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"Was machst du da?", raunzte eine Stimme vor mir und unter der Decke lugte ein Kopf hervor. "Ich ändere meine Seite." Ich klickte etwas herum und streifte mir gleichzeitig einen meiner Lieblingspullover über. Rot war genau meine Farbe und ich mochte ihn gerne tragen. Auch wenn sämtliche Ränder abgeranzt und eingerissen waren. Die Farbe war nicht verblasst und so könnte es sogar als gewollter Style durchgehen. Wie ripped Jeans die man absichtlich so kauft.
"Und wo willst du hin? Was genau änderst du? Lucas?"
Endlich richtete sich Jin auf und sah mich völlig verschlafen an. "Meine Shows. Montag, Dienstag one-on-one Show, Donnerstag und Freitag die normalen. Tagsüber kann ich so gut lernen, Mittwoch mach ich erst Bogentraining und Abends dann wieder Schwimmen."
Jin seufzte wenig begeistert auf, während er sich aus dem Bett bequemte. Seine einst kurzen Haare sind so wie meine ein ganzes Stück gewachsen und standen nun wild ab. "Ist das nicht etwas viel? Du kannst auch am Wochenende bei mir..." Sein lautes Gähnen unterbrach seinen eigenen Vorschlag. "Ich will aber am Wochenende nichts machen müssen.", sagte ich nur nebenbei während ich mir schon meine Stiefel zu band.
"Und wieso machst du hier so früh schon so ein Grumpel?" Er war total überfordert von meiner morgendlichen Aktivität und atmete genervt aus. Verschlafen, mit wildem Haar und nur in Boxershorts sah er mehr als nur gut aus - doch für jegliche Träumerei hatte ich keine Zeit. Ebenso genervt war ich der Meinung, dass ich ihn etwas ärgern könnte. "Mhm? Sag ich nicht." Grimmig sah er rüber. "Was? Wieso soll ich dir alles sagen, wenn du das auch nicht tust?" Mit dem Gedanken ließ ich ihn alleine und ging eigentlich nur einige Meter weiter und wartete auf Felix. Er hatte mir schon früh morgens geschrieben und ich versprach ihm mit in die Stadt zu kommen um Material für seine Arbeit zu kaufen. Nebenbei konnte auch ich an der Post Stelle vorbei schauen um ein für mich hinterlegtes Paket abzuholen. "Und hat er dir erzählt das er diese Evelyn traf?" Kaum waren wir außerhalb des Internats war Felix Neugier zu groß geworden, doch außer mit dem Kopf zu schütteln konnte ich ihm nichts sagen. "Nein, er hat mir nur ne Jacke gekauft."
"Ist doch gut oder? Also wenn er mit ihr unterwegs war und dennoch an dich dachte." Ich musste Felix zustimmen, da hatte er Recht und dennoch hatte ich ein mulmiges Gefühl im Bauch.
Wir brauchten in dem Geschäft nicht so lange wie erwartet, Felix war ziemlich sicher was er brauchte und kaum hatte er alles war mir auch schon klar wieso er mich fragte ob ich mit käme. Er kaufte viel, verdammt viel und die paar Meter zwischen Geschäft und seinem Auto fühlten sich mit all den schweren Taschen wie die längste Pilgerwanderung meines Lebens an.
"Und wieso genau machst du deine Arbeit bei dir daheim?", fragte ich während er eine lange Einfahrt hoch fuhr und sich das elektronische Garagentor wie von Zauberhand ganz alleine öffnete. "Weil an der Schule die anderen wie Geier sind! Erst gucken sie was du machst und kopieren oder nutzen 'zufällig' deine Sachen. Und hier habe ich meine Ruhe." Ruhe fand ich untertrieben. Kaum hatte er in der hauseigenen Garage geparkt folgte ich ihn durch eine Tür in einen langen Gang, der erst in einem Raum endete der einer Halle glich. Kalt und fast schon unheimlich war alles in weiß oder grau. Der weiße Fließenboden glänzte und die grauen Hochglanz Schränke spiegelten sich darin. Hin und wieder wurden grüne Sträucher platziert um es vielleicht etwas wohnlicher zu gestalten. Einen Raum weiter das selbe Bild mit ganz wenigen Bildern an der Wand die straigth aus einem Museum sein könnten. "Bro, ich mag ja nicht fies sein, aber gut das dein Vater dich ins Internat schickte. Also wirklich liebevoll sieht's hier nicht aus." Beim vorbei laufen, den zweiten Flur entlang, blickte ich ins Wohnzimmer. Weiße Wände, weißes Sofa mit grau-grünen Kissen. Glastisch und in der Ecke eine Harfe. "Das sieht hier echt unheimlich aus und ich kann meine Stimme schallen hören." Verlegen lächelte Felix und führte mich die Treppe hoch. "Vielleicht gefällt dir das hier besser?"
