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Ich wartete im Zimmer auf Jins Rückkehr und überlegte wann er wieder käme, doch als es mir zu lange dauerte entschloss ich mich kurzerhand selbst nach ihm zu suchen. Die Bücherei war da schon mal eine gute Anlaufstelle um auch noch selbst eigene Bücher zu finden. Dieses Internat bot einem echt viel und deshalb wunderte es einem auch nicht wie riesig die Auswahl auch hier war. Ich entdeckte ein Buch das ich gut gebrauchen könnte, doch als ich drauf zu steuerte wurde ich unsanft von hinten angerämpelt und noch ehe ich mich versah wurde es mir schon weggeschnappt. "Platz da Sozialfall. Was willst du damit? Lass erst mal andere das hier lesen - ist ja eh nur Verschwendung bei dir." Ärgerlich ballte ich die Faust und war bereits dabei mir ein Konter einfallen zu lassen, als ich dabei schon wieder unterbrochen wurde. "Nichts drauf? Lass stecken!", lachend ging er weg und hielt das Buch demonstrativ in die Höhe. "Ah fick dich!"
Wütend schimpfte ich und sah ihm hinterher. Doch lange blieb das nicht so, denn aus dem Flur hörte ich primitive Sprüche der feinsten Sorte gepaart mit 'Ey Baby hast dich verlaufen?' und so sehr wie es mich nervte nicht weg hören zu können ahnte ich schon etwas und konnte genauso wenig nicht hingehen. Ein Blick um die Ecke und ich sah tatsächlich Evelyn im Flur stehen - so wie ich es schon geahnt hatte. Abwehrend hielt sie die Hände vor der Brust und sah unfassbar unsicher aus. "Haut ab ihr schmierigen Lappen. Bäh seit ihr widerlich." Erleichtert mich zu sehen stürmte sie direkt auf mich zu und stellte sich schützend an meine Seite. Halb versteckt hinter meiner Schulter hielt sie sich an meinem Arm fest. "Boah Junge du nervst so sehr." Böse Blicke durchbohrten mich regelrecht. "Ey Schönheit von dem da kannst du nichts erwarten. Der hält lieber den Arsch hin, wenn du verstehst." Irritiert sah sie erst mich an, doch da ich keine Anstalten machte mich nur etwas einschüchtern zu lassen blieb sie stehen und hielt sich noch etwas fester. "Tja und trotzdem laufen die Schönheiten direkt in meine Arme. Mach dir mal Gedanken Junge." Überheblich grinste ich, legte den Arm um Evelyn und führte sie Richtung Ausgang und direkt nach draußen auf den Hof. "Willst du was trinken?", fragte ich sie und deutete auf einen kleinen Automaten der wie einige andere überall platziert wurde. "Ja gerne. Hier sind ja so einige...." Sie suchte sich einen Orangensaft aus und suchte nach dem passenden Wort um den Satz zu beenden, während ihr Blick umher schweifte. "... Idioten, komplett Hirnlose, verwöhnte kleine Nichtsnutze? Mir würde noch so einiges einfallen." Wieder hörte ich ihr Gekicher und ich konnte sie so gar nicht hassen, egal wie sehr sich Jin ihretwegen verhielt. "Du bist doch sicher nicht einfach so hier oder?" Ich deutete auf die große Ausbeulung ihrer Tasche und schon kramte sie darin herum. "Oh ja. Stimmt, ich bin deshalb hier.", Sie zog eine große Dose heraus."Jin wollte dieses Pflegemittel für Leder und ich hab ihm gesagt, dass ich's ihm bringe, wenn's im Shop wieder erhältlich ist." Ich nahm es ihr ab und streifte dabei ihr kleine Hand mit den fein gemachten Gelnägeln. "Hey sag mal. Zwischen dir und Jin, lief da mal was?" Kaum hatte ich das gefragt lächelte sie und warf das Haar verspielt zurück. "Ja, also das ist zwar schon etwas her, aber ja. Also eigentlich hatten wir unser erstes Mal miteinander." Ich schluckte etwas und lief ganz automatisch mit ihr zurück Richtung Parkplätze. "Also eine Beziehung?" Als sie hierbei den Kopf schüttelte war ich dennoch etwas erleichtert. "Nein, lass es eher so etwas wie Freundschaft Plus gewesen sein. Ich hatte ja auf mehr gehofft, aber irgendwie wurde es nichts. Ich hab mich nie getraut ihn zu fragen." In meiner Vorstellung bildeten sich unwillkürlich Bilder und ich wurde auch etwas sauer, dass er einfach kein Wort über Evelyn verlor oder viel eher der Meinung war es würde mich nichts angehen. "Verstehe. Ist das noch immer so? Also würdest du wollen?" Sie nickte und sah mich dann an. "Stimmt das eigentlich, dass du auf Typen stehst? Jin weiß davon? Und magst du ihn?" Genauso neugierig wie ich es war, so war sie es wohl auch. "Ah ja er weiß alles. Er weiß mehr von mir alles jeder andere." Zwischen mir und ihr herrschte eine kurze merkwürdige Stille bis sie diese unterbrach und sich aufs Motorrad schwang. "Wow. Geschmeidig." Verlegen lachte sie und ich fing an sie sogar zu mögen. Ich konnte mir vorstellen, dass Jin auf diesen Typ Frau definitiv stehen würde. "Bis dann! Ich sag Jin das du da warst und geb ihm das hier." Kurz