7. Mittwoch (1)

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(Nacht)

Meine Lieder flattern, als ich sie öffne. Die Luft um mich herum summt und ist von Stimmengewirr erfüllt. Es ist sehr dunkel.
Von Ersterem bin ich wohl aufgewacht.
Ich hebe meinen Kopf in eine aufrechtere Position und verziehe vor Schmerz das Gesicht. Wie konnte ich so schlafen?

„Wir sind angekommen. Es liegt mitten in einem Wald."
Jarrys Stimme holt mich endgültig in die Welt der Lebenden zurück.
Er flüstert und ich werde auf der Stelle unruhig.

Ich nicke kurz und reibe mir die Augen. Dann sehe ich blinzend durch die Windschutzscheibe.
Die nicht besonders guten Scheinwerfer erhellen einige Meter laubbedeckten Waldbodens und den unteren Teil dreier Baumstämme, Letztere stehen am äußersten Rand des Lichtradius. Es hat eine zu geringe Wellenbandbreite, um die Farben erkennbar zu machen, daher sieht alles eintönig grau aus.

Mit endlich klarer Sicht starre ich auf das Autoradio.
02:23 Uhr. Puhhhh...

„Schlafen wir im Auto oder gehen wir da raus?", Claras Stimme kommt mir noch piepsiger vor als sonst.
Alle verstummen und sehen mehr oder weniger erwartungsvoll und vollautomatisch zu Tuna.
„Wir nehmen uns die nötigsten Sachen, also Rucksäcke und Schlafzeug, und sehen nach, ob es hier noch etwas abgesehen von Bäumen gibt."

„Was machen wir, wenn hier wirklich nichts ist?" Das erste, und hoffentlich letzte Mal, spricht Franzel meinen Gedanken aus. Ich will nichts mit ihm gemein haben. Mh, der Tag fängt ja schon gut an, ich bin echt toll drauf...

„Ich habe zwei vier-Personen Zelte auftreiben können. Wenn zwei oder drei Leute dann noch im Auto schlafen, dürfte das gehen."
Super. Ich kann mir nichts schöneres vorstellen, als bei 5 Grad und beinahe absoluter Finsternis ein Zelt aufzubauen.

Sobald Tuna die Fahrertür aufstößt, weht ein eisiger Wind herein. Ich bekomme auf der Stelle Gänsehaut. Als es schließlich, nach Jarry, an mir ist auszusteigen, klappern meine Zähne bereits.
„Immerhin scheint es hier nicht geregnet zu haben." Der erste positive Kommentar von Thomas, was für Überraschungen mich wohl noch erwarten?
Matt reißt die Kofferraumklappe auf und wir nehmen nacheinander unsere Sachen heraus. Ich zurre sicherheitshalber die Rucksackgurte nochmal enger um meinen zusammengerollten Schlafsack und die Isomatte.

„Schaut mal, was ich habe!" Im nächsten Moment erhellt der gelbliche Strahl einer Taschenlampe Isas Gesicht von unten.
Clara quietscht erschrocken.
Es sieht allerdings wirklich etwas unheimlich aus. Isas Gesicht wirkt noch eingefallener als sonst und ihre Augenringe werden durch die Schatten, den ihrer Wangenknochen werfen, verstärkt.

„Sehr gute Idee, wer immer eine hat, knipst seine Taschenlampe an."
Ich habe keine.

In Ermangelung einer Aufgabe lege den Kopf in den Nacken und starre in den Himmel. Wir scheinen auf einer Lichtung zu stehen, Mond und Sterne sind leicht zu erkennen.
Es ist ein atemberaubender Anblick. Sterne in dieser Zahl konnte ich noch nie sehen.
Die Lichtverschmutzung ist in den Städten einfach zu groß.

Ich höre, wie jemand neben mich tritt.
„Wow. So viele Sterne. Als hätte jemand silbernen Glitzer verschüttet."
Unweigerlich muss ich über die Ehrfurcht in Luis Stimme lächeln. Er ist das einzige Kind, dass mir bis jetzt begegnet ist, dass ich nicht nach den ersten fünf Minuten, in denen es in meiner Nähe ist, anschreien möchte.

In der nächsten Sekunde durchflutet ein enorm helles Licht die Umgebung und ich bin kurz geblendet.

„Perfekt, er funktioniert also noch."
Ich schirme meine Augen ab und erkenne Tuna, die mit einem monströsen Scheinwerfer bewaffnet und grinsend neben dem Auto steht.
Nachdem sich die allgemeine Begeisterung über unser mobiles Flutlicht gelegt hat, bilden wir eine Reihe und gehen den Pfad entlang, dem dank des Lichts die schwarze Decke, die ihn vor uns verborgen hat, entrissen wurde.

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