Hinter einer Tür ergoss sich ein wahres künstlerisches Chaos. Ein riesen Raum, kunterbunt mit allem was das kreative Herz begehrt. Und überall wo man hinsah war Farbe, sogar der Boden hatte mehr als einmal gelitten und der eins dunkle Parkettboden war über und über mit Farbe bekleckert. Stoffe, Leinwände, Pinsel, Spachtel, Becher, Holzplatten, Bänder..... Ein ganzer Bastelladen hat sich hier scheinbar erbrochen und neben Chaos auch Skulpturen, Bilder oder anderes ergeben. "Und jetzt?", ich ließ alles da stehen und liegen wo ich gerade war. "Ich dachte ... Also.... Normalerweise ... Die Beine, da würde ich gerne weiter machen.", verstohlen blickte er auf meine Füße und schien sich zu erinnern, was zu letzt passierte. "Von mir aus. Und das neulich war gar nichts - hörst du.", stellte ich noch einmal klar, zog ungehemmt meine Hose herunter und platzierte mich auf einen der freie stehenden Sessel. "Schuhe lasse ich aber an." Er lachte laut und ungehalten bevor er sich an die Arbeit machte.
Um meinen Unterleib abzuarbeiten brauchte er viel länger und war so konzentriert, dass er nur wenig mit mir sprach. "Wieso nimmst nicht dich selbst? Oder nen Mädel?", unterbrach ich irgendwann. "Als hätte ich nen Mädel und mich selbst fand ich unpraktisch - der Blickwinkel ist halt anders."
Das er anfing meine Beine zu begrabbeln war mir egal, als er aber höher wanderte zuckte ich zusammen. "Denk nicht Mal im Traum dran." Mit erschrocken großen Augen hockte er vor mir und verharrte mit ausgestreckten Hand. "Aber ...."
"Nichts aber. Außer Jin erlaubt ich das keinem... " Etwas enttäuscht, aber dennoch damit einverstanden wollte er mich nun von Hinten sehen. Gelangweilt über die Rückenlehne gebeugt starrte ich aus dem Fenster und seufzte laut. "Ey, denkst du zwischen Jin und Evelyn lief mal was? Was ernstes? Sie wirkten so, als würden sie sich richtig gut kennen. Und sie scheint Motorräder genauso zu mögen, wie er."
Felix neigte den Kopf zur Seite und zeichnete weiter bis zur Hüfte. "Mhm ehrlich? Ich denke ja. Also ich kann es mir nicht vorstellen, dass jemand wie Jin mit so einer Frau nichts hatte." Genervt drehte ich mich plötzlich um und auch Felix schien mit der Pause einverstanden zu sein. "Irgendwie hab ich das Gefühl wir haben nichts gemeinsam, außer naja Sex."
"Wieso fragst du nicht ob er auch kommt? Dann können wir später was zusammen machen?" Ich fand Felix Vorschlag eigentlich ganz gut, doch bevor ich Jin schreiben konnte entdeckte ich eine Nachricht, die mir entgangen war. "Mhm? Meine Schwester hat geschrieben." Ich las kurz und fuhr augenblicklich panisch hoch. "Ich muss nach Hause!" Eilig warf ich Felix mein Handy zu und zog ich mich wieder an. "Ist das ihr Ernst? Das Jugendamt? Warte ich fahr."
In meinem Kopf, Brust und Bauch brannte sich die Panik ein. Michelle hatte mir geschrieben, dass es allein meine Schuld wäre, dass gerade eben das Jugendamt bei meiner Familie wäre und die Kinder allesamt mitnehmen möchte. "Da lang.", ich deutete auf einen Feldweg und wusste, dass dieser eine Abkürzung wäre und ausnahmweise fuhr Felix auch Mal nicht nach Vorschrift, sondern mit ordentlich Blei im Fuß.