blickte ich hinterher, als sie weg fuhr und wusste absolut nicht einzuordnen wie ich diese Begegnung mit Evelyn ein zu schätzen hätte, genauso wenig wusste ich nicht wieso ich ihr nicht sagte das er mit mir in einer Beziehung war. Es war kein Geheimnis mehr, aber das er daraus ihr Gegenüber wohl doch noch eins machte schien auch mich aufzuhalten. In Gedanken verloren warf ich die Dose immer wieder hoch und fing sie gekonnt wieder auf und kurz vor der nervtötenden Durchsage zur Nachtruhe lief ich schon wieder durch den Flur auf unserem Stockwerk und steuerte unsere Zimmertür an. Davor, wenig überraschend, Jin tief in ein Gespräch mit einigen seiner Freunde vertieft. Offensichtlich unterhielten sie sich übers Boxer. Das könnte man an ihrer Gesten erkennen. Als man mich erblickte kamen die üblichen 'uhö..' Stöhngeräusche und die verdrehten Augen. "Man bin ich froh, dass wir bald fertig sind. Dann müssen wir uns nicht mehr mit dem da abgeben." Ich war wenige überrascht, dass die Toleranz nicht sonderlich lange hielt und auch mein Hochgefühl akzeptiert zu werden war ebenfalls wie erwartet schneller weggeblasen als ich es bei Jins Schwanz je tun könnte. "Echt jetzt? Habt ihr nichts gelernt und ihr beleidigt mich auch damit." Ich war erstaunt über Jins plötzlichen Einwand und auch irgendwie nicht über deren Reaktion. "Chill Bro, dass mein ich doch gar nicht. Aber ey Arm bleibt eben Arm. Egal was der macht 'so eine Familie' wird man nicht los."
Einen Konter zu geben war, zum zweiten Mal heute, nicht mehr möglich, denn da wurden wir alle bereits von einem Lehrer auf Kontrollgang dazu gedrängt endlich unsere Zimmer auf zu suchen.
"Ah hier für dich von Evelyn." Kaum hatte Jin die Tür hinter uns geschlossen warf ich ihm die Dose mit dem Pflegemittel bereits zu. "Was? Sie war hier? Du hast mit ihr gesprochen?", aufgeregt betrachtete er die Dose und kam dann auf mich zum "Ja sie war da und ich hab sie vor diesen Vollidioten gerettet. Nur so neben bei. Ach und ja unterhalten haben wir uns auch." Ich zog mich unbeeindruckt von seinem plötzlichem Interesse um und tat so, als wäre es das normalste der Welt gewesen. Ich startete somit meine kleinen Psychotricks und wartete das er, wie zu erwarten, reagierte. Und ich wurde von meinem erlernten Wissen nicht enttäuscht. Er reagierte nervös und ungehalten. "Ja und?" Weiterhin gleichgültig sah ich ihn kurz an und zog meine Hose aus. "Was ja und? Einfach so unterhalten. Wieso so nervös?" Ich traf genau den richtigen Nerv und auch hier reagierte Jin wie erwartet. Abweisend. "Ich bin nicht nervös! Sag es mir einfach und gut." Mir war bewusst, dass ich bei ihm nicht all zu weit gehen könnte, denn sein strenger Blick und die zusammen gezogen Augenbrauen verrieten das er so langsam sauer wurde. "Nichts besonderes und selbst wenn ich wüsste nicht das ich dir alles erzählen müsste." Ich sah ihn tief einatmen und auf mich zu kommen. "Treib's nicht zu weit." Er packte mich an der Hüfte und zog mich etwas näher ran. "Tzzz schon gut. Die Spaten haben verraten das ich schwul bin und sie wollte wissen ob du's weißt und ich meinte ja - du weißt alles über mich." Ich betrachtete seine Augen und sie flackerten zwischen meinen hin und her. Er wollte so wohl heraus finden ob ich die Wahrheit sage oder nicht. "Mehr nicht?", er fragte weiter nach und ließ seine Hand über meine Haut am Rücken gleiten. "Was noch Lucas?", er flüsterte es in mein Ohr und drehte das Machtspielchen einfach um. Ihm widerstehende schwieg ich und versuchte auch dem Geknabber am Ohrläppchen nicht nach zu geben. "Das ist nicht fair.", japste ich etwas und versuchte mich noch etwas weiter zusammen zu reißen. "Mhm meinst du?" Er wanderte weiter und küsste sich meinen Hals lang. "Lass das ich bin nicht in der Stimmung." Ich machte einen Schritt zurück und wendete mich von ihm ab. "Jetzt komm schon, was hast du nur mit dem Thema." Seine Gleichgültigkeit mit mir nicht alles teilen zu vollen fing an weh zu tun und das sah er auch. "Fein, dann mach ich Mal den ersten Schritt. Hast du ihr gesagt, dass du mit mir in einer Beziehung bist?" Erst brummte er laut auf und schüttelte dann den Kopf. "Nö, wieso auch? Ist das so wichtig?" Ich überlegte kurz was ich dazu sagen sollte und nutze den nächsten Trick - Schuldgefühle. Ich fühlte mich schlecht wegen ihm und das wollte ich mit ihm teilen. "Willst du es etwa nicht sagen? Schämst du dich für mich?" Er stöhnte laut auf und setzte sich genervt aufs Bett, streifte sich die Schuhe ab und warf sie achtlos in die nächste Ecke. "Nein..." Vollständig entnervt von meinem Blick schien er einzuknicken.
