Sie bewegte sich fernab der gängigen Fußwege – und damit auch der Straßenlaternen, die die Wege zwischen den Gebäuden säumten und auch zu nächtlicher Stunde noch einen warmen Lichtschein verströmten. Obwohl sie schon vor mehreren Biegungen sicher gewesen war, nicht von Iwasaki verfolgt zu werden, hielt sie bei jedem leisen Geräusch, das ihre Schritte auf dem feuchten Gras hinterließen, den Atem an.
Noch immer schränkte die Maske ihr Sichtfeld ein, aber sie hatte sich bislang nicht getraut, sie abzunehmen. Als Tendou sie ihr gegeben hatte, war es ihr albern vorgekommen - sie hätte etwas Praktischeres bevorzugt – aber jetzt war sie froh, ihre Angst hinter dem weißen Plastik verstecken zu können.
Jetzt gab es kein Zurück mehr.
Ganz gleich wie sehr sie es bereuen würde, sie hatte jemandem ein Messer an den Hals gehalten (wenn auch kein echtes), ihn bedroht und dann nackt vor dem Wohnhaus der Shiratorizawa stehen gelassen. Dafür würde sie definitiv ihr Stipendium verlieren. Seltsamerweise schreckte sie die Aussicht jedoch nicht, vielmehr ließ die Vorstellung eine haarsträubende Gelassenheit in ihr aufsteigen.
Sie würde es wieder tun. Für diesen leisen Anflug von Angst in seiner Stimme, als er ihr gedroht hatte.
Bis sie vor dem kleinen Gebäude am Rand der Sporthallen ankam, in dem die Sportclubs der Shiratorizawa untergebracht waren, verging eine Ewigkeit. Normalerweise brauchte man zu Fuß keine zehn Minuten, nicht mal, wenn man trödelte, aber mit all den Umwegen und im Dunkeln hatte es viel länger gedauert. Und es war ihr noch länger vorgekommen. Wahrscheinlich war Tendou inzwischen halb wahnsinnig geworden.
Er war derjenige, der dafür verantwortlich war, dass die Lichter im Haupthaus angegangen waren und falls alles gut gelaufen war, auch dafür, dass einer der Lehrer den nackten Iwasaki nur mit einer Mütze bekleidet draußen vorgefunden hatte. Sie hatte keine Ahnung, wie genau er es angestellt hatte und auf ihre Nachfrage hatte er sich in geheimniskrämerisches Schweigen gehüllt, aber Tendou zu vertrauen war an diesem ganzen hirnrissigen Plan das leichteste gewesen.
Alles, was jetzt passierte, lag außerhalb ihrer Macht.
Sie blies einen Schwall kalte Luft durch die Nase aus. Ein paar Stunden, dann würde sie es erfahren. Die meisten der Privatschüler hielten sich zwar für besonders elitär, aber sie waren sich nicht zu schade für Klatsch und Tratsch. Bis dahin würde sich allerdings wohl oder übel in Geduld üben müssen.
Stumm schritt sie an den Türen vorbei, die im Halbschatten beinahe mit der Hauswand verschmolzen, bis sie schließlich vor der richtigen stand und insgesamt fünfmal kaum hörbar mit den Knöcheln dagegenklopfte. Sie zählte die Sekunden, bis Tendou endlich die Tür aufriss und sie hastig hineinzog.
Obwohl ihre Augen an die Dunkelheit gewöhnt waren, raubte die Lichtlosigkeit im Clubraum der Volleyballer ihr die Sicht. Dafür roch es umso intensiver nach Schweiß, Männerdeo und pubertierenden Jungs.
Kasasagi rümpfte unter der Maske die Nase.
Und weil sie genau wusste, das Tendou etwas sagen würde, dass sich viel zu sehr nach Besorgnis anhören würde und sie auf keinen Fall hören wollte, dass er sich Sorgen gemacht hatte, sagte sie im Flüsterton: »Hier stinkt es.«
Als erstes streifte sie die Handschuhe ab, ehe sie die Bänder an ihrem Hinterkopf löste und die Tarnung zur Seite legte. Leise atmete sie auf. Dann öffnete sie den viel zu straffen Knoten, zu dem sie ihre Haare gebunden hatte. Ihre Finger zitterten noch immer.
»Nächstes Mal lasse ich das Versteck vorher für dich reinigen.«
Auch Tendou hatte die Stimme gesenkt – nur für den Fall, dass draußen jemand nach einer Verrückten mit Kitsunemaske und Messer suchte. Der Clubraum war ohnehin nicht ihre erste Wahl gewesen, weil es nur einen einzigen Ein- und Ausgang gab und sie im Fall der Fälle hier festsitzen würden. Aber seit Mittwoch war nicht genug Zeit geblieben, eine Alternative zu finden und letztendlich war es die einfachste Lösung.
DU LIEST GERADE
Baki Baki [Tendou Satori, Haikyuu!]
Fanfiction»Wenn es etwas gab, das Kasasagi in ihren dunkelsten Nächten wachhielt, dann die Aussicht, sich vor jemand anderem als sich selbst für ihr Handeln verantworten zu müssen. Und jetzt gab es jemanden und er trug ausgerechnet die Schuluniform der Shirat...