99. Klagelied

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Cirah

„Anna!", schrie ich über das weite Feld. Überall lagen verstreut Leichen. Die Jäger waren verschwunden und hatten diese Leichen zurück gelassen. Bald würden andere kommen und dies als Anschlag deuten.

„Anna!", rief ich wieder. Ich stolperte über eine Leiche. Verfluchte Scheiße. Was war das für eine verdammte Welt.

„Annabelle!", schrie ich und meine Stimme überschlug sich fast.

„Anna!"

Keine Antwort.

Ich hatte sie in der Menge verloren. Sie hatte meine Hand los gelassen und sie war fort. Sie musste hier sein. Verletzt. Hoffentlich. Sie durfte nicht tot sein. Sie konnte nicht tot sein.

Ich hatte sie aus den Augen verloren. Ich hatte nicht auf sie aufgepasst. Ich wäre schuld, wenn ihr etwas passiert war.

„Anna!", schluchzte ich.

Ich hatte gar nicht mitbekommen, dass ich angefangen hatte zu weinen.

„Anna.", wimmerte ich und fiel auf die Knie.

Sie war mir wichtiger als ich zugeben wollte. Ich brauchte sie. Wie sie mich brauchte.

Sie war nicht perfekt aber sie machte mich komplett. Sie war immer für mich da gewesen. Sie war mein Saveplace. Sie war die Person, bei der ich mich nicht verstellen musste um ernst genommen zu werden.

„Anna.", kam es wieder über meine Lippen.

„Annabelle!", schrie ich wieder bis meine Stimmbänder anfingen zu schmerzen.

Sie hatte soviel zu geben. Sie log, damit es mir besser ging.

Mein Blick fiel auf einen roten Haarschopf. Sofort sprang ich auf und stolperte zu dem Körper. Drehte ihn herum. Es war nicht sie.

„Anna.", schniefte ich leise und griff trotz das es nicht ihre waren in das rote Haar. Ich liebte ihre Haare. Ich liebte ihren Körper. Ich liebte ihren Charakter. Ihren Humor. Ihr Sein. Ihr Lachen. Alles. Ich liebte alles an ihr.

„Cirah.", hörte ich eine leise Stimme hinter mir. Erschrocken drehte ich mich herum.

Vor mir erkannte ich ein paar Beine in dunkler Jeans. Füße in Turnschuhen.

Ich ließ meinen Blick etwas weiter nach oben gleiten.

„Anna.", hauchte ich und richtete mich auf.

Ihr Oberteil war mit Blut befleckt aber es schien nicht ihres zu sein. „Anna.", kam es wieder über meine Lippen. Hektisch zog ich sie an mich. Musste mich vergewissern, dass sie es war. „Du hast mir solche Angst gemacht.", wimmerte ich und löste mich von ihr um ihre Gesicht in meine Hände zu nehmen.

„Ich liebe dich. Hörst du. Du darfst nie wieder meine Hand los lassen. Ich liebe dich.", sagte ich eindringlich und presste meine Lippen auf ihr. Ich fühlte sie lächeln und sobald ich mich wieder löste sagte sie: „Ich liebe dich auch."

Lydia

Müde stieg ich aus dem Auto meiner Eltern und ging zu Erics Haustür. Er meinte hier irgendwo sollte ein Schlüssel sein. Nach einer Weile Suchen fand ich ihn auch und schloss auf. Das Haus war still. Komplett still. Irgendwie fühlte ich mich nicht richtig an diesem Ort. Vielleicht sollte ich etwas Lautstärke in die Stille bringen.

Unsicher zog ich mein Handy hervor und schaltete das Radio leise an. Sprechende Stimmen würden mich vielleicht beruhigen.

Ich hatte recht. Es ließ mich gleich viel wohler fühlen.

Mit jetzt deutlich sicheren Schritten lief ich durchs Wohnzimmer und die Treppe nach oben. Jetzt wurde ich doch etwas unsicher. Ich wusste wo Erics Labor war aber wo genau die Schlafzimmer von wem...

Leicht öffnete ich einfach die nächste Tür. Die Vorhänge waren zu gezogen und das Bett war gemacht. Offensichtlich nicht Rans Zimmer. War es Erics? Es würde zu ihm passen.

Es war schön eingerichtet, das Bett war groß, auch wenn er offensichtlich nur alleine darin schlief. Auf dem Nachtschrank standen zwei Bilder. Eins von Ran und Jon, das andere von seinem anderen Bruder. Es musste Erics Zimmer sein.

Um nicht neugieriger zu werden schloss ich die Tür wieder und versuchte vorsichtig die nächste. Sofort sahen mich ein paar rote Augen an.

