4. Sonntag

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(Nacht)

Schweißgebadet wache ich auf. Es ist stockfinster im Zimmer. Ich rühre mich keinen Millimeter, obwohl mir unfassbar heiß ist und mir der Schweiß am Körper klebt.
Die Angst vor den Dämonen, die in der Dunkelheit lauern, ist zu groß. Sie werden sich in dem Moment auf mich stürzen, in dem ich mich bewege.
Nur ein Traum, ganz ruhig.
Die „ich" Stimme.

Langsam solltest du da mal rausgewachsen sein, mit dir stimmt was nicht.
Das Ding welches manchmal etwas sagt.

Das spöttische Gesicht schüttelt mit einem abfälligen, genervten Ausdruck den Kopf.

Es sieht alles, meldet sich aber immer nur in den Momenten, in denen es sich ganz sicher ist, mich zu treffen. Ich sage den Text meines Lieblingsliedes im Kopf auf. Das hilft immer. Als ich wieder ruhiger bin, mache ich meine Nachttischlampe an.
Gehetzt blicke ich durch mein Zimmer. Keine Silhouette steht vor meinem Bett und blickt auf mich herab. Das Licht hat es vertrieben. Ich schiebe die Decke zurück und stoße erleichtert Luft aus.
Dann wecke ich die Erinnerung an den Albtraum.

Alles war verkehrt herum, meine Welt stand wortwörtlich Kopf.
Ich erinnere mich an dunkle Höhlensysteme und an Menschen, die mich verfolgt haben. Sie haben sich die Haut mit bloßen Zähnen vom Leib gerissen und geschrien. Aber da war noch etwas. Ich hatte nicht nur Angst, von den Kreaturen erreicht zu werden. Da war noch Verzweiflung, ein Grund, aus dem ich dort war...
Ah, genau, ich wollte jemanden einholen. Diese Person war mir so wichtig, dass ich an Ausgängen vorbeilief, um zu ihr zu gelangen. Aber es war nicht, weil ich helfen wollte. Ich musste ihr hinterher, ich hatte keine andere Wahl. Bei der Erinnerung bekomme ich eine Gänsehaut. Wer die Person war, weiß ich nicht mehr. Aber im Traum war es Glas klar, obwohl ich sie nie gesehen hatte, ich wusste irgendwie einfach, wo sie als Nächstes abbiegen würde.
Alles klar, Schluss damit. Ich schlafe jetzt weiter.

Ziemlich bescheuert jemandem in sein Elend zu folgen, statt zu versuchen dem Menschen zu helfen. Und sich dann am besten noch beschweren, weil alles bergab geht, pfff.

(Morgens, 4. Tag)

Ich kann mich nur schwer damit abfinden, dass schon Sonntag ist und ich morgen wieder früh aufstehen und in die Schule muss. Bin ja jetzt schon nicht wach.
„Räumst du bitte die Spülmaschine aus, Viki?" Boah nee. Das nicht auch noch.
Ich ziehe schnell meine Turnschuhe an, schnappe mir Handy und Kopfhörer und husche nach draußen. Schön leise die Tür zumachen... ich laufe runter zur Straße, endlich frei. Ich laufe, ja, so richtig mit Beine heben und Anstrengung und so, los. Manchmal hat man ja so Momente. Wo laufe ich hin? Zum Spielplatz vielleicht? Oh, ich muss in die Mails gucken! Betreff: J

+ Drei Uhr.
Das Medium +

Wie auf Knopfdruck beginnt mein Herz schneller zu schlagen.
Was soll das J heißen? Macht ja schon Sinn das es nicht weiter durchgezählt wird, geht ja jetzt an alle, aber einfach ein Buchstabe? Wegen Jarik vielleicht? Mh.
Jetzt ist zwölf, ich hab also noch was Zeit. Zum Spielplatz ist es nicht weit, aber ich bin außer Atmen als ich da bin. Scheiß Kondition. Ich lasse mich auf die Schaukel fallen und schwinge ein wenig hin und her. Schon verrückt grad alles. Na ja, ich grinse und fange an richtig zu schaukeln, immerhin passiert mal was. Ich werde schon sehen.
Jetzt kommt mir die Erinnerung an Jarrys Anfall und den Traum gar nicht mehr so schlimm vor. Ich frage mich, ob es wirklich so schlimm war und mein Gehirn jetzt einfach die Verleumdung anschmeißt, oder ob es gar nicht so schlimm war und ich mich gestern Abend nur in etwas hineingesteigert habe. Eine Frage, die ich nie werde beantworten können.
Wird mich dann wohl bis zu meinem Tod verfolgen, ha.
Ich schließe noch immer lächelnd die Augen und versinke in dem komischen Gefühl, welches man beim Schaukeln mit geschlossenen Augen immer hat. Plötzlich durchschneidet ein Kreischen die nur vom Windrauschen begleitete Stille.
Genervt beobachte ich wie so ein scheiß Kleinkind mit Sand um sich wirft. Dann grapscht es sich zwei Hände voll und sieht sich um. Es sieht mich.
Und komm angerannt. Nein ey, verpiss dich!
„Eh, haha kreisch!"
Ich stehe auf und funkle das Kind an. Mit einem dümmlichen Grinsen im Gesicht bleibt es stehen. Eineinhalb Meter von mir entfernt. Es hebt eine Hand und holt aus.
„Verpiss dich mit deinem Sand, oder ich stopf ihn dir in den Hals, bis du erstickst.", knurre ich ruhig. Das Grinsen verschwindet, der Arm fällt herunter und es fängt an zu heulen.
„Halt die Fresse!", schnauze ich und sehe mich um. Da kommt schon die Mutter angedackelt. Guter Moment, um mich zu verpieseln.

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