Ein bestimmter Tag X

Schmerzfrei und andere Nebenwirkungen

Er hielt mir seine Hand unter die Nase und ich konnte eine kleine, türkise Kapsel darin hervorblitzen sehen.
,,Nein, sowas mach ich nicht."
,,Psst. Warte doch mal, Alexis. Das ist nicht was du denkst." ,,Das sieht aber stark danach aus." erwiderte ich.
,,Es ist ein Schmerz-Hemmer. Sie nennen es auch MCSH. Es bewirkt, dass dein Körper die Wirkung von klassischen Schmerzen und K.O.- Treffern beim Zweikampf hemmt und du so länger durchhalten kannst." ,, Also Doping." stellte Lara fest.
,,Ja, nenn es wie du willst. Aber es wird Alexis vor den Fraktionslosen beschützen." ,,Wenn das raus kommt, bin ich direkt geliefert, Evan." Ich seufzte. ,,Das bist du so oder so. Wie groß ist denn die Chance, dass du es drei Tage lang im Zweikampf ohne K.O. schaffst?"

Nachdenklich wiegte ich meinen Kopf hin und her. ,,Hat es Nebenwirkungen?" ,, Natürlich. Ich machs kurz: Aggressivität, eine erhöhte Libido, Hitzewallungen und Muskelkrämpfe. Das sind zumindest die, die am häufigsten aufgetreten sind."
In meiner Kehle steckte plötzlich ein Kloß. ,,Wenn ich das überlebe, schulde ich dir was." ,,Ich denk mir was schönes für dich aus." grinste Evan. ,,Ah ja, eines noch: nimm die direkt vorm Training und ganz wichtig: nur eine pro Tag. Wenn du mehr nimmst, werden die Nebenwirkungen nicht kontrollierbar und man kann nicht genau sagen, bei welchem Organismus was wie stark auftritt." Ich nickte wie benommen.

In mir tobte ein wahrer Entscheidungssturm. Nahm ich die Kapsel nicht, wanderte ich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu den Fraktionslosen. Nahm ich sie doch, wurde entweder alles gut oder ich war direkt fraktionslos.
Eigentlich gab es nur eine Chance!

Mit flauem Magen griff ich nach der Kapsel und schlang sie herunter.
,,Wünscht mir Glück." sagte ich trocken zu Evan und Lara und stand vom Bett auf, um in die Trainingshalle zu gehen.

Die Faust traf mich hart am Kinn. So hart, dass ich das Klackern meiner Zähne hörte, als sie aufeinander schlugen und das Ächzen der Kieferknochen die die Wucht des Schlages abfingen.
,,Raaaar!" schrie ich und war überrascht über meine eigene Kraft, als ich meinen Gegner zurück schubste. Ich spürte keinen Schmerz. Nur ein dumpfes Pochen und eine Schwere an der Stelle, an der ich getroffen worden war. Der fehlende Schmerz jedoch gab mir ein ungewohnt gutes Gefühl und ich war völlig klar. Ein geballter Hieb traf meinen Gegner in die Seite und ließ ihn kurz einknicken. Danach steckte ich wiederum zwei weitere Schläge an Knie und Bauch ein. Es fiel mir verdammt schwer, es so aussehen zu lassen als hätte ich Schmerzen.
Zwar half das schwere Gefühl ein wenig um sich bewusst zu machen, wo man gerade getroffen worden war. Aber es musste für alle Außenstehenden unverkennbar klar zu sehen sein, wie stark ich mich in kurzer Zeit verbessert hatte.
[Lass dich mehr zusammen schlagen] zischte die Stimme in meinem Kopf. [Du sollst nicht gewinnen,aber auch nicht zu Boden gehen]

Der nächste Hieb traf mich unvorbereitet am Schienbein und ich taumelte, weil ich den Halt verloren hatte. [NEIN!] schrie meine innere Stimme panisch, dann fing ich mich und trat mit dem Bein, das eben noch in der Luft gehangen hatte, blitzschnell zu.

,,Ich fass es nicht. Die hat gewonnen?!?"

Fenjas Stimme durchschnitt die überraschte Stille als Erstes.
Eric, der vom Rand des Kampf-Rings zugesehen hatte, hob eine Augenbraue.
,,Glück kann jeder mal haben." sagte er eisig und Fenja warf ihm einen Blick zu, der nur allzu eindeutig verriet was sie gerade dachte. Eric ignorierte sie und schickte die nächsten zwei in den Ring. ,,Wow." flüsterte ich an Evan gewandt. ,,Du hast wirklich etwas gut bei mir."

Nach dem Zweikampf- Training hatten wir Schießübungen und Klettertraining. Beim Schießen war ich relativ gut. Das Klettern fiel mir nicht so leicht, aber auch das bestand ich ohne Fehler. Mir entging währenddessen jedoch nicht, dass Eric mich hin und wieder argwöhnisch beobachtete und ich befürchtete schon, dass er Verdacht geschöpft hatte.

Um einer Konfrontation aus dem Weg zu gehen und Zeit für eine gute Erklärung zu schinden, verschwand ich blitzschnell unter der Dusche in unserem Lager.
[Wer sich diese beschissen Gemeinschaftsduschen ausgedacht hat] Entnervt und möglichst unauffällig wickelte ich mein Handtuch von meinem entkleideten Körper. Ich war natürlich nicht die Einzige in der Dusche.
Und da Männer und Frauen gemischt waren, konnte man sich neugierigen Blicken unmöglich entziehen. Ich wollte lieber gar nicht erst zu den Jungs herüber linsen, um zu sehen, wer auf welches Mädchen stand und was sie mit ihren Blicken alles anstellten. Auf einmal wurde mir glühend heiß. So heiß, dass ich das Gefühl hatte, mein Körper wäre ein Vulkan. Ich drehte automatisch das Wasser kälter und beeilte mich. [Sind das die Nebenwirkungen?] schoss es mir durch den Kopf. [Na gut, mit ein paar Hitzeschüben kann ich leben].

Nachdem ich mir das Duschgel abgewaschen hatte und mich wieder ins Handtuch wickelte, schoss ein heißer Pfeil von meinem Kopf durch meinen Körper bis in den Unterleib. Es war ein angenehmes Gefühl und nur mit Mühe unterdrückte ich ein Keuchen. Evan hatte doch die Nebenwirkungen aufgezählt....was war das noch: Aggressivität, Hitzeschübe und....? Mir stockte der Atem. Erhöhte Libido? Moment...das hieß doch nicht etwa?