Vorahnung

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Auf dem Absatz drehte ich mich um, doch es war zu spät. Ein angelehntes Fenster war durch den Windstoß aufgegangen, hatte die langen Vorhänge mitgerissen, die die Kerze vom Tisch fegten, direkt auf den Teppich. Binnen Sekunden stand er lichterloh in Flammen. Das Feuer streckte sich gierig nach den Vorhängen aus und zerstörten meine Hoffnung, den Brand noch löschen zu können. Panisch suchte ich den Raum nach einer Decke ab, dann rannte ich los ins Bad um einen Eimer Wasser zu holen. [Ich muss meine Eltern retten. Wir müssen raus aus dem Haus!]
Meine Gedanken überschlugen sich. [Vielleicht schaffe ich noch, den Brand zu löschen.]
Hastig griff ich nach einem Putzeimer, der hinter der Badtür neben der Toilette stand. Ich hievte ihn unter den Wasserhahn am Waschbecken und drehte das Wasser voll auf. Es ging nicht schnell genug. Ein Blick auf den Flur offenbarte mir eine dicke, schwarze, dichte Rauchwolke. ,,RAUS HIER!" brüllte ich, so laut ich konnte. ,,RAUS!"

Ich schmiss den Eimer zu Boden und rannte los, die Treppe herunter ins Erdgeschoss. ,,MOM! DAD!" Als Antwort auf mein Rufen ging im oberen Stockwerk eine Tür auf. ,,Nein!" schrie ich verzweifelt. Kaum hatte ich einen Fuß auf der Treppe, hörte ich Moms entsetzte Schreie. Ich raste die Stufen hoch und konnte nur noch hilflos zusehen, wie meine Eltern sich umgeben von lodernden Flammen weinend in den Armen hielten. Dann wurde das Feuer zu einer undurchdringlichen Wand, die mich von ihnen trennte.
Adrenalin schoss durch meinen Körper, doch der Flur unseres Hauses verschwand und wurde zu einem der vielen Gänge aus dem Feroxlager.
Mein Herz schlug wie wild gegen meine Brust und Schweiß tropfte mir von der Stirn. Noch immer unter Schock von dem verheerenden Feuer zögerte ich einige Sekunden, bevor ich mich langsam durch den Gang voran tastete. Stimmenfetzen drangen wie durch Watte an mein Ohr, wurden lauter und lauter, je weiter ich den Gang entlang lief.
Als der Gang einen Knick nach links machte, blieb ich stehen. Ich kannte die Stimmen. ,,Und was wirst du dann tun?" ,,Es allen sagen. Nur du und ich. Und niemand sonst." Der Schmerz in meiner Brust stieg empor wie die Flammen zuvor am Vorhang. Ich hielt die Luft an und streckte meinen Kopf, um um die Ecke schauen zu können. Eric und Fenja standen eng umschlungen mitten im Gang und küssten sich leidenschaftlich. Dann hielt Eric plötzlich inne, drehte sein Gesicht zu mir und lachte verächtlich. Fenja stimmte in sein Lachen mit ein, zog eine Waffe und schoss auf mich. Überwältigt vom Schmerz stolperte ich zurück.
[Luft!] ächzte mein Gehirn panisch. Eine bleierne, eiskalte Schwere legte sich auf meine Lunge. Hilflos ruderte ich mit den Armen. Das Gefühl zu Fallen breitete sich langsam in mir aus und als ich an mir herunter blickte, sah ich einen roten Strom, der aus einem Einschussloch in meiner Brust floss. Während ich mühsam immer wieder nach Luft schnappte, trat ich ein paar Schritte zurück - ins Leere. Ein schwarzer Vorhang schob sich unerbittlich langsam vor meine Augen. Es war vorbei. Der Tod fühlte sich seltsam leicht an und ich hatte immer geglaubt, der körperliche Schmerz wäre kaum auszuhalten. Aber ich spürte nichts.

Meine Füße berührten etwas Kaltes, doch ich wagte nicht, den Blick nach unten zu senken. Ich hatte meine Augen fest zusammen gekniffen, in der Hoffnung, es einfach schnell vorbei gehen zu lassen. Stattdessen hüllte die Kälte meinen gesamten Körper nach und nach ein und meine Arme versanken in ...Wasser!

Ich riss meinen Kopf hoch und schnappte hektisch nach Luft, ehe mein Kopf unter einer spiegelglatten Oberfläche verschwand.
Unter meinen Füßen war das Wasser dunkelblau, fast schwarz. Es musste tief nach unten gehen und die Dunkelheit verunsicherte mich. Ich nahm ein paar kräftige Züge und versuchte, nicht darüber nachzudenken, was wohl da unten auf mich lauern könnte. Bevor mir die Luft ausging, stemmte ich meinen Körper nach oben, um wieder an die Oberfläche zu kommen. Mit einem lauten Plätschern tauchte ich auf und schnappte gierig nach Sauerstoff. Ein kurzer Blick auf die Stelle, an der die Schusswunde hätte sein müssen, verunsicherte mich zutiefst. War ich tot? Und das hier sowas wie der Himmel? Oder befand ich mich in einer Art Zwischenwelt?

Direkt vor mir schwamm etwas großes, schweres im Wasser. Ich brauchte ein paar Sekunden, um die Konturen zu erkennen. War das ein Mensch?
Ich schwamm vorsichtig näher und mir wurde augenblicklich schlecht. Das war ein Mensch. Aber ein Toter. Und noch dazu ziemlich entstellt. Angeekelt schob ich den Toten von mir weg, da berührte mich etwas sacht am Rücken. Mit klopfendem Herzen drehte ich mich um. Da war noch ein Toter. Ein ganzer Haufen. Und sie alle trugen Feroxanzüge und waren furchtbar entstellt. Ich wollte weg schwimmen, doch die Toten waren plötzlich überall im Wasser und schlossen mich ein. Ich schrie, als sie immer näher trieben und mich einkesselten. Einer der Toten wurde plötzlich lebendig und griff nach meiner Schulter. Ich schlug nach ihm, nach seinem Arm und riss die Augen auf. Da wurde ich wach.

Eric saß neben mir und starrte auf einen Bildschirm. Mühsam schluckte ich, während mir kalter Schweiß von der Stirn rann. ,,Du bist zeitlich ganz okay. Alles in Ordnung soweit?" Ich schüttelte stumm den Kopf und rutschte langsam von der Liege, um aufzustehen. ,,Alexis..." Erics Stimme klang ungewohnt sanft und trotzdem distanziert. Ich musste hier raus!
Taumelnd riss ich die Tür auf und flüsterte eher, als das ich rief. ,,Der Nächste." Das Bild von den toten Ferox ließ mich nicht los. Und in mir wuchs eine unbestimmte Ahnung, dass irgendetwas davon weder mit dem was ich erlebt hatte, noch mit einer unrealen Angst von mir zu tun hatte.

Es fühlte sich eher wie eine düstere Vorahnung an.

Ein bestimmter Tag XWo Geschichten leben. Entdecke jetzt