Hab ich mir auch nicht ausgesucht. Ich soll dafür sorgen, das du rechtzeitig aus der Schule rauskommst." Innerhalb von Sekunden, und zwar nur Sekunden, weil es noch so früh ist, bin ich auf Hundertachtzig. Diese beschissenen Dreckssäcke trauen mir nicht mal zu, dass ich mich allein von der Schule abmelden kann!? Thomas bemerkt meine Stimmungsschwankung und meint, noch ehe ich den Mund aufreißen kann und Nervenzerreibend langsam: „Glaubst ich finde es gut so früh aufstehen zu müssen? Ich bin eigentlich schon durch, mit der Schule." Ich verziehe das Gesicht.
„Wäwäwäwäwä, ich bin eigentlich schon durch mit der Schule. Aw, das tut mir so leid, dass du deinen Arsch trotzdem mal um sieben Uhr, ich muss sonst um sechs aufstehen, aus dem Bett schwingen musstest. Pff, was für schwingen, höchstens Pflücken."
Ich muss mich schwer zusammenreißen, um nicht über meinen eigenen schlechten Witz zu lachen.
Thomas Mundwinkel zucken tatsächlich ein bisschen. Dann leckt er sich kurz über die Lippen. Nickt in meine Richtung.
„Was hörst du?" erstaunt über die, halbwegs freundliche und ausnahmsweise mal nicht garstig gemeinte, Frage ziehe ich die Brauen hoch.
„Ist schwer zu benennen, setzt mal auf." Als er sich vorbeugt, um die Hörer entgegenzunehmen, fällt mir etwas komisches an seinen Harren auf. Zusätzlich dazu das sie nicht mit Gel, oder was auch immer, zugespachtelt in alle Richtungen abstehen, wirken sie mehr bläulich/lila als schwarz. „Färbst du dir die Haare allen Ernstes schwarz? Was bist du denn nun, Punk oder Grufftie?" Er verzieht die Lippen zu einem nahezu perfektem, um neunzig Grad gedrehtem, abnehmendem Halbmond (Schmollmund?).
„Ich habe rote Haare."Damit hätte ich nicht gerechnet.
„Lange, rote Harren können echt gut aussehen, lass das mal rauswaschen. Rot passt außerdem zu deinen schwarzen Klamotten." Er zuckt mit den Schultern und setzt die Kopfhörer auf.
Danke für das Gespräch.
Mh, was soll ich anmachen? Was ruhiges? Nee, vielleicht ist Thomas erträglicher, wenn er wach ist. Nach einigem hin und Scrollen entscheide ich mich für „top of the world" von Papa Roach. Er verzieht sofort das Gesicht. „Nicht so einen Rap Müll." Ich schnaube.
„Das ist kein Müll." Dann eben was anderes...
„panopticon" von silent planet. Zufrieden sehe ich zu wie Thomas sich etwas erschreckt. Nach einer Minute wirkt er schon um einiges wacher. Zuckt dann mit den Schultern. „Damit kann ich nichts anfangen. Hat aber was, wenn man so richtig angepisst ist." Insgeheim stimmt ich ihm zu, ständig höre ich das auch nicht.
„Bist du doch ständig." Er lächelt, aber es sieht biestig aus.
Also gut, dann vielleicht etwas von Soundgarden? Das ist zwar nicht so meins, aber es würde irgendwie zu ihm passen. Sein Gesicht hellt sich auf.
„Aha, also doch noch jemand der das kennt." Ich zucke mit den Schultern.
„Die. Offensichtlich. Aber ich höre es nicht sehr oft. Die Lieder neigen immer dazu, ewig zu laufen." Er nickt.
„Und das hier?" „prism and gate" von scar symmetry.
„Ja, das hat was. Schöne Mischung, diese Musik mit der Stimme." Ich lächle. Genau das denke ich auch. „Was hörst du denn?" Er angelt ein Telefon aus der Jackentasche und tippt darauf herum, ehe er es mir reicht. Ich scrolle durch die Mediathek.
„Ach du Scheiße. Das ist ja Rock aus den tiefsten Achtzigern. Hardcore, wer sich das anhört.", ich bemerke zu spät, wie grob meine Worte klingen und versuche es mit einem schiefen Grinsen in die Richtung zu lenken, die ich eigentlich beabsichtigt hatte.
Seine Mundwinkel zucken wieder leicht nach oben, aber erneut lässt es sein Gesicht nicht freundlich, schön oder gar belustigt wirken.
Ich versuche zu verstehen, woran das liegt.
Die Augenbrauen sind ziemlich dicht und kräftig. Das Licht im Bus ist eh schon beschissen, aber durch die Brauen liegen seine Augen noch mehr im Schatten. Die gebogene Nase führt auch nicht grade dazu, dass er sympathisch aussieht. Na, dann muss ich wohl speziell für Thomas' Gesicht meine Wahrnehmung was Mimik angeht verfeinern.
„Ja, aber alles andere wäre langweilig." Oh ja.
„Stimmt, es gibt nichts schlimmeres als diesen Hirnbefreiten Bullshit, als hätte Kuh Scheiße je ein Hirn gehabt, der im Radio hoch und runter dudelt."
Er grinst noch etwas breiter. „Du Dödel dö? Du Dödel du. Du Dödel die!" Ich pruste los. „Haha, ja! Als ob du das kennst!" Ich hätte nicht gedacht mal jemandem in ungefähr meinem Alter über den Weg zu laufen, der mehr als den Namen Loriot kennt.
Mein Blick streift durch Zufall Thomas' Handgelenk.
Der Ärmel ist etwas hochgerutscht, daher sehe ich einen Teil des Symbols, der in Wasser getropften Tinte, welches ihm bei dem ersten Ritual zugeordnet wurde.
Eine Frage steht noch im selben Moment brennend hinter meinen Augen.
Kann Thomas auch durch das Berühren des Symbols mit verschiedenen Fingern Isas Gefühle... beeinflussen? Beeinflussen ist nicht ganz das richtige Wort, Kontrolliren trifft es aber auch nicht ganz.
Ich drehe mich um.
Der Bus ist relativ voll. Aber es sind nur noch zwei Haltestellen, ehe wir sowieso aussteigen müssen.
„Fährst du dann gleich direkt wieder nach Hause?" Er holt kurz Luft und denkt nach. „Nein, ich glaube ich bleibe noch ein bisschen und warte auf dich. Vielleicht versuche ich auch Zigaretten von ein paar Siebtklässlern abzuziehen. Ist sowieso besser für sie." Ich ziehe nur die Brauen hoch und verstecke damit mein Erstaunen und die Verwirrung darüber, dass er warten möchte.
„Dann mach das aber bitte gleich, wenn wir ankommen. Ich will den Mist nachher nicht riechen müssen." Wieder dieses komische Grinsen. Ich glaube die Biestigkeit kommt auch etwas daher, dass er den Kopf senkt. Erinnert mich ein wenig an Paniweis. Aber menschlicher. Verdammt, ist nicht einfach.„Lass dir aber nicht zu viel Zeit.", meint er, während ich aussteige. „Warum?"
„Ich möchte noch über Mystik sprechen."
Ich nicke. Hervorragend, wenn auch etwas gruselig. Ich mag es nicht so, wenn Leute das aussprechen, was ich grade gedacht habe. Besonders, wenn ich die Leute kaum kenne.
Weil der Bus im Schneckentempo gefahren ist, bin ich spät dran.
Als wenn ich jetzt rennen würde. Ganz entspannt schlurfe ich zum Raum. Klopfe an. Öffne die Tür.„Ach, beglückt uns das Fräulein auch noch mit seiner Anwesenheit?" Warum ist die Anwesenheit eines Fräuleins männlich? Diese Sprache ist so dumm.
Ich schnappe wie aus dem Nichts ein paar Mal röchelnd nach Luft. „Sehen Sie denn nicht wie außer Atem ich bin?", theatralisch greife ich mir an den Hals, „Der Bus fuhr so schrecklich langsam, daher komme ich," asthmatisches um Luft Ringen, „zwei Minuten zu spät. Es tut mir körperlich weh, Ihnen wegen so etwas, wegen meines verspäteten Ankommens, was ganz allein von meinem Versagen kommt, weil ich es nicht als nötig empfunden habe, meine Wahrsagerin heute Morgen danach zu fragen," joa, einmal geht noch, „ob der Bus wohl schnell oder langsam fahren wird. Ach was rede ich, statt die Wahrsagerin mit meiner Person zu belästigen, hätte ich lieber gleich eine Stunde früher aufstehen sollen!"
Jetzt hab ich den Faden verloren. Egal.
Ich raufe mir die Haare und lasse mich auf die Knie fallen. Nachdem ich mich vorgebeugt und die Stirn unterwürfig auf den Boden gedrückt habe bricht noch ein herzzerreißendes „Es tut mir so schrecklich leid!" aus mir heraus.
Mindestens ein Dreiviertel der Schüler lacht.„Raus hier, ich will dich heute nicht mehr in diesem Gebäude sehen!" Ich stehe auf und verneige mich, einen Arm hinterm Rücken, mit der Hand des Andren eine austeilende Bewegung machend, in Richtung der Schüler. Dann drehe ich mich zu Tür und winke über die Schulter. „Viel Spaß noch!"
Ich sehe auf die Uhr. Wow, ich war ganze vier Minuten im Gebäude, davon vielleicht zwei im Klassenraum, bevor ich hinausgeworfen wurde. Das ist Rekord. Klar, ich hätte auch direkt „Schönen guten Morgen ihr Wichser!" in den Raum schreien können, dass wäre schneller gegangen, aber dann hätte ich nicht meine Schauspielfähigkeiten trainieren können und außerdem hätte das nicht so gut auf das aufgebaut, was Frau Kiesel gesagt hat.
Bin schon ziemlich stolz auf mich, geb ich ja zu.Auf dem Weg nach draußen gehe ich noch aufs Klo. Verdammt, selbst die alten Römer hatten Klobrillenheizungen, aber wir im einundzwanzigsten Jahrhundert nicht? Was ein Mist.
Mich überfällt ein ganz seltsames Gefühl als ich die Treppe von Schulgelände hinunter gehe und dabei Thomas, wartend, auf der kleinen Mauer vor dem Park gegenüber der Schule sitzen sehe. Der Tag ist einfach geil. Und noch gibt es keine Anzeichen dafür das sich das bald ändern würde. Ich kann gleich endlich mit jemandem über die Mystik reden der ähnlich tickt wie ich, heißt nicht gleich mit moralapostelischen Ansprachen anfängt, ich habe eine schöne Show in der Schule abgezogen und in... etwas weniger als vier Stunden erhalte ich Antworten darauf was Jarry mit ‚einen Ausflug machen' meinte.
DU LIEST GERADE
Mysterie
Misterio / SuspensoStelle dir vor, dein Leben kotzt dich an. Nicht dieses pseudo Ding, das jeder während der Pubertät mal hat. Sondern so richtig. Stahl harter Verdruss und ein tiefwurzelnder Hass auf alles um dich herum. Und dann ändert sich etwas. Die Veränderung b...