"Ich wette du weißt doch schon bescheid. Sie hat es dir doch so schon gesagt... Ja okay, ja wir hatten mehr als nur einmal etwas miteinander. Aber ich sagte dir ja schon mal ich hatte keine Beziehung vor dir."
"Sie sagte das auch. Und das sie damals mehr wollte." Als ich das erwähnte blickte er mir schlagartig in die Augen und schien selbst überrascht zu sein. "Nicht gewusst?" Energisch schüttelte er den Kopf und schien in sich hinein zu fluchen . "Kann es sein das es dir damals genau so ging?", fragte ich und setzte mich auf die andere Ecke von Bett und wandte ihm den Rücken zu. Ich setzte zu meinem Finalen Trick an. Ich erhoffte das er ehrlich sein könnte, wenn er mir nicht direkt ins Gesicht sehen würde. "Damals ja - hab mich nur nicht getraut." Als er anfing sich für die Nacht um zu ziehen wirkte es so, dass er es mit viel mehr Schwung tat, als gewöhnlich. "Gut jetzt mit der Therapie! Vergangen ist vergangen und jetzt gibt endlich Ruhe." Ich ließ den Kopf hängen und fummelte am Verband meiner Nase herum. Ich tat mir versehentlich weh und meine Augen fingen an zu tränen. "Gibst du mir meine Tabletten?" Immer noch bockig warf er mir die Packung einfach hin und legte sich der Länge nach unter sie Decke. "Hör auf mir die Schuld an der Situation zu geben. Gib sie Max oder dir selbst. Immerhin hast du versucht vor mir geheim zu halten, dass du was mit ihr hattest und noch immer was empfindest." Schlagartig erhob er sich und riss mich an der Schulter zurück. "Erzähl keinen Scheiss! Ich hab keine Gefühle mehr für sie. Ich bin mit dir zusammen. Was soll das? Wie kommst du darauf?" Ich schluckte ohne etwa zu trinken die Tablette herunter und sah ihm intensiv in die Augen. "Selbst ich finde sie super nett, hübsch und niedlich. Felix hat sie gesehen und fast gesabbert. Und deine Reaktion, dein Verhalten? Erzähl mir doch nichts." Ich atmete tief auf und war tatsächlich traurig und verletzt. "Ich würde wirklich lügen, wenn ich leugnen würde damals eine Beziehung gewollt zu haben, aber das war damals, okay? Ich mag sie und ja sie ist süß, aber nicht mehr." Ich ließ ihn meine Wange vorsichtig streicheln und genoss seine Berührungen und liebte dieses raue Gefühl seiner Handfläche. "Wirklich?", ich legte mein Gesicht noch etwas mehr in seine Hand und schloss die Augen. "Sag ihr das wir zusammen sind. Ich hab's nicht getan." Als ich die Augen wieder öffnete sah ich ihn herunter blicken und mit seinen eigenen Gedanken hadern. "Bei der nächsten Gelegenheit. Okay?" Ich war wenig überzeugt, nickte aber dennoch. Ich wollte mich mit ihm nicht weiter streiten und eigentlich nur wieder mit ihm zurück in unsere kleine Blase, hier in diesen vier Wänden und die Liebe zwischen uns genießen. "Okay." Trotz meiner Zweifel wollte ich ihm glauben und vertrauen. Bei genaueren betrachten wurde mir klar, dass ich nur noch ihn und Felix hatte. Ohne die beiden würde ich wieder alleine sein, so wie früher. Umgeben von so vielen Menschen und dennoch alleine - doch genau das wollte ich nicht mehr. Ich wollte nicht mehr alleine sein und war bereit meine Zweifel zu ignorieren. "Komm her.", Jin befahl und ich folgte ihm. "Ich hab kein Bock mehr über Evelyn zu sprechen. Lass uns schlafen.", Jin packte mich und schon lag ich mit ihm im Bett und genoss es, dass er sich von hinten fest an mich drückte. "Pass auf, dass du dir deine Nase nicht noch mehr verletzt. Du kannst nicht unendlich viele Tabletten nehmen." Ich wollte mich umdrehen, doch Jin hielt mich so fest, dass ich mich gar nicht mehr bewegen konnte.

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