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"Handy weg!", flüsterte Felix und erinnerte mich daran, dass es verboten war das Handy nur in die Hand zu nehmen. "Sry, wollte nur etwas nach sehen.", flüsterte ich zurück und steckte es hastig wieder zurück.
Vor uns standen unsere Lehrer auf der Bühne und und hinter ihnen die 6 besten verhüllten Kunstwerke des Abschlussjahrgangs, auch Felix Werk stand dabei und ich war gespannt es zu sehen. Er hatte mir in der ganzen Zeit in der er daran arbeitete nicht einmal nur das kleinste Bisschen gezeigt. "In den letzten Wochen habt ihr hart und viel gelernt, gearbeitet und auch nochmals eine Schippe an Mühe drauf gelegt. Und dieses Jahr war für uns alle sicherlich auch eins der Besondersten." Laut und deutlich sprach der Schuledirektor ins Mikrofon und zog sich nach dem Anfang seiner Ansprache die fein gebügelte Jacke zurecht. "Jeder von euch hat bereits seine Mappe zurück erhalten und ich denke kaum einer kann es noch länger abwarten sie auch endlich öffnen zu dürfen." Felix und ich betrachteten die dicken Mappen in unseren Händen. Gebunden in einer feinen schwarzen Hülle und verschlossen mit dem gold-rot schimmernden Siegel unserer Schule. Es war Tradition dieses Siegel erst bei der heutigen Abschlussfeier zu brechen und uns uns erst dann unsere Ergebnisse an zu sehen. "Aber bevor wir euch das Siegel brechen lassen und euch in die Welt entlassen präsentieren wir, wie jedes Jahr, die besten Arbeiten des Kunstkurses. Skulpturen sind Werke aus Leidenschaft! Werke die hier in unserer Schule ihren Platz finden werden um künftige Generationen zu inspirieren." Der Direktor übertraf sich dieses Jahr selbst mit seiner überschäumenden Begeisterung und drehte sich mit ausgestrecktem Arm um. Dies war das Zeichen für die Sechs Schüler, dessen Skulpturen ausgewählt wurden, auf die Bühne zu kommen.
Sie enthüllten gleichzeitig - doch mein Blick blieb bei Felix. Vor meinen Augen breitete sich mein eigenes Abbild aus. Die Skulptur schien eine Sprungbewegung aus dem Wasser heraus zu machen mit langen Fußspitzen und langem leicht nach hinten gebeugten Rücken die Arme nach Vorne, als würde sie einen unsichtbaren Bogen mit Pfeil halten. Die Figur selbst war aus einem ganz weißem Stein gearbeitet. Die Welle, die den tragenden Fuß bildete, war elegant aus Holz geschnitzt und trug nicht nur die Figur, sondern verdeckte auch gleichzeitig den Intimbereich. Einen Kopf hatte sie nicht, dafür war ich voll und ganz zufrieden wie er meinen Körper ausgearbeitet hatte. Es war eine Art moderne griechische Abbildung wie sie damals ebenfalls kopflos dargestellt wurden. Es war einfach faszinierend zu sehen wie viel Wert er auf kleine Details wie Muttermale oder kleine Narben legte. Anders als gewöhnliche Skulpturen, die steht's symmetrisch waren, stellte er meinen Körper so dar wie er war. So wie jeder Körper eben war und kein Mensch war nunmal perfekt symmetrisch - und genau das machte die Faszination aus.
Das Publikum applaudierte begeistert und die Familien der Schüler zeigten sich mehr als Stolz. Zum Abschluss waren auch Felix Eltern gekommen und trotz dessen das Jin nicht da war saß ich nicht alleine. Neben mir war sein Vater und auch Nastya.
"Dein Freund da oben ist wirklich talentiert?", Jins Vater beugte sich zu mir rüber und deutete auf Felix. "Mhmh ja, er hat bestimmt bestanden. Über meine Leistungen bin ich mir nicht so sicher.", sprach ich leise und sah auf meine Mappe. Ich hatte im vergangenen Monat viel zu wenig gelernt, mehr gearbeitet und mich dann auch noch ständig durch meine Geschwister und Jins Updates auf seinem Instagram ablenken lassen. "Ah wird schon!", versuchte mich Nastya aufzumuntern. "Du hast dein Bestes geben." Sie legte die Hand auf meine Schulter und ich genoss diese Aufmerksamkeit. Beide waren für mich gekommen - Jin war nicht da, sondern bereits vor einem Monat nach L.A. aufgebrochen. Auch er müsste heute online seine Ergebnisse bekommen und ich zweifelte nicht daran, dass er mit guten Ergebnissen bestanden hatte.
"Danke, danke für diese hervorragenden Arbeiten! So und um niemanden mehr länger auf die Folter zu spannen erlöse ich euch.", der Direktor schickte die Sechs wieder auf ihre Plätze und nun war der Moment gekommen auf den wir alle hin gearbeitet hatten. "Ihr dürft eure Siegel brechen und euch erstmals eure Ergebnisse ansehen." Er hatte es kaum ausgesprochen, da brach schon wildes Gefummel und nervöse Hektik aus. Jeder öffnete seine Mappe und unruhige Gespräche fingen sofort an. Auch ich öffnete meine und betrachtete Kurs für Kurs. Es war zufrieden stellend und dennoch war ich etwas enttäuscht. "Hey! Guck nicht so! Das sieht doch ganz passabel aus." Schulterklopfend sah sich nun auch Jins Vater meine Mappe an. "Ja eben nur passabel. Ich hab mehr erwartet, aber es reicht denke ich. Ich meine ich kann damit schon einiges machen oder?" Wieder munterte mich Nastya auf indem sie mich kräftig umarmte. Mit einem Blick um mich herum sah ich das es wohl einige gab denen es nicht so erging und es scheinbar beim Abschluss keinen Reichen-Eltern-Bonus gab. Bei einigen rächte sich ihre Faulheit und auch deren Sozialbewertung schien unterirdischen zu sein - das entnahm ich dem Gemaule eines Mannes, der wenig begeistert war über das Ergebnis seines Sohnes. Andere um mich herum schienen mehr als glücklich und freuten sich gemeinsam mit ihren Familien.

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