Nachdem sie den Donnerstag vornehmlich im Bett verbracht hatte und Kamiya gegen Abend endlich davon überzeugt hatte, dass sie die Nacht sehr wohl in ihrem gemeinsamen Zimmer geschlafen hatte, fühlte sich der Freitag beinahe wieder nach Normalität an.
Normalerweise bestanden ihre Wochenenden darin, zur Arbeit zu gehen, das ein oder andere Portemonnaie zu plündern und die Schularbeiten der vergangenen Tage abzuarbeiten. Diese Woche sahen ihre Pläne jedoch anders aus und das lag nicht nur an den bevorstehenden Ferien.
Sie versuchte, nicht zu viel darüber nachzudenken, weil es ein unruhiges Zappeln in ihr auslöste, das sie am Freitag den ganzen Tag mit dem Bein wippen ließ. Zumindest, bis ihr der Lehrer einen unmissverständlichen Blick zuwarf und sie sich am Riemen riss.
Es war auch dieser letzte Freitag vor den Ferien - mehr als eine Woche, seitdem sie die Rätselbox gestohlen hatte - als Iwasaki ihr Fehlen bemerkte. Obwohl sie ihn nur flüchtig im Schulflur erspähte, erkannte sie, dass sich etwas verändert hatte. Sie konnte es zuerst nicht genau benennen, doch es umgab ihn wie eine Gewitterwolke.
Und schließlich, weil sie genau darauf achtete, erkannte sie auch, was anders war. Eine schmale Falte hatte sich zwischen seine buschigen Brauen gegraben und seine Augen sprühten kalte Funken. Fehlten nur noch gebleckte Zähne und er hätte einem in die Ecke gedrängten Tier alle Ehre gemacht. Kasasagi nahm es mit grimmiger Genugtuung zur Kenntnis.
Gut, er sollte sich fürchten. Er sollte sich wenigstens so beschissen fühlen, wie es seine Opfer getan hatten.
Als sie Tendou gefragt hatte, wie weit er gehen würde, war sie selbst unentschlossen gewesen. Aber während er ihr noch immer eine Antwort schuldig war, hatte sie sich inzwischen entschieden. Es mochte scheinheilig sein, aber sie würde alle Hebel in Bewegung setzen, damit Iwasaki bekam, was er verdiente. Vielleicht war das sogar ihre Chance, einige ihrer eigenen Fehler wieder gutzumachen.
In der Mittagspause sah sie zu, wie er die Erstklässler aus dem Weg schubste, die sich versehentlich in seinem Weg befanden. Sein Zorn ließ die Luft um ihn erbeben. Kasasagi hatte nicht schlecht Lust, sich ihm in den Weg zu stellen und ihm kräftig gegen das Schienbein zu treten. Aber das machte sie natürlich nicht.
Wenn sie ihn zu Fall bringen wollten, durfte er es nicht kommen sehen. Sie mussten sich von hinten anschleichen und ihn über die Klippe stoßen. Wer wusste schon, ob es sonst nicht womöglich er wäre, der sie zuerst stieß.
Sie dachte daran, wie Masako sie zuletzt angesehen hatte – da war so viel Hass gewesen, nicht einmal mehr Enttäuschung. Hass war eine scharfe Klinge, soviel wusste sie.
Ein paar Mal lief sie Tendou im Schulflur über den Weg, aber da sie unter Menschen weiterhin so taten, als würden sie sich nicht kennen, mussten ein paar Blicke und kurze Textnachrichten ausreichen. Einem unbegreiflichen Teil von ihr war das nicht genug.
Auch Tendou hatte Iwasakis schlechte Laune bemerkt und sie waren sich einig, dass die Ferien gerade recht kamen, damit er ein paar Tage lang in seiner Wut schmoren konnte.
Erst am Nachmittag, als das Schulende mit jedem leisen Ticken der Uhr näher rückte, konnte sie das Wippen ihres Beins nicht länger unterdrücken. Sie hatte Ikumi versprochen, über die Ferien nach Hause zu kommen. »Nach Hause«, dachte sie höhnisch und die Worte hinterließen einen bitteren Geschmack auf ihrer Zunge. Sie war sich nicht sicher, ob es noch ihr zuhause war, aber in den letzten zwei Wochen hatte sie sich Schlimmerem gestellt, als einer Konfrontation mit ihren Eltern.
Trotzdem ließ sie sich Zeit damit, ihre Sachen zusammenzupacken, sobald die Klingel das Unterrichtsende verkündete, als könnte sie vielleicht den Zug verpassen, der erst am nächsten Mittag abfuhr, wenn sie nur jetzt schon anfinge zu trödeln. In den nächsten Tagen würde sie sich sehr viel dehnen müssen, um die Anspannung aus ihren Muskeln zu lösen.
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Baki Baki [Tendou Satori, Haikyuu!]
Fanfiction»Wenn es etwas gab, das Kasasagi in ihren dunkelsten Nächten wachhielt, dann die Aussicht, sich vor jemand anderem als sich selbst für ihr Handeln verantworten zu müssen. Und jetzt gab es jemanden und er trug ausgerechnet die Schuluniform der Shirat...