„Sanji.", kam es über meine Lippen, weil ich mich kurz verjagt hatte. „Sorry.", murmelte er und sah wieder auf das Bett.

Ran lag regungslos auf der Matratze. Die Decke war glatt über ihm ausgebreitet und dadurch wirkte er wie einer unserer Koma- Patienten. Ehrlich gesagt, fand ich die gruselig und war froh, dass ich nicht wirklich mit denen zutun hatte sondern nur ab und an helfen sollte. Ich war vielleicht in der Gynäkologie aber noch lange nicht fest.

„Hat Eric dich geschickt?", fragte Sanji leise. Ich nickte leicht. Stellte meine Tasche ab und ging rüber zu Ran. Vorsichtig setzte ich mich an seine Seite und tastete als erstes nach seinem Puls. Kurz hatte ich Sorge, aber dann fiel mir wieder ein, dass er ein Vampir war.

Sanft strich ich Erics Bruder die Haare aus der Stirn. Er war immer noch sehr blass.

„Warum hast du das Radio an?", fragte Sanji. Ich griff nach meinem Handy. „Oh, ich kann es ausmachen. Ich war nur nervös.", erklärte ich. „Alles gut. Lass es ruhig an. Es ist schön was anderes zu hören als nur seinen Atem.", sagte er und sah bitter auf seinen Freund.

Da ich dachte, dass selbst gute Worte ihm nicht helfen würde schwieg ich und sah weiter nach Rans Befinden. Bis auf die Tatsache, dass er nicht aufwachte war er jedoch gesund.

„Nachrichten: Heute Nachmittag erreichte uns die Nachricht eines Massenmordes auf dem freien Feld Nähe..." Mein Blick fuhr geschockt hoch und ich sah Sanji an, welcher ebenfalls die Augen aufrisse. „Die Bilder sind schockiert. Auf der kompletten Wiese liegen Leichen verteilt. Was genau passiert ist lässt sich nicht herausfinden. Zeugen gibt es bisher keine. So auch keine Überlebenden."

Ich griff nach meinem Handy und suchte nach dem Ereignis im Internet. Nur nebenbei bekam ich mit wie Sanji zu mir kam. Schockiert betrachteten wir die Bilder.

„Ist das dieser Ort?", fragte ich leise und hörte wie Sanji schluckte. „Ja.", hauchte er und nahm mir das Handy aus der Hand um an etwas ran zu zoomen. „Fledermäuse.", sagte er leise und brachte das Bild zurück in seine Ursprungsgröße.

„Was war das?", fragte ich. „Keine Dämonen.", erwiderte Sanji und gab mir mein Handy zurück. „Diese verfluchten Jäger. Sie waren genauso wenig aus gerottet wie wir.", fluchte er. „Nur haben sie früher mit bekämpfbaren Waffen gekämpft.", knurrte er. „Wovon redest du?", fragte ich verwirrt. „Das waren offensichtlich moderne Waffen. Vorher auch vor 20 Jahren noch haben sie sich Gedanken gemacht was uns tötet. Haben sich auf Mythen gestützt. Silber, Pfähle und was es sonst gibt.", erwiderte er.

Meine Finger huschten über meinen Bildschirm und suchten ein Bild raus. „Sowas?", fragte ich panisch. Sanji drehte sich zu mir und betrachtete das Bild. Dann schmunzelte er. „Ja, sowas. Woher hast du das?", fragte er. „Das gehört meinen Eltern.", sagte ich und sah wie jetzt auch in seinen Augen Panik aufstieg.

„Wissen sie das du hier bist? Wissen sie von uns?", fragte er und lief zum Fenster. „Sie wissen, dass ich hier bin aber ich wüsste nicht woher sie von euch wissen sollten. Wenn nur, weil sie bei dem Vorfall mit Ran dabei waren.", erwiderte ich.

„Du bist nicht mit zwei Autos gekommen oder?", fragte er. Ich schüttelte den Kopf. „Dann sind sie hier.", erwiderte er und sah wieder aus dem Fenster.

„Schließ ab. Ich regele das. Sie dürfen euch nichts tun.", sagte ich und verließ den Raum. Sofort schloss Sanji ab. Guter Junge. Ich hätte mehr Wiederstand erwartet.

Sobald ich zurück im Wohnzimmer war klingelte es an der Haustür. Ich ging langsam darauf zu. Wollten sie vielleicht wirklich nur kommen um nach dem rechten zu sehen? Wäre seltsam.

Da hörte ich wie sich ein Schlüssel ins Schloss steckte und sich herum drehte.. Woher hatten sie einen Schlüssel?

Vamp Zone 《2》Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt