Eine ganze halbe Stunde später werde ich durch schrilles Kindergelächter auf die Rückkehr der ersten Gruppe aufmerksam.
Ich verabschiede mich von den Zombies in meinem ehrenwert schlechtem Handyspiel und wische die Kopfhörer nach hinten. Lieber riskiere ich Nackenschmerzen, als sie hier liegen zu lassen.
„Meine Waschsachen liegen hier.", auf das Kissen neben mir klopfend stehe ich vom Bett auf.Ich werfe nur einen winzigen unauffälligen Blick zu Matt. Eigentlich sollte er selbst drauf kommen, meinen Scheiß mitzunehmen, ist schließlich nicht umsonst als mein Diener betitelt.
Doch meine Kontrolle stellt sich als absolut gerechtfertigt heraus.
Mit finster verzogenen Brauen stiert er zu mir hoch. Er klappt den Mund auf, will eindeutig trotzen.
Die Tür öffnet sich.
Jarry.„Nein, nein. Vergiss es. Ich habe einen Fehler gemacht.", presse ich hervor. Senke den Blick ganz schnell zu Matt.
Er erhebt sich langsam, geht zu seinem gepackten Rucksack hinüber. Sein misstrauisch prüfender Blick lässt mich dabei nicht eine Sekunde lang los, die Ungewissheit ob seiner Reaktion macht mich wahnsinnig.
Sag doch endlich was, es steht dir nicht zu, mich so auf die Folter zu spannen!
Ein knappes Nicken. Kluge Entscheidung.
Ob er weiß, dass ich mich ausschließlich Jarry gegenüber verantworten möchte und meine ehrliche Reue ganz und gar meinem tatsächlich unabsichtlichem Verrat an unserer Abmachung -und so auch Jarry persönlich- gilt oder ob er denkt, ich würde wirklich meinen, er hätte es nicht anders verdient, könnte mir nicht gleichgültiger sein.
Die Erleichterung veranlasst mich, unangenehm laut zu seufzen.„Ich brauche noch einen Moment, um meine Sachen zu packen. Ich habe Tuna gerade schon informiert, damit sie die Planung übernehmen kann, daher bin ich noch nicht dazu gekommen."
Ich nicke hastig und dränge mich an die Wand neben dem kleinen Waschtisch.
Jarrys Anwesenheit macht mich nervös. Ich fühle mich schlecht, mein Gewissen nagt munter an meinen Innereien, doch gleichzeitig ist da meine Selbstverteidigung, die mich an gerade Eben erinnert. Er soll mir bloß nicht nochmal auf diese Weise nah kommen.Aber er meint es doch nicht böse! Du musst ihm endlich vertrauen.
Ja... das wäre da auch noch. Meine ewige Begleitung, die dauernd meint ihren Senf dazu geben zu müssen!
Mir bricht der Schweiß aus, während ich Jarrys holprigen Schritten lausche.
Als Matt ihm in einem Nebensatz seine Hilfe anbietet, bin ich völlig hinüber.
Ich bin aussätzig. Habe keine Ahnung von allem! Wie soll ich das bloß jemals lernen? Wie soll mein Hirn diese Zusammenhänge jetzt noch herstellen, die Andere durch jahrelanges soziales Miteinander erlernt haben?
Mein hinterlistiges Herz zwingt meine Lungen mit seiner Raserei dazu flach zu atmen, nur um mich mit der ständigen Gefahr eines entfliehenden Wimmerns zu quälen.„Ich habe das Gefühl, dir geht es nicht gut, meine Dämonin. Sprich mit mir. Bitte."
Die Schritte stoppen einen halben Meter von mir entfernt. Definitiv zu nah.
„Schon gut. Ich bin nur überfordert. Und ent... enttäuscht. Von mir." Mit einem Augenrollen in Matts Richtung wispere ich das Ende so leise, dass nur Jarry es hören kann.
Die Wahrheit in ihrem Schlichtsein und ihrer erleichternden Einfachheit ausgesprochen zu haben, lässt mich aufatmen. Überrascht von dem unerwarteten Gefühl hebe ich sogar den Kopf.
Ich habe mir den Anblick Jarrys Gesichts so lange verwehrt, nun zwingt mich sein mit mir leidendes, doch zugleich zuversichtliches Lächeln, nach Luft zu ringen. Das gelingt mir erstaunlich leise.„Natürlich.
Ich verspreche dir, du kannst und wirst es alles lernen, alles verstehen. Mit deinem in mir liegenden Vertrauen fängt es an, dann wird dir alles Weitere immer leichter fallen. Du macht schon Fortschritte, übersehe das nicht!"
Meine innere Stimme hatte recht! Dieses Vertrauen ist der Schlüssel, damit komme ich weiter.
Wie von Geisterhand verschwindet der oberflächliche Teil meiner Unruhe, der, der sich durch Anspannung und Schwitzen gezeigt hat. Zurück bleibt ein unterschwelliges Rumoren, es lässt mich nicht vergessen, ist misstrauisch. Wann mache ich den nächsten Fehler?
Dennoch. Von Zuversicht und Gewissheit gestärkt erwidere ich das Lächeln und nicke.
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Mysterie
Mystery / ThrillerStelle dir vor, dein Leben kotzt dich an. Nicht dieses pseudo Ding, das jeder während der Pubertät mal hat. Sondern so richtig. Stahl harter Verdruss und ein tiefwurzelnder Hass auf alles um dich herum. Und dann ändert sich etwas. Die Veränderung b...