Kapitel 6: Streicheleinheiten

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Das Flüstern verwandelte sich in ein Tosen und das Tosen in Gebrüll. Seine Hände fanden ihren Weg an ihre Taille, seine Zunge den in ihren Mund und für einen kurzen Moment hätte Kasasagi beinahe vergessen, wo sie waren.

Sie spürte seinen Herzschlag genauso schnell wie ihren eigenen unter ihren Fingern donnern.

Tendou zu küssen war ähnlich, wie am Abgrund zu sitzen. Es war dasselbe Gefühl, keinen Boden unter den Füßen zu haben, nur dass sie bei Tendou nicht wusste, wie tief sie fallen würde. Aber Küssen war viel einfacher als Reden. Sie konnte nichts sagen, das sie nicht zurücknehmen konnte und er konnte nichts sagen, das sie nicht hören wollte.

Seit er ihr in ihrem Zimmer aufgelauert hatte und er ihre nackten Beine angestarrt hatte, als hätte er noch nie ein Mädchen gesehen, war ihr klar, dass sie ihm gefiel. Zumindest äußerlich. Sie machte sich keine Illusionen, was er sonst von ihr hielt. Er mochte sich entschuldigt haben, aber das änderte nichts daran, dass sie in seinen Augen eine dreckige Diebin war.

Und das war gut so. Dann konnte sie ihn küssen und er würde nicht erwarten, dass sie ihm ihre Abgründe zeigte. Sie konnte ihn küssen, bis sie nicht mehr daran denken musste, bis sie an gar nichts mehr denken musste.

Ungestüm schob sie die Finger in seine Haare.

Für einen Moment fragte sie sich, ob sie nun zu allem Überfluss auch noch seinen ersten Kuss raubte, aber dann ging der Gedanke zwischen seinen Händen unter. Es war nicht das erste Mal, dass sie jemand gegen das Denken küsste, aber das erste Mal, dass es ihr auf widersinnige Weise gefiel.

Langsam schob Tendou sie rückwärts, bis sie mit dem Hintern gegen eine der Waschmaschinen stieß. Der Griff um ihre Taille verstärkte sich, bevor er sie hochhob und ihr half, sich zu setzen. Etwas drückte sich von hinten gegen ihre Waden.

Seine Lippen waren ein heißes Versprechen an ihrem Hals, das ein Prickeln über ihren Körper jagte. Vielleicht doch nicht sein erster Kuss, dachte sie, ehe sie die Hände unter sein Oberteil schob. Rastlos fuhren ihre Finger über seine warme Haut, bis sie ihm schließlich das Shirt über den Kopf zog.

Wortlos erwiderte er die Geste bei ihr. Obwohl er so still war, wirkte es diesmal nicht so, als wäre er von ihrer Nacktheit eingeschüchtert. Im Gegenteil, während seine rauen Finger sie erkundeten, wurde er immer mutiger.

Sie seufzte leise, als er sich gegen sie drückte.

Schließlich war er es, der sich zuerst von ihr losreißen konnte.

»Ich dachte, du hasst mich«, sagte Tendou.

Er klang ein wenig atemlos, aber immerhin nicht vorwurfsvoll. Sie dachte einen Moment darüber nach, ehe sie sich die wirren Haare aus dem Gesicht strich und antwortete: »Wer sagt, dass das nicht meine Art ist, dir zu zeigen, wie sehr ich dich hasse?«

Was sie nicht tat. Am Anfang vielleicht, als sie geglaubt hatte, er würde ihr drohen, aber jetzt war er irgendwo gefangen zwischen Abneigung und Hingezogenheit und bewies damit wieder, dass Kasasagi immer haben wollte, was sie nicht wollen sollte. Sie war froh, dass er im Dunkeln nicht sehen konnte, wie sie das Gesicht verzog.

»Wenn das deine Art ist, deinen Hass zu zeigen, möchte ich herausfinden, wie du jemanden küsst, den du magst.«

Bei diesen Worten versteifte sie sich. Sie wusste, dass es nur so dahingesagt war, es war schließlich auch die einzige logische Antwort auf ihre dämliche Frage, aber es war überhaupt nicht, was sie hatte hören wollen.

Sie waren sich doch einig in ihrer Uneinigkeit, oder?

Als sie nicht antwortete, ließ er stattdessen wieder die Lippen über ihren Hals gleiten.

Baki Baki [Tendou Satori, Haikyuu!]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt