Erzfeinde

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Das Chaos zwischen mir und Eric hatte sich weder aufgelöst, noch wusste ich in irgendeiner Weise, wie ich damit umgehen sollte. Calys Angebot, sie auf einen Kurztrip in die Innenstadt zu begleiten erschien mir die beste Lösung um vorerst auf andere Gedanken zu kommen. Nur hatte ich nicht mit Lara gesprochen. Allerdings wusste ich schon, was sie mir bezüglich Eric raten würde und es war durchaus abzusehen, dass sie ihre Meinung nicht änderte.
,,Fuck." murmelte ich leise.
Was wollte ich eigentlich?

,,Hast du dich doch raus getraut?" Caly lächelte, als ich das Studio wieder betrat und griff nach einer kleinen Tasche. ,,Ja. War ne dumme Idee." kommentierte ich trocken und blieb vor der Theke stehen. ,,Soll ich auch irgendwas nehmen?" Sie schüttelte den Kopf. ,,Erst wenn wir in der Stadt sind. Da holen wir ein paar Kisten ab." Ich folgte ihr aus dem Studio durch die Gänge bis auf das Außengelände. Dort stand ein kleiner Geländewagen mit Ladefläche. Ich stieg auf der Beifahrerseite ein, während Caly sich hinters Steuer setzte und den Motor startete. ,,Los geht's."

Wir fuhren nicht sehr lang. Ich hatte meinen Kopf innen an die Autoscheibe gelegt und sah aus dem Fenster in das rege Treiben draußen auf der Straße. Caly hielt am Bordstein neben einem Café. Direkt gegenüber von dem Café befand sich eine Art große Lagerhalle, bei der nicht sofort ersichtlich schien, was dort untergebracht war. ,,Ich muss kurz dort rüber. Am besten, du wartest hier, okay?" Ich nickte. Nachdem Caly ausgestiegen und in dem Gebäude auf der anderen Seite verschwunden war, sah ich wieder aus den Fenster. Mit gemischten Gefühlen betrachtete ich eine Gruppe Candor, die am Auto vorbei lief.
Wie sehr hatte ich die schwarz-weiße Kleidung immer gehasst. Vor allem, weil es doch so viele Nuancen dazwischen gab. Mir lag nichts ferner als nur in zwei Extremen zu leben. Auf einmal wurde ich wütend auf meine Eltern, die mich jahrelang gezwungen hatten, einem Ideal nachzueifern, in das ich niemals passen konnte, passen wollte. Ich wusste, dass die Einteilung in Kategorien den Menschen Sicherheit gab. Es klang überheblich, aber ich fühlte mich besser damit, diesem für mich bedeutungslosen Funktionieren einen wenigstens für andere hilfreichen Stempel aufzudrücken.

Ein helles Aufblitzen riss mich aus den Gedanken. Aus den Augenwinkeln hatte ich zwischen all dem Schwarz und Weiß einen gelben Zipfel gesehen. Zumindest glaubte ich das. Angestrengt starrte ich auf die Fußgänger-Gasse.
Zwei bis drei Ecken weiter verschwand ein in Anzug gekleideter Mann hinter einer Hauswand. Kurz bevor er aus meinem Blickwinkel verschwand, drehte er seinen Kopf und blickte verstohlen in alle Richtungen. ,,Pa..."

Mir blieben die Worte im Hals stecken, als mein Vater wieder hinter der Hauswand auftauchte, eine fremde Frau in seinen Armen. Er hatte sie in einen weißen Umhang gewickelt, unter dem durch die Bewegung ein gelbes Stück Stoff hervorblitzte. ,,Papa?" brüllte ich durchs Auto und schlug mir erschrocken die Hand vor den Mund. Eisig klamm kroch ein raues Schmerzgefühl in meiner Brust hoch, legte sich gierig um mein Herz und drückte mit aller Gewalt zu.

Ich hatte zwar geahnt, dass meine Eltern sich bald trennen würden - aber dass mein Vater bereits eine neue Frau an seiner Seite hatte, brachte mich völlig aus der Fassung. Und es machte mich so wütend. Was war mit Mom? Saß sie jetzt weinend zuhause im Wohnzimmer, während er hier mit seiner Flamme spazieren ging? Ausgerechnet eine Amite! Hatte er uns etwa die ganze Zeit belogen?

Mit klopfendem Herzen sah ich die beiden vom Autofenster aus vorbei laufen. Nur mit Mühe konnte ich mir verkneifen, gegen das Glas zu hämmern, die Tür aufzureißen und meinen Vater zur Rede zu stellen. Aber dann hätte ich die gesamte Aufmerksamkeit auf uns gezogen und obwohl ich wütend war, wollte ich meinem Dad nicht nachhaltig schaden. Da die Candor und die Amite die ärgsten Feinde waren, würde das Verhältnis meines Vaters zu dieser Frau Wellen schlagen, deren Reichweite ich nicht abschätzen konnte.

Ein Klappen ließ mich erschrocken herum fahren. ,, Alles gut?" fragte Caly, die neben mir auf den Sitz geplumst war, während sie die Schlüssel im Zündschloss herum drehte. ,,Du siehst blass aus." ,,Mir ist nur etwas schlecht." murmelte ich rasch und rang mir ein Lächeln ab.


Ein bestimmter Tag XWo Geschichten leben. Entdecke jetzt