02. Jenna

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Ich renne förmlich in die Praxis. Lasse meinen Mann einfach im Auto zurück. Ich glaube ihm nicht, dass er von uns geträumt hat. Ich bin so abweisend zu ihm, zeige ihm so gut wie gar nicht mehr, dass ich ihn liebe. Aber das betrifft nicht nur ihn. Jedem meiner ehemaligen Freunde, meiner Familie und Samus Familie, schlage ich vor den Kopf. Am liebsten würde ich mich verkriechen und ganz alleine irgendwo untertauchen. Frau Peeti empfängt mich. »Hallo Frau Haber, sie sind aber abgehetzt, sind sie hierher gelaufen«? Ich schnappe nach Luft. »Nein, mein Mann hat mich hergebracht, aber ich möchte nicht, dass er heute mit zu ihnen kommt«. Antworte ich und setze mich auf den Stuhl vor dem großen Eiche-Schreibtisch. Frau Peeti nickt und öffnet die Unterlagen vor sich. Ihre Fragen kann ich schon auswendig. »Wie fühlen sie sich Frau Haber«? »Beschissen, nächste Frage bitte«. Frau Peeti zieht eine Augenbraue hoch, aber stellt die nächste Frage. »Was fühlen sie in ihrem Körper«? »Leere«! Antworte ich wie aus der Pistole geschossen. »Versuchen sie etwas gegen diese Leere zu unternehmen«? Ich sehe sie an, knete meine Hände, weil ich nervös werde. »Ich versuche es, aber scheitere immer wieder daran«. »Was lässt sie scheitern«? »Ich selber, ich stehe mir selber im Weg«. Sagte ich angestrengt. »Was fühlen sie, wenn sie an Ausflüge denken«? »Nichts«! »Wenn sie an ihre Freunde denken«? »Nichts«! »Wenn sie an ihren Mann denken«? »Wärme«.

Ohne Vorwarnung breche ich in einen Heulkrampf aus. Frau Peeti reicht mir Tempotücher. »Ihr Mann bedeutet ihnen sehr viel, aber sie können es ihm zurzeit nicht zeigen, weiß er genau, was sie belastet«? Ich schüttle den Kopf. »Er weiß nur Bruchstücke, kön...können wir abbrechen, ich fühle mich nicht gut«. Flehe ich sie an. »Ja, wir belassen es für heute dabei, schicken sie mir bitte ihren Mann einmal hoch, ich müsste was mit ihm besprechen, es ist nichts Schlimmes«. Ich nicke, stehe auf, nehme meine Jacke und verabschiede mich. Als ich nach draußen gehe, sehe ich das Samu am Auto lehnt. Er lächelt mich an. Wie gerne würde ich einfach zu ihm rennen, mich von seinen starken Armen auffangen lassen, ihn küssen. Aber selbst einfache Berührungen lasse ich nicht zu. Dass ich ihm heute früh über die Wange gestreichelt habe, das war schon das mindeste, was ich ihm in dem Moment geben konnte. Ich gehe zu ihm. »Frau Peeti will noch mit dir reden, ich warte im Auto auf Dich«. Er sieht mich fragend an. »Keine Ahnung, geh doch hin, dann weißt du es«. Sage ich genervt. Da ist es wieder! Dieser verdammte abrupte Wechsel zwischen Gut und Böse! In diesen Momenten hasse ich mich selbst! Ich setzte mich in das Auto und schalte das Radio an. Musik, die grauenvoll klingt, schnell drücke ich weiter. Schlager, ach du meine Güte, weg damit. Nachrichten! »Bei einem Handgemenge wurde die Schwester des Täters tödlich verletzt...«. Ich muss aus dem Auto raus, bekomme fast keine Luft mehr, Panik schnürt mir fast die Luft ab. Bilder in meinem Kopf flammen auf. Ich will sie nicht sehen. Schnell hole ich die Wasserflasche aus dem Kofferraum und nehme 2 Tabletten. Sofort werde ich ruhiger. Zum Glück bekam mein Mann das nicht mit!

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