Kapitel 15

21 3 6
                                    

Ich wusste nicht wie wertvoll und kostbar 24 Stunden sein konnten.
Bis jetzt.
Ich wusste nicht, was ich tun sollte.
Aber eins wusste ich mit Sicherheit.
Ich würde niemanden anrufen.
Larson,Page und ich waren uns einig.
Egal was auch passierte, wir würden niemanden hier her locken.
Denn ich würde eher einer von denen werden, anstatt Leute zu verraten, die mir am nächsten sind.

Denn wir brauchen viele Monate oder Jahre bis wir verstehen, wie kostbar Augenblicke sein können.

Dass musste ich mir jetzt eingestehen.
Nun waren es noch gut 2 Stunden, bis diese Kerle hier runter kommen würden, in diese unerbittliche Dunkelheit und von mir eine Antwort verlangen würden.
Ich hatte Angst.
Natürlich hatte ich das.
Ich wäre nicht normal, wenn ich keine Angst hätte, vor dem, was mich erwartet.
Aber ich hatte noch etwas.
Mein Katana.
Gesehen hatte es bisher niemand.
Also war ich gar nicht so harmlos.
Das Katana würde mir Schutz bieten.
Ich war bereits in meiner Gedankenwelt versunken, als Page sich stürmisch erhob und sich ganz langsam in ihrer Zelle zurück bewegte.
Ich runzelte die Stirn und sah fragend zu Larson, der nur mit den Schultern zuckte.
Ich sah zur Treppe.
Da kam jemand.
Ich stand auf und lauschte angespannt.
Castor stand vor meiner Zelle.
,,Ihr drei! Mitkommen!"
befiel er uns.
Er schloss unsere Zellen nacheinander auf und deutete uns, dass wir vor ihm gehen sollten.
Da ich bereits den Weg kannte, ging ich voraus.
Meine Glieder wurden mit jedem Schritt schwerer und mein Atem wurde schneller.
Kurz bevor ich die Klinke, zu La Roccas Büro herunterdrückte, atmete ich tief ein und aus.
Los geht's.
Ich betrat zuerst den verstaubten Raum.
,,Heather! Schön dich zu sehen! Setzt dich doch. Ach und das müssen deine Freunde sein!"
rief La Rocca.
Page und Larson warfen sich einen vielsagenden Blick zu, bevor sie sich links und rechts von mir hinsetzten.
Larson zwinkerte mir zu, um mir Mut zu machen.
Ich sah zu La Rocca.
Er sah gepflegt aus.
Er war rasiert und trug einen eleganten Anzug.
Seine Hand war noch, von meinem Biss, bandagiert.
Zufrieden schnaubte ich.
,,Also?" fragte er mich.
Dieses Mal waren nur er und Goldzahn hier.
,,Was also?"
fragte ich, obwohl ich wusste, was er meinte.
,,Stell dich nicht so dumm an. Du weißt wovon ich rede"
,,Tu ich das?"
,,Ich habe nicht den ganzen Tag Zeit!" brüllte La Rocca.
,,Dann sollten Sie sich die jetzt nehmen. Denn wie ich sehen kann, bin ich in Moment ihr einziges Problem.
Und wissen sie was noch ein Problem darstellt?"
Ich beugte mich nach vorne, um in seine Nickelbrille zu sehen.
Er lehnte sich, in seinem Schreibtischstuhl, nach hinten und zog fragend eine Augenbraue in die Höhe.

,,Das Problem dieser Welt ist, dass viele intelligente Menschen so voller Selbstzweifel sind - und viele Dumme so voller Selbstbewusstsein.
Und davon haben sie, meinen Geschmack nach, etwas zu viel"

flüsterte ich ihm sarkastisch zu.
Empört sah er mich an.
,,Nun. Ich schätze du bist etwas zu voreilig.
Jeder hat seine Schwächen und Stärken.
Apropos Schwächen"
sagte La Rocca und schob mir sein Handy über dem Tisch.
Er lächelte vergnügt.
Ich nahm das Handy und suchte die Emojis und schob ihm das Handy zurück.
Sein Blick fiel auf den Mittelfinger, den ich angetippt hatte und der jetzt auf dem Bildschirm zu sehen war.
,,Deine Entscheidung ist gefallen?"
Ich schwieg und starrte ihn an.
,,Interessant. Ich hätte nicht gedacht, dass du dich gegen deine Freunde entscheidest.
Du steckst voller Überraschungen, Heather"
,,Allerdings.
Das tut sie" erklang eine Stimme hinter uns.

