7. Mittwoch (4)

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(Tag)

„Viki? Hey, wach auf. Du musst mir helfen. Viki?!"
Brummend rolle ich mich auf die Seite.
Mpf, was ist da? Irgendein Huggel. Ein warmer Huggel...
„Hey, was macht du denn! Wach auf!"

Ein Ruck an meiner Schulter und ich bin schlagartig wach.
Irritiert blinzle ich in das Gesicht einer jungen Frau. Hellblaue Augen, ein markantes Gesicht, umrahmt von widerspenstigen, blonden Haaren. Wo bin ich... ?
Ein Blick zu meiner Rechten und alles fällt mir ein. Der warme Huggel war wohl Thomas, der ohne einen Mucks von sich zu geben neben mir liegt. Gott sei Dank ist er nicht wach geworden.

Tuna packt meine Schulter, um meine Aufmerksamkeit wieder auf sich zu lenken. Das geht alles ein bisschen zu schnell, ich bin doch gerade erst wach geworden...
„Jarry geht es nicht gut, und ich komme nicht zu ihm durch. Vielleicht gelingt es dir zumindest herauszubekommen, was sein Problem ist. Ich wecke in der Zeit die Anderen und mache Frühstück, ja?"
Ich nicke nur, so viel kann ich nach dem Aufwachen gar nicht aufnehmen.
Im nächsten Moment ist sie auch schon durch die noch immer etwas offenstehende Tür nach draußen verschwunden.
Ich starre eine Zeit lang einfach auf die Tür.
Licht fällt durch den Spalt herein, durch die drei Fenster, je eines an jeder der anderen Wände, ebenfalls.
Staubkörnchen tanzen in den Strahlen. Eine Krähe schreit irgendwo rechts von mir.
Ich hebe den Blick zum linken Fenster. Der Himmel ist blau, die Sonne scheint.
Doch als zunächst das Rauschen des Winden in den Baumkronen zu hören ist und wenig später ein eisiger Wind durch die Hütte fährt fällt mir wieder ein, dass mir eigentlich verdammt kalt ist.
Ich raffe meinen Schlafsack zusammen und ziehe ihn fest um meine Schultern.
Dann wappne ich mich, ehe ich den Blick auf Jarry richte.

Er liegt in Paketstellung da, in einer Ecke. Den Kopf hat er mit den Unterarmen bedeckt und seine Wirbelsäule drückt sich unnatürlich stark durch den Leinenstoff seines Hemdes. Stoffjacke und Weste muss er irgendwann die Nacht ausgezogen haben.
Warum nur? Es ist so verflucht kalt! Dazu liegt er auch noch in einem der schattigen Flecke im Häuschen.

Als ich zu ihm hinüber krabbele, noch völlig planlos was ich tun könnte, um ihm zu helfen und, was mir aber wohl in die Karten spielt, viel zu müde, um großartig viel zu empfinden.
Selbst als sein gekrümmter Körper wie aus dem Nichts von einem heftig Beben gepackt wird regt sich kaum etwas in mir.
Ich verdränge jeden Gedanken, der sich um die Frage nach dem Warum dreht schnell und beuge mich vor, um mit seinem Gesicht auf einer Höhe zu sein.
Sein Arm ist im Weg, ich kann es und seinen sicherlich hilfreichen Ausdruck nicht sehen.
Behutsam streichle ich ein paar mal über seine Seite. Das Hemd fühlt sich kälter an, als es sein sollte und meine Finger formen eine sanfte Wellenbewegung, als sie über seine Rippen gleiten. Was könnte nur den Grund für sein Unwohlsein liefern? Ich kann mir nicht vorstellen, dass er starke körperliche Schmerzen hat. Soweit ich es beurteilen kann ist es mir gelungen ihn während des Anfalls gut festzuhalten. Auch ist dieser noch nicht lang genug her, als dass die Ströme zu reißerisch geworden sein können.
Verdammt, wenn er mich einfach mal ansehen würde, wüsste ich sicher sofort was los ist!

Als ihm ein wohl nicht länger unterdrückbares Schluchzen entfährt beginnt mein Herz, als wäre es erst jetzt aufgewacht, so hart, dass es weh tut gegen meine Rippen zu schlagen.
Gleichzeitig mit meinem geteilten Schmerz kommt ein unangenehmes Gefühl, welches mir vorwirft, ich verhielte mich lächerlich und hätte gar nicht das Recht, auch nur den Versuch zu wagen ihm zu helfen.
Ich würde es sowieso nur schlimmer machen können, ich wüsste doch gar nicht, was ich tun sollte.
Es drückt mich, eine schwere Tatze auf meinem Rücken, zu Boden und fährt die Krallen aus, die sich langsam um meinen Brustkorb und über meine Schultern schieben, dabei leicht in meine Haut ritzen. Ich will nicht atmen, aus der absurden Angst heraus, die scharfen Klauen könnten bis zu meinen Lungen einschneiden.
Mein viel zu stark pochendes Herz macht mir das nicht gerade leichter.

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