Kapitel 7: Finsternis

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»Wieso siehst du aus wie ein Einbrecher?«

»Die Frage ist doch eher, warum du nicht aussiehst wie ein Einbrecher«, erwiderte sie, während sie sich die langen Haare zu einem Zopf band.

Tatsächlich war sie ganz in Schwarz gekleidet, von den Strümpfen bis zum Haargummi – allerdings waren die Schuluniform und die Schürze von der Arbeit auch ungefähr das einzig Farbige, das sie besaß. Was nicht allein ihre Schuld war, weil ein Großteil ihrer Freizeitkleidung nun einmal Ikumi gehört hatte und diese seit mehreren Jahren eine, wie ihre Eltern es nannten, schwierige Phase durchmachte. Die ‚schwierige Phase' zeichnete sich vor allem durch vornehmlich dunkle Kleidung und die freizügige Verwendung großer Mengen Kajal und Lippenstift in der Farbe Nachtigall aus.

»Falls du nicht vorhast, deinen zukünftigen Ehemann auf einer Beerdigung kennenzulernen, schlage ich vor, dass du dir etwas Vernünftiges anziehst«, hatte ihre Mutter zu sagen gepflegt, bis Ikumi mit 16 der Geduldsfaden gerissen war und sie geantwortet hatte: »Wir tanzen dann zusammen auf deinem Grab.« Seitdem beließ ihre Mutter es bei tadelnden Blicken, wenn sie das Haus wieder ganz in Schwarz verließ.

Als Kasasagi endlich mit ihren Haaren fertig war, musterte sie noch einmal skeptisch seinen Aufzug. Sie blieb dabei vor allem an den pinken Ohrenwärmern hängen, die er schon vor einigen Tagen auf dem Dach getragen hatte. Damals war ihr nicht nach Lachen zumute gewesen, aber jetzt konnte sie sich ein amüsiertes Grinsen nicht verkneifen.

Tendou zog die Stirn kraus: »Wieso sollte ich aussehen wie ein Einbrecher?«

»Ich weiß nicht«, sagte sie und klang dabei nicht im Geringsten, als würde sie es so meinen, »Vielleicht weil wir in die Schule einbrechen.«

Scheinbar würde sie nun zum Wiederholungstäter werden. Ihr letzter Einbruch war gerade einmal eine Woche her und hier war sie nun, bereit für einen zweiten. Allerdings konnte sie wohl schlecht einfach tagsüber ins Sekretariat spazieren und nach Iwasaki Akitos Akte fragen.

»Wir tun was?«

Entgeistert blinzelte Tendou sie an.

»Wir brechen in die Schule ein«, wiederholte sie nonchalant.

So wie sie es sagte, klang es eigentlich nicht nach einer großen Sache, obwohl ihr natürlich klar war, dass sie damit wieder alles aufs Spiel setzte, was ihr wichtig war. Zwei Tage hatte sie gebraucht, um die Angst ihr Stipendium zu verlieren, niederzukämpfen. Und dann hatte sie einen weiteren Tag damit verbracht, sich zu überlegen, ob sie Tendou dabeihaben wollte oder nicht. Als Taschendieb hatte er sich bisher nicht gerade mit Ruhm bekleckert und sie war sich nicht sicher, ob er überhaupt in der Lage dazu war, irgendwo einzubrechen ohne Muffensausen zu bekommen. Allerdings hatte sie dieses Mal nicht vor, etwas zu stehlen und sie hoffte, zwei Paar Augen würden Iwasakis Akte schneller finden als eins.

»Und warum zum Teufel machen wir das unter der Woche?«

Überrascht stellte sie fest, dass er das Vorhaben nicht grundsätzlich ablehnte. Sie war auf eine Grundsatzdiskussion mit ihm eingestellt gewesen, aber stattdessen raufte er sich die Haare, ehe er theatralisch auf die Ringe unter seinen Augen deutete. Aber er machte keine Anstalten wieder zu gehen. Er sah wirklich müde aus, das musste sie ihm lassen. Allerdings gab sie selbst kein besseres Bild ab, trotz des Nickerchens, das sie in der Mittagspause gehalten hatte.

»Glaub mir, ich würde auch lieber im Bett liegen«, versicherte sie ihm und prompt spürte sie ein Gähnen in sich aufsteigen, »Aber am Freitag habe ich Nachtschicht und am Samstag fahre ich nach Hause und sowieso würde ich es gerne so schnell wie möglich hinter mich bringen. Außerdem sind wir jetzt eh schon hier.«

»Und du hättest mich nicht vorwarnen können?«, fragte er und zog dabei eine Schnute, die eher nach Schlaganfall als nach Schmollmund aussah. Vielleicht war es die Müdigkeit, aber sie musste schon wieder grinsen.

Baki Baki [Tendou Satori, Haikyuu!]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt