8. Donnerstag (1)

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BEstiMmt weRdE iCh eNDlicH EinmAL gUt Und lAnGe scHLafeN KönNEn!

(Nacht)

Ein schmales Segelschiff auf dem weiten, grenzenlos scheinenden Ozean. Die Horizontlinie markiert das Ende der Welt, nichts als Wasser liegt zwischen mir und ihr.
Das Ruder in meiner Hand ist das einzig Feste, Beständige in meinem Universum.
Das Universum.
Unendlich, so viel größer als der Ozean. Wie ein schwarzes Tuch, gespickt mit Abermilliarden leuchtender Nadeln liegt es über mir ausgebreitet.
Wind rauscht um meine Ohren, pfeift schrill durch die Takelage und peitscht die Segel umher.
Die Wellen brechen sich donnernd wohin ich auch blicke, Gischt prasselt auf das Deck und gegen die Flanken des Schiffes, während dieses unermüdlich durch die Wellenkämme bricht, um sich dahinter mit einem gewaltigen Krachen gleich wieder auf die aufgepeitschte Wasseroberfläche zu stürzen.
Doch die Geräusche sind dumpf, zweitrangig, weit weg.
Alles bewegt sich in einem hypnotischen Auf und Ab, immer wieder. Friedlich. Monoton. Die Zeit fließt dahin.
Da, plötzlich packt etwas meinen Mast!
Zerrt ihn grob von einer Seite auf die andere, das Steuer in meiner Hand löst sich aus seiner Verankerung.
Mit jedem Herumrucken entreißt es mir die Kontrolle etwas mehr!
Einmal noch, zweimal, dann ist sie für immer fort.
Gleich, gleich ist alles verloren!

„Ahhhhh!", um Halt ringend schlage ich mit Armen und Beinen um mich, bis ich die feste Matratze unter meinen Händen fühle. Ich bohre die Finger hinein.
Matratze. Ich muss in einem Bett liegen.

In der nächsten Sekunde sind meine Augen in der Lage, einige Schemen auszumachen und die Erinnerung kommt zurück.
Etwas verwirrt lasse ich mich zurück in das Kissen sinken.
Warum bin ich aufgewacht? Was war das für ein komischer Traum? War er der Gru...

Etwas taucht in meinem Blickfeld auf. Groß und beinahe nur ein Schatten in der Schwärze.
Wenige Zentimeter über meinem Gesicht.
In blanker Panik schnappe ich nach Luft und schnelle rückwärts.
Die Nonne! Sie ist lebendig und kommt mich holen!

In meiner letzten Sekunde strecke ich die Hand zur Seite nach meinem Handy aus. Da! Ich habe es!
Mein Zeigefinger ertastet den An-Knopf.
Der Lichtschein des Displays erhellt das Ding vor mir.
Ich bin fest entschlossen noch in ihr Gesicht zu sehen!

Der ovale Fleck vor mir ist hell.
Zu hell, als dass es die Nonne sein könnte. Sie besteht aus schwarzem Stein.

Im nächsten Moment keuche ich überrascht und setze mich aufrecht, als die Erkenntnis mich ergreift. Es sind Schreck und Erleichterung zugleich.
Nach so vielen Stunden wieder in Jarrys Gesicht zu sehen, ist wie einen starken, doch nicht lebensbedrohlichen Stromschlag zu bekommen. Ein gewaltiger, schmerzhafter Schock, doch im Anschluss ist man wach wie nie, fühlt sich nach der Aufregung und Angst lebendig, der eigene Herzschlag ist rasendschnell und im ganzen Körper zu spüren.

Im unteren Teil seines schwach erhellten, bleichen Gesichts tut sich ein schwarzer Spalt auf.
Das Display erlischt.

Ein Atemzug, leise und wispernd wie ein Windhauch, der durch grasbewachsene Dünen streicht, ist alles, das in der plötzlichen Dunkelheit, dem regelrechten Nichts noch da ist.
Angespannt warte ich auf folgende Worte.

Als sie nicht kommen, greife ich erneut nach dem Telefon und mache diesmal gleich die Taschenlampe an.
Ich wappne mich, bevor ich den Kopf wieder hebe, um Jarrys Blick zu begegnen.
Seine Augen wirken im noch immer mehr schlechtem als rechtem Licht pechschwarz.
Doch ich kann erkennen, dass sie glanzlos und nur einen Spalt weit geöffnet sind. Der Lichtreflex meiner Lampe ist verschwommen auf ihrer zu trockenen Oberfläche.

Entsetzten flackert in mir auf und wachst zu einem gefräßigen Monstrum heran, das sich innerhalb kürzester Zeit meinen Verstand einverleibt.

Sein restliches Gesicht sieht tausendmal schlimmer aus als an dem Tag, an dem ich ihn das erste Mal sah.
Zu dem Fehlen jeglichen Körperfetts und der eingerissenen, sich wie eine papierdünne Maske über Knochen spannenden Haut, kommen Dreck, schmale, zum Teil bereits entzündete Kratzer und kleine bis mittelgroße ausgetrocknete Hautstücke hinzu, letztere haben begonnen in dem Bereich um seinem Mund herum abzuplatzen.

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