Paris musste warten. An schlechten Tagen war sie versucht zu glauben, dass es für immer warten musste.
Die Monate bis zu den Abschlussprüfungen waren lang und mühsam. Sie hatte vergessen, wie man lernte. Alles erschien ihr plötzlich viel mühseliger und egal wie oft sie ihre Notizen durchlas, die Inhalte erschlossen sich ihr nicht. Es machte sie wütend und traurig, bis zu dem Punkt, an dem sie am liebsten aufgegeben hätte.
Wenigstens musste sie nicht an die Shiratorizawa zurückkehren. Niemand hatte das ernsthaft von ihr erwartet – stattdessen hatte sie von offizieller Seite die Genehmigung bekommen, die letzten Monate auf die Hibariama Oberschule zu gehen und dort auch ihre Prüfungen zu schreiben. Also war sie in Tokyo geblieben und hatte den Rest des letzten Schuljahres mit ihrer Familie und alten Freunden verbracht.
Zuerst hatte Kasasagi Angst gehabt, sie würde nicht mehr zu ihnen passen, aber nachdem die Sache mit Masako aus der Welt geschafft war, merkte sie, wie einfach es war, sich ihren alten Freundinnen wieder zu öffnen. Ikumi war noch immer der Kopf hinter allen dummen Ideen, die nicht selten darin endeten, dass sie alle in Schwierigkeiten gerieten. Auch nach Jahren wurde sie noch immer nicht müde, sich darüber aufzuregen, dass die Hibariama eine reine Mädchenschule war. »Und die von der Nekoma fallen ja schon in Ohnmacht, wenn sie mal einen nackten Knöchel sehen«, behauptete sie.
Alika war immer noch groß und still und schaffte es irgendwie, sie alle aus besagten Schwierigkeiten hinauszumanövrieren. Seit sie in diesem Jahr zur Kapitänin des Volleyballclubs ernannt worden war, hielt sie sich aufrechter und Kasasagi war sich sicher, dass Masakos leuchtende Augen dafür verantwortlich waren, dass Alika nun ab und an das hübsche sonnengelbe Kleid trug, das ihre dunkle Haut betonte.
Saida zwang sie immer noch zu Filmabenden mit Gesichtsmasken und Maniküre (und je näher die Prüfungen rückten auch mit Mathe- und Physikaufgaben). In den Pausen flocht sie noch immer die Haare der anderen zu unsäglich komplizierten Frisuren, die sie am Abend schweren Herzens lösen mussten. Und von ihr hatte Kasasagi den dunkelroten Lippenstift, der eine hypnotische Wirkung auf Tendou zu haben schien.
Ihre Freundschaft mit Masako war immer noch ein empfindlicher Setzling, aber sie gaben sich beide Mühe, die Vergangenheit hinter sich zu lassen. Von ihr kamen immer noch die besten Rezensionen über jedwede Form von Fiktion (Filme, Serien, Bücher und jede Menge smutty Fanfictions) – insbesondere lange nach Mitternacht unter der Woche, wenn am nächsten Morgen Schule war.
Das Einzige, das Kasasagi schwerfiel, war der Umgang mit Yukari. Nicht weil diese nicht mehr die liebste und herzlichste unter ihnen war. Sondern gerade deshalb. Es dauerte Wochen, bis sie es übers Herz brachte, Yukari endlich zu gestehen, dass sie mit Daiju geschlafen hatte. Was zu einer Menge Tränen führte, obwohl Yukari steif und fest behauptete, dass sie kaum noch in Daiju verliebt war. Was gelogen war, denn Kasasagi bemerkte durchaus den verträumten Ausdruck auf Yukaris Gesicht, wann immer es um Saidas Bruder ging. Sie war schon so lange in ihn verliebt, dass sich keine der Freundinnen an eine Zeit davor erinnern konnte.
»Als wäre er ein biblisches Ereignis. In unserer Zeitrechnung gibt es nur ein Vor Daiju und ein Während Daiju«, hatte Ikumi einmal gesagt. »Und irgendwann hoffentlich ein Nach Daiju, wenn sie merkt, dass sie was Besseres verdient hat.«
»Lesbisch müsste man sein«, hatte Masako in die Runde geworfen und war augenblicklich puterrot angelaufen, als sich alle ihr zugewandt hatten. Den Hinweis darauf, dass sie gerade in diesem Moment mit Alika unter der Bettdecke Händchen hielt, ersparten die Mädchen sich.
An die Hibariama zurückzukehren fühlte sich ein wenig wie eine Zeitreise an. Obwohl die Oberschüler in einem anderen Gebäude untergebracht waren, war es doch derselbe Hof und zu großen Teilen dieselben Gesichter, die sie in der Mittelschule jeden Tag gesehen hatte. Sie war erleichtert über die Vertrautheit. Vor allem, weil bei ihren Eltern (zuhause nannte sie es nur, wenn ihre Mutter in der Nähe war) dank des Babys nichts mehr vertraut war.
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Baki Baki [Tendou Satori, Haikyuu!]
Fanfiction»Wenn es etwas gab, das Kasasagi in ihren dunkelsten Nächten wachhielt, dann die Aussicht, sich vor jemand anderem als sich selbst für ihr Handeln verantworten zu müssen. Und jetzt gab es jemanden und er trug ausgerechnet die Schuluniform der Shirat...