Kaum waren wir angekommen hörten wir schon das große Chaos im Inneren des Hauses. Mein Vater tobte vor Wut und auch meine älteren Geschwister waren da. "Du! Das ist alles deine Schuld!" Kaum hatte ich das Haus betreten wurde ich von meinem Vater angebrüllt. "Was zum....Was ist los?" Sicherheitshalber hielt ich Felix mit ausgestrecktem Arm auf Abstand und außerhalb vom Haus. Ich hatte viel zu viel Schiss davor, dass auch er etwas abbekommen würde. "Bist du stolz auf dich kleiner Bruder? Kannst du nicht einmal normal sein - nein kann er nicht!", Michelle schubste mich und noch ehe ich antworten konnte wurde ich von einem älteren Mann nach draußen begleitet. "Warte hier okay?", sagte er mir nur und verschwand wieder. "Was ist los?" Alleine und verwirrt stand ich im Garten, als Felix von der Nachbarin zurück zu mir gelaufen kam. Meine Lieblingsoma war voll im Bild und hatte auch ihm alles erklärt. "Omalei da drüber hat erzählt, dass dein Vater seit dem Schulfest nur am rumbrüllen war, man immer etwas scheppern gehört hatte und deine Sachen... Also alles was du noch hier hattest im Garten verbrannt hat. Sie meinte er war so sauer, schrie laut das er 'so jemanden' nicht in seinem Haus will. Andere Nachbarn hatten wohl die Polizei und das Amt angerufen."
Felix sprach so schnell, dass ihm die Puste aus ging und schaute nur noch, japsend nach Luft ringend, in mein versteinertes Gesicht.
"Wieso läuft nur immer alles schief in meinem Leben?" Ich war der Verzweiflung nahe und fragte mich wieso das Leben ausgerechnet so auf mir herum trampeln musste. Wie vielen Prüfungen ich mich noch stellen musste um wenigsten mal ein wenig Ruhe, Frieden und Freude genießen zu können.
"Du bist Lucas, richtig?" Hinter mir tauchte der ältere Mann von zu vor wieder auf. "Also es sieht jetzt so aus, dass wir dir empfehlen würden erst einmal wo anders unter zu kommen."
Besorgt legte er mir die Hand auf sie Schulter und ich bekam das Gefühl, dass diese Menschen gar nicht so schlimm wären. "Und meine Geschwister?"
"Naja zuerst kommen sie mit uns mit und dann schauen wir wo wir sie bald unterbringen können, das sie zusammen bleiben versuchen wir, können es aber nicht versprechen. Nur deine eine Schwester, die kommt in ein Mutter-kind-Heim." Ich war sprachlos und mein ganzes Selbstbewusstsein war verschwunden. "Hey, das ist vielleicht auch ganz gut so." Felix versuchte mich zu trösten und es gelang ihm auch etwas. Ich war kaum in der Lage zu antworten, als Cindy mir entgegen kam. "Lucas! Es tut mir leid, aber Papa hat das Zimmer komplett zertrümmert.", sie weinte bitterlich und riss mich wieder in die Realität. "Macht nichts, ist nicht deine Schuld. Keiner von uns ist schuld!" Ich starrte wütend über sie hinweg und direkt zu meinem Vater, der noch immer im Flur am brüllen war. "Du gehst in dieses Mutter-kind-Heim und alles wird gut, okay? Hör auf die und alles wird besser, alles ist besser, als das hier." Als meine Brüder und Clara kamen wendete ich mich wieder dem Mann zu. "Können meine Brüder ihr Training weiter machen? Das ist wichtig für sie." Er schüttelte den Kopf nur. "Momentan nicht." "Aber..." Er unterbrach mich mit einem "mhm" und Kopfschütteln erneut. "Hören sie meinem Bruder zu! Das ist wichtig!", plötzlich schrie Clara dazwischen und Cindy trat ebenfalls hervor. "Ja. Das dürfen sie nicht verbieten. Nur dank Lucas haben die beide sich gebessert." Beide waren tot ernst und rührten mich. "Wir wollen nicht aufhören.", die Jungs krallten sich an meine Klamotten und waren noch nie so unsicher. Ich war furchtbar stolz auf meine Geschwister, denn zum aller ersten Mal kämpften wir miteinander und für einander. "Okay, wartet kurz."
Irgendwann kam er zurück und lächelte. "Komm am Freitag zu uns in Büro, dann können wir da was machen. Hier meine Kontaktdaten." Das war das letzte was er sagte bevor ich meine jüngeren Geschwister vorerst verabschiedete und zusehen musste wie einer nach dem anderen in einen großen schwarzen Van stieg. Keiner hatte einen Koffer, sondern lediglich eine Tasche und kaum waren sie eingestiegen wurde auch mein jüngster Brüder in seinem Babysafe hinzugesetzt, festgeschnallt und ist am Ende hinter der Tür verschwunden.