Im nächsten Moment gab es einen Knall und der Raum füllte sich mit Rauch.
Ich nutzte die Gelegenheit und schnappte mir Larson und Page und liefen aus dem Raum.
,,Wer war das?"
fragte Larson, als wir die dunklen Gänge entlang liefen.
,,Keine Ahnung.
Aber wir sollten schleunigst den Ausgang finden"
gab ich Schwer atment zurück.
Eine Weile liefen wir wild umher, bis ich Licht entdeckte.
,,Da vorne!" rief ich.
Ich stoß die Tür auf und wurde vom Licht geblendet.
Tageslicht!
Ich kniff die Augen zusammen.
,,Los! Lauft!"
piepte Page und lief an mir vorbei in die Freiheit.
,,Heather..."
Ich drehte mich um und sah wie sich Larsons Augen mit Tränen füllten.
,,Erinnerst du dich an dein Versprechen?"
flüsterte er.
Ich sah ihn an.
,,Page. Geh schon mal vor. Wir kommen gleich nach. Lauf einfach soweit du kannst, ja? Wir werden dich finden"
sagte ich und Larson sah mich an und schenkte mir ein mutiges Lächeln.
Bevor Page was sagen könnte, knallte ich die Tür zu und verschloss sie.
Page würde nur diskutieren und dazu hatten wir jetzt keine Zeit.
Ich sah Larson schwer atment an und rannte an ihm vorbei.
Er folgte mir.
Wir würden seine Schwester holen und dann verschwinden.
Wir rannten wieder runter zu den Zellen.
Irgendwo fielen Schüsse und lautes Gebrüll.
Ich lief so schnell ich konnte, bis ich gegen etwas stieß.
Oder eher gesagt jemanden.
,,Heather!"
Ich sah ihm direkt ins Gesicht.
Nelio.
Er zog mich an sich und drückte mich.
Bis ich etwas realisierte...
Sofort schubste ich ihn von mir weg.
,,Nelio?! Was machst du hier?
Du musst sofort verschwinden!"
Ich versuchte ruhig zu bleiben.
,,Keine Sorge. Meine Eltern kümmern sich um die Wachen und Jaiden um La Rocca"
,,Er wird euch töten"
flüsterte ich.
,,Das wird er nicht.
Lauft.
Draußen steht ein Van, der wird euch von hier weg bringen"
Mit diesen Worten ließ er uns zurück.
,,Wir werden nicht wirklich gehen, oder?"
fragte Larson.
,,Natürlich nicht"
Ich grinste ihn geheimnisvoll an.
Als ich mich umsah, fiel mir eine Tür auf, die mit einem roten Kreuz versehen war.
Larson ging vor und stoß sie, ohne zögern,auf.
Jetzt betraten wir eine riesige Halle.
Sie erinnerte mich an die Sporthalle des Internats.
Meine Augen mussten sich erstmal an das weiße Licht gewöhnen, was die Lampen in die Halle warfen.
Links und Rechts waren lange Tribünen aufgebaut.
Jetzt fiel mein Blick auf die Mitte der Halle.
Dort lag ein kleiner lebloser Körper und daneben stand eine Person.
,,Ich wusste das du nicht aufgeben wirst, Heathetlein.
Gut, dass du dem Symbol gefolgt bist"
Ich sah La Rocca aus voller Hass an.
,,Was wollen sie denn jetzt noch?"
,,Jaiden und dich"
Larson stieß einen Schrei aus und rannte zu der Stelle, an dem der kleine Körper lag.
Er beugte sich über das kleine Mädchen und sah ihr in die leblosen braunen Augen.
Braune Augen...?
,,Nein...nein...nein... Das kann nicht sein. Bitte nicht"
stammelte er leise und fing an zu weinen.
Jetzt wurde es mir schlagartig bewusst.
Seine kleine Schwester.
Seine tote Schwester.
Mit seinen Händen nahm er das kleine Gesicht in seine Hände und streichelte über die Wangen.
Ich war zu benommen um zu realisieren, wie mehrere Männer den Raum betraten und sich auf der Tribüne nieder ließen.
Ich wollte etwas sagen.
Aber ich konnte nicht.
Larson sah seine Schwester liebevoll an und gab ihr einen Kuss auf die Stirn.
Aber ihren Körper wollte er nicht loslassen.
Ich fing an zu schluchzen.
Castor näherte sich dem benommenen Larson.
,,Larson"
flüsterte ich, da meine Stimme nicht mehr zu ließ.
Castor riss Larson seine Schwester weg, der einen herzzereißenden Schrei von sich gab.
Larson musste sich zu den Männern auf die Tribüne setzen.
Der Körper seiner Schwester wurde am Rand der Tribüne angelegt.
Wenn ich mich nicht getäuscht hatte, floss Castor eine Träne die Wange runter.
,,Siehst du das?!
Das ist der Preis!"
brüllte La Rocca und zog meine Aufmerksamkeit zu sich.
,,Richtig. Und ihr Tot kostet sie etwas. Nämlich ihr Leben!"
schrie ich.
,,Das kannst du?"
Alle in der Halle lachten.
Außer Larson.
Der schaute teilnahmslos in die Leere.
Jetzt reichte es mir endgültig.
,,Ich zeig ihnen jetzt, was ich alles kann"
sagte ich und zog mein Katana.
Alles stießen einen empörte Ruf aus.
,,Wie du willst"
La Rocca zog nun auch ein Schwert.
Ein Richtschwert.
Da standen wir nun.
Lauernd.
Wartend, dass jemand den ersten Schritt macht.
In der Halle war es Still.
Unheimlich Still.
Als habe die Natur selbst den Atem angehalten.
La Rocca war älter und hatte mehr Erfahrung, dass stand außer Frage.
Dann ging alles ganz schnell.
La Rocca preschte vor und griff mich mit einem Hieb von oben an.
Ich wehrte diesen, mit einer, für mein Alter, erstaunlichen Geschwindigkeit, ab und ließ meinen Schwertknauf in La Roccas Gesicht krachen.
Der taumelte sichtlich angeschlagen zurück und schaffte es gerade noch einen meiner Hiebe auszuweichen.
Ich weichte einen Hieb von ihm aus, indem ich mich duckte.
Und noch einen.
Und noch einen.
Ich versuchte Abstand zwischen uns zu bringen.
Meine Kraft ließ nach.
Da ich Monatelang kaum Nahrung oder Flüssigkeit zu mir genommen habe, war ich entkräftet.
La Rocca atmete schwer.
Unsere Schwerter glitzerten.
Ein Fehler würde meinen Untergang bedeuten.
Ich spannte meine Muskeln an und hob die Schultern, als La Rocca wieder auf mich zu kam.
Ich parierte ein paar seine Schläge.
Ich hob die Arme, um Schwung zu holen.
Dabei traf ich ihn an der Schulter.
Erneut griff ich an.
La Rocca wurde immer mehr von mir zurück gedrängt.
In einem unachtsamen Moment richtete er mir die Spitze seines Schwertes in die Richtung meines Kopfes.
Ich wollte ihn nach links abwehren.
Doch ich traf nicht.
La Rocca schlug mir den Knauf ins Gesicht, sodass ich zu Boden fiel.
Mein Katana klirrte, als es zu Boden fiel.
Schwer atment und voller Panik griff ich nach meinem Schwert.
Doch ich schaffte es nicht rechtzeitig.
La Rocca hob die Arme und stieß mir sein Schwert direkt in den Bauch.
,,Heather!"schrie Larson entsetzt.
La Rocca beugte sich über mich.
,,Nicht schlecht. Aber du hast gezögert.
Ich nicht.
Ich würde niemals zögern, mein Schwert zu nutzen"
Ich keuchte schnell.
Mit diesen Worten zog er sein Schwert aus mir und verließ mit seinen Männern die Halle.
Ich atmete schnell.
Ein Schmerz durchzog meinen ganzen Körper.
Vermutlich lag ich bereits in meiner eigenen Blutlarche.
Larson kam zu mir, kniete sich hin und hob meinen Kopf auf seine Beine,
sodass mein Oberkörper leicht angehoben war.
Ich stöhnte.
Mit seinen Händen versuchte er die Blutung zu verringern.
,,Tut mir leid. Tut mir leid, dass ich deine Schwester nicht retten konnte"
sagte ich langsam und schwach.
,,Das ist nicht deine oder meine Schuld, Heather.
Versuche ruhig zu atmen"
Jemand rannte auf uns zu und kniete sich neben uns.
,,Jaiden..."
Ich versuchte zu lächeln.
,,Heather"
Er sah mich an und seine Augen füllten sich mit Tränen.
,,Tut es weh?"
flüsterte Jaiden mit erstickender Stimme.
,,Nicht mehr"
In meinem Körper verteilte sich eine eisige Kälte.
Jaiden nahm meine Hand und drückte sie fest.
Die Kälte breitete sich weiter aus und ich drückte Jaidens Hand, als eine Schmerzwelle mich überrumpelte.
Mein Atem ging schneller.
,,Habt...Habt ihr sie gefunden?
Page?
Ist sie in Sicherheit?
Geht es ihr gut?"
fragte ich schnell und panisch.
,,Ja. Ihr geht es gut"
Ich lächelte und merkte wie ich ruhiger wurde und anfing zu weinen.
Ich drückte Jaidens Hand ein weiteres Mal.
,,Du musst wach bleiben"
hörte ich Jaidens Stimme, wie durch Watte.
Aber ich konnte nichts dagegen tun,dass meine Hand erschlaffte.
Die ganze Spannung fiel von mir ab, bevor ich meine Augen schloss und in unendliche und warme Dunkelheit fiel.



Alles, was ich sehe Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt