5. Montag

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„Hey, du musst aufstehen! Du hast gleich Schule, warum hast du dir keinen Wecker gestellt?!"
Wie ein Schachtelteufel fahre ich hoch.
Ma verlässt das Zimmer bereits wieder. Ich quäle mich hoch und torkle ins Bad.

Ich verpasse drei Busse, das heißt eine Schulstunde. Hätte schlimmer sein können. Während der Fahrt versuche ich, mich mit entsprechender Musik wachzukriegen. Dafür muss ich sie allerdings so laut hören, dass ich nicht mehr denken kann. Nach der Hälfte der Strecke streife ich die Kopfhörer ab. Was ist gestern Abend passiert? Ich habe Matt in die Hölle geschickt, das weiß ich noch. Ich weiß auch, dass es wohl einen Unterscheid macht, mit welchem Finger ich die Flamme berühre. Aber ich verstehe es nicht. Ein bisschen wie als würde dir jemand eine fette, detaillierte Chemische Reaktionsgleichung an die Tafel schrieben. Ich stehe vor einfachen Tatsachen, und dennoch ergibt nichts einen Sinn.

In der Schule sitze ich zwar da, bin aber nur in meinem Kopf. Was soll ich jetzt tun? So oft wie ich mir diese Frage schon gestellt habe, kann ich wohl davon ausgehen, dass sie sehr wichtig und zentral ist. Und davon, dass ich sie wohl nicht sehr schnell werde beantworten können.

Ist das, was ich getan habe gut oder schlecht?

Halt mir die Ethik vom Hals.

Was heißt das alles jetzt für mich?

Keine Ahnung! Doch, ich kann Matt zu allem möglichen zwingen. Nein, kann ich nicht, da bin ich dann doch zu gut für. Oder?

Pah, das kann doch alles nicht wahr sein! Ich raufe mir die Haare.
In Wahrheit bin ich aber doch schon zu einer Lösung gekommen. Ich muss mit einem der anderen Sprechen. Allein komme ich einfach nicht weiter! Aber auf keinen Fall mit Matt. Am liebsten würde ich mit Tuna sprechen, aber sie ist mir zu ähnlich, vielleicht hat sie durch ihre Fähigkeit die gleichen Möglichkeiten.
Ich muss mit jemand außenstehendem sprechen. Aber nicht so richtig außenstehend...
Jaja, schon klar, es bleibt nur Jarry. In der fünften Stunde überwinde ich mich und schreibe ihm eine Mail. Betreff: Sehr wichtig

+ Bitte, wir müssen uns treffen, es geht um Leben und Tod, und das meinte ich wörtlich.
Die böse Dämonin von der anderen Seite +

Die Antwort kommt nicht viel später. Betreff: Ich habe Angst

+ Komm zur Auenstraße, ich werde da sein.
Das Medium +

Die Zeit kriecht dahin, wie ein Mensch der Arme und Beine verloren hat. Oder, einfacher gesagt, wie eine Raupe.

Ich stürme aus dem Raum, während alle noch packen,und ignoriere die wütenden Rufe der Lehrerin. Ich entscheide mich dazu, direkt nach der Schule zu Jarry zu gehen.

Ich bin ziemlich nervös als ich in dem Bus sitze, der mich Google Maps nach, zur Auenstraße bringen soll. Ich habe keinen Schimmer, wo sie liegt. Was erwar... tet mich? Antworten?
Das wäre zu schön, um wahr zu sein. Was soll Jarry schon wissen? Egal, Hauptsache eine dritte Meinung. Haha, so als hätte ich zwei Persönlichkeiten. Naja, soo falsch ist die Annahme gar nicht. Ich kann mir nicht anders erklären, wer diese seltsame Intentionsstimme war, die gestern Abend in mir, als ich, gesprochen hat. Es ist alles so bizarr. Vielleicht drehe ich bloß jetzt doch endgültig durch? Würde auch meinen Unterschied machen. Ich schließe die Augen und erlaube mir etwas locker zu lassen. Ich pack das. Nichts außer mir selbst wird mich kaputt machen, und das hat erst noch Zeit. Ein Vulkan braucht schließlich auch Zeit, ehe er erneut ausbricht.

Heilige Scheiße ich muss aussteigen. Wo bin ich hier? Kühle, neblige Luft erwartet mich, als ich aus den Türen trete. Der Bus ist nicht sehr weit aus der Stadt herausgefahren, dennoch ist es wie ein Ort, noch so viele Kilometer weit entfernt.
Die Häuser sind alle schon etwas in die Jahre gekommen und haben riesige, meist überwucherte Gärten. Ich gehe an einem Braunen, einem Ockerfarbenen, einem Gel... Was ist das? Musik? Von dem nächsten Haus, orange und mit Efeu überwachsen, dringt Musik zu mir hinüber. Langsam gehe ich weiter. Wenigstens ist es jetzt nicht mehr so still. Die Musik ist schon älter, da bin ich mir sicher. Und definitiv anders als das, was ich sonst höre. Pop aus den Achtzigern vielleicht? Dann ist es bestimmt das falsche Haus, oder? Jarry ist ein wenig zu jung. Wobei, das heißt eigentlich nichts. Verdammt, warum hat der Idiot nicht an der Haltestelle gewartet, das hat er doch angedeutet mit: ich werde da sein, oder nicht? Langsam gehe ich weiter auf das Haus zu.
Vielleicht sollte ich ein Stück weit in den Vorgarten gehen? Alles andere wirkt so tot, und unbewohnt. Plötzlich bin ich mir sehr sicher, dass er in dem Haus mit der Musik ist. Ich gehe zügig darauf zu. Sollte ich Matt ein Zeichen geben?
Okay, keine Zeit drüber nachzudenken. Da ist plötzlich so ein gehetztes, drängendes Ding in meinem Kopf. Es sticht seine Klauen in meinen Rücken und treibt mich an.   Ich laufe mit einer Entschlossenheit, die wer weiß wo herkommt, auf das Haus zu. Die Eingangstür ist zu.

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