Wie in einem Film standen Felix und ich nur da und sahen solange hinterher bis der Van verschwunden war. "Lucas!", plötzlich brüllte Felix und versuchte mich noch bei Seite zu reißen, doch augenblicklich, als ich mich schon umdrehte wo seine panische Aufmerksamkeit her rührte sah ich nur noch das Gesicht meines älteren Bruders wütend auf mich zu stürmen und genau im selben Moment seine Faust auf mich zu rasen. Der Schlag traf mich nicht nur unvorbereitet, sondern auch so heftig, dass ich zu Boden stürzte und vor Schmerz krümmte. Der Geschmack von Blut breitete sich in meinem Mund aus und als ich spuckte war genau jenes auf dem Rasen verteilt. "Komm bloß her.", wütend riss er mich wieder auf die Beine und dafür das er so gut wie nie hier war ließ er gehörig Wut an mir aus. "Nicht doch.", an mir zerrend entriss Felix mich aus seinen Händen und schubste meinen Bruder einen guten Meter weg. Er taumelte und stieß gegen herum liegendes Gerümpel. "Komm schon. Wir fahren. Kommt.", sagte Felix panisch, als er mich zum Auto drängte. Nur noch im Augenwinkel sah ich meinen Bruder nach etwas im Gras suchen. Er hob einen größeren Stein auf und war bereit ihn zu werfen. "Fahr!", brüllte ich aus Leibeskräften, denn mein Bruder fand einen Backstein, lief auf die Straße und warf ihn hinterher, als wir endlich los fuhren. "Hat er uns getroffen?" Felix sah sich um, doch ich warf mich erleichtert zurück in den Sitz. "Nein, ein Glück das der schlecht im zielen ist." Ich zog meinen Pullover hoch und versuchte mein Gesicht zu säubern. Noch konnte man nicht Mal erkennen woher das Blut genau kam. Irgendwie aus Mund und Nase gleichzeitig. "Der Bastard hat ganze Arbeit geleistet. Fuck." Ich schimpfte vor mir her und versuchte den pochenden Schmerz weg zu Atmen. "Ich fahr dich zur Notaufnahme. Die ist nicht weit von hier. Du siehst..... Ich will's ja nett sagen, aber ... Naja was besseres, als du siehst scheisse aus fällt mir gerade nichts ein."
Felix Ehrlichkeit ließ mich tatsächlich lachen, auch wenn das Lachen furchtbar weh tat - aufhalten konnte ich es nicht mehr.
In der Notaufnahme stellte man fest, dass ich einen starken Nasenbeinbruch hatte mit Blutungen unterhalb der Augen, man versorgte mich und so blieb ich allein zurück im Krankenhaus. Trotzdessen das sich Felix gesträubt hatte zu gehen zwang ich ihn fast. Es war nicht nötig, dass er hier warten würde bis ich aus dem OP käme und außerdem empfand ich es auch nicht als nötig meinen Bruder deshalb anzuzeigen, so wie er es immer und immer wieder sagte. "Ihr Freund ist schon weg?", eine nette Schwester kam zusammen mit einem Arzt herein und fing direkt an irgendwas an mir herum zu fummeln. "Mhm?" Ich traute meinen Blut unterlaufen Augen nicht und dachte ich würde halluzinieren. "Sie sind...?" Ich warf einen Blick auf ihr Namesschild. Dick stand der Vorname Evelyn drauf und auch wenn ich sie nur aus der Ferne einmal sah war ich mir sicher genau die richtige erkannt zu haben. "Gleich werden Sie etwas schläfrig. Zählen bitte von 100 rückwärts..."
Ich bekam scheinbar meine Narkose und so fing ich an zu zählen, während ich versuchte sie mir genauer an zu sehen.
Felix hatte Recht - diese Brüste waren wirklich groß und sicherlich auch so weich, dass man seinen Kopf problemlos ausruhen könnten. "...90, 89, 88... Hey, kennen sie Jin?.....85, ...." Eins meiner Augen schloss sich langsam und trotz der Müdigkeit meinte ich sie lächeln und nicken zu sehen. Was sie sagte konnte ich nicht mehr hören, aber ich war sicher das sie es war.

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