Kapitel 17: Spiel

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Es war Kamiya, die ihr am nächsten Abend erzählte, dass ein Schüler mitten in der Nacht unbekleidet vor dem Wohnhaus gestanden hatte. Das wäre zwar zu jeder beliebigen Jahreszeit ein Skandal gewesen, aber die Tatsache, dass sich jemand Ende November nackt ins Freie traute, schien für Kasasagis Mitbewohnerin besonders nervenaufreibend zu sein.

»Was treibt einen nur dazu, sich bei diesen Temperaturen nackt auszuziehen? Und das auch noch auf dem Schulgelände.« Sie schüttelte bei der Vorstellung den Kopf und rieb sich über die Arme, als würde der Gedanke allein sie frösteln lassen.

»Alkohol?«, fragte Kasasagi und gab sich Mühe, unbehelligt zu klingen. Niemand außer Iwasaki, Tendou und ihr selbst wusste, was ihn wirklich dazu bewegt hatte. Und Iwasaki wusste nicht, wer unter der Maske gesteckt hatte. Gedankenverloren sah Kasasagi auf ihre Hände hinab. Ihre Finger schlossen sich um das Heft eines Messers, das nicht da war.

»Ich weiß nicht«, sagte Kamiya skeptisch, »Angeblich hat er den Lehrer geschlagen, der ihn erwischt hat. Das klingt für mich schon nach harten Drogen.«

Kasasagi war sich nicht sicher, wie viel an dieser Geschichte dran war. Würde Iwasaki sich tatsächlich trauen, einen Lehrer zu schlagen? Wenn das tatsächlich stimmte, würde Papi wahrscheinlich das Schmiergeld erhöhen müssen, damit sein Sohnemann nicht der Schule verwiesen wurde. Oder aber, und Kasasagi wusste nicht, was sie mit diesem Gedanken anfangen sollte, die Lehrer waren der Schulleitung genauso egal wie die Schüler.

»Was weißt du schon von harten Drogen?«, fragte sie Kamiya, weil sie das aus der dunklen Gedankenspirale holte, in die sie zu rutschen drohte.

Mit übereinandergeschlagenen Beinen saß die Zweitklässlerin auf ihrem Drehstuhl und erwiderte ihren Blick aufmüpfig. »Ich weiß genug, um die Finger von ihnen zu lassen.«

Kasasagi hob die Augenbrauen: »Ich hatte nicht vor, dir welche zu verkaufen.«

»Haha«, erwiderte Kamiya humorlos. Sie verschränkte die Arme vor der Brust, ehe sie fortfuhr: »Mal ehrlich, wie viel muss man trinken, um sich bei diesen Temperaturen nackt auszuziehen? Auf dem Schulgelände. Bevor ich so einen Pegel erreiche, liege ich doch mit einer Alkoholvergiftung im Krankenhaus.«

»Was weiß ich?«, wehrte Kasasagi ab. »Es ist ja nicht so, dass ich damit Erfahrung hätte.«

Zumindest hatte sie sich unter Alkoholeinfluss noch nie vor mehr als einer Person ausgezogen, aber darüber wollte sie im Moment nicht nachdenken. Dass sie mit Tendou geschlafen hatte, wühlte ihre Gedanken schon genug auf, da brauchte sie nicht auch noch an Daiju denken.

»Mit Alkohol generell oder Ausziehen im speziellen?«, hakte Kamiya grinsend nach. Sie sah schon wieder so aus, als wüsste sie mehr als sie sollte. Dabei konnte sie unmöglich wissen, wie Kasasagi ihre Nacht verbracht hatte.

»Beidem«, log Kasasagi.

Kamiya rümpfte zwar zweifelnd die Nase, widersprach aber nicht. Für einen Moment glitt ihr Blick zu dem Fenster, durch das man nur Dunkelheit und wenn man sich anstrengte einige Schemen erkennen konnte. Kasasagi folgte ihm. Für die Nacht war Schnee angekündigt worden und obwohl Kasasagi die Kälte hasste, hoffte sie, dass er bis zum Morgen liegenbleiben würde. Chigasaki hatte immer blau ausgesehen, wenn es schneite. Als wäre das Meer bis in die Straßen hineingelaufen und von dort in den Himmel. In Tokyo dagegen verlor der Schnee seine Schönheit, sobald er den Boden berührte – wurde matschig und grau. An der Shiratorizawa hatte sie noch nie Schnee gesehen.

»Meinst du, der Typ wollte gesehen werden?«

»Wie bitte?«, fragte Kasasagi perplex, als sie aus ihren Gedanken gerissen wurde.

Baki Baki [Tendou Satori, Haikyuu!]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt