𝔨𝔞𝔭𝔦𝔱𝔢𝔩 𝔢𝔩𝔣

2K 112 9
                                        





KAPITEL ELF

︵‿︵‿︵

       Die Dunkelheit kroch durch die dicken, nassen Äste und konkurrierte mit dem Mondlicht. Während der Wind gegen die letzten Blätter peitschte, die an den dürren Zweigen der Bäume hafteten, fiel der Regen in kleinen, kalten Tropfen vom Himmel. Die Nacht war unbarmherzig; die Kälte kratzte an Varyas Haut, als sie mit ihrem dunklen Zauberstab in der Hand durch den Verbotenen Wald schlenderte. Ihr Feuereifer war durch das Heulen der Geschöpfe, die über das Gelände liefen, erloschen, und an seiner Stelle gab es jetzt nur noch ein verängstigtes Teenagermädchen.

Die Mitternachtsstunde schlug in der statischen Luft und ließ Wellen des Schreckens durch den verlassenen Wald hallen. Die Krähen krächzten, ihre Stimmen waren heiser und verrostet, ihre verdrehten Hälse lugten durch die Öffnungen und drehten sich mit, um das junge Mädchen zu beobachten.

Varyas Gewand flatterte im Wind und klebte durch den Regen an ihrer Haut. Ihr Haar fiel ihr in dunklen, buschigen Strähnen ins Gesicht und klebte an ihren offenen Lippen, während ihre Zähne klapperten. Die Kälte hatte sich in ihren Knochen eingenistet; ihr Körper fühlte sich mit jedem zaghaften Schritt schwerer an. Während ihre onyxfarbenen Augen hektisch ihre Umgebung absuchten, stieß sie ihren Atem immer heftiger aus.

Zuerst hatte sie es eher wie ein Flüstern gehört, ein Rufen ohne Worte. Dann hämmerte es gegen ihren Schädel, kreischte, schrie, flehte sie an, ihm zu folgen. Wie an einer unsichtbaren Schnur gezogen, machte sie sich auf den Weg in den Wald, nur mit ihrem Schlafanzug und ihrem Umhang bekleidet.

Erst jetzt bemerkte das Mädchen, dass ihre Füße nackt waren, und sie krümmte ihre Zehen gegen die eisige Erde und ignorierte den harten Biss des Frosts. Sie waren taub, und wenn sie sich Schnittwunden zugezogen hatte, konnte sie es nicht sagen.

Es war keine Stimme, die nach ihr gerufen hatte, nein, es war eine Präsenz. Außerdem war sie ruchlos, fast wie eine Verhöhnung. Varya hätte es besser wissen müssen; sie hatte schon viele Geschichten von Kindern gehört, die in die Nacht hinausgingen und nie mehr zurückkehrten. Verdammt, sie wäre fast selbst eines gewesen. Trotzdem war der Ruf stark, magnetisch, und je mehr sie ihn ignorierte, desto mehr fühlte sie sich, als würde sie ersticken. War ihr Verstand schwach? Hatte sie ihren Schutz vernachlässigt, weil sie nicht mehr an ihrer alten Akademie war?

Sie stand mitten im Wald, zu weit vom Schloss entfernt, als dass jemand sie hören könnte, selbst wenn sie schrie, bis ihre Stimme sie verließ. Und einen Moment lang betete sie, dass man wenigstens ihre Leiche finden würde.

Varya hörte es nicht kommen; sie spürte nicht, wie der Wind bei seiner Präsenz auffrischte, noch hörte sie das Rascheln der Büsche, als es sich ihr näherte. Sie hörte es nicht einmal, als es seine zerschundenen Beine über den Waldboden schleifte und sich ihr näherte.

Nein, sie spürte nur seinen Atem in ihrem Nacken.

Sie zitterte, als die Kreatur mit dem Finger über ihre Wange strich, der so verwest war, dass sie nur noch Knochen auf ihrer Haut spürte.

„Warum bist du so weit von zu Hause weg?", fragte es, und Varya spürte, wie sie beim Klang seiner Stimme erstarrte. Sie war melodiös, geradezu göttlich, die Stimme einer schönen Frau, aber als es sich leicht über Varyas Schulter beugte, konnte sie sehen, wie sein Fleisch langsam von seinen Wangenknochen abblätterte.

Verrückte Augen blickten sie an, fast obsessiv, und das Lächeln der Kreatur war psychotisch, weit über das normale Maß hinaus gestreckt. Vielleicht erlaubte die Tatsache, dass die Hälfte seines Gesichts abgekratzt war, die Muskeln zerrissen und die Bänder sichtbar waren, eine größere Freiheit der Gesichtszüge.

✓ | Die Sieben Teufel ¹ ━ Tom Riddle [de]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt