Teil 11

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Sinna saß angespannt auf dem Stuhl, im Zimmer des Direktors und sah sich die dunklen Tapetenwände an, sowie die viel zu dunklen Möbel.
Dabei drang ihr unaufhörlich der Gestank von Zigarren in ihre Nase, sodass sie kurz überlegt war die wenigen Fenster in dem Zimmer aufzureißen. Doch bevor sie ihre Gedanken der Tat umsetzen konnte, trat jemand durch die Tür.
>>Guten Morgen<< begrüßte sie ein älterer Mann schließlich und setzte sich gegenüber von ihr auf den Sessel.
Weiße Haare umrahmten seinen etwas kantigen Kopf und ein gestutzter Bart zierte sein Gesicht.
Doch was sie wunderte waren seine Augen, die in einem so hellen Grauton leuchteten, dass es nicht gesund sein konnte.

>>Ihre Augen<< hörte sie sich sagen und beugte sich weiter in ihrem Stuhl vor, woraufhin sich ein Lächeln auf seine Lippen legte.
>>Ich habe mein Augenlicht verloren Kind. Vor einigen Jahren.<<
>>Wie?<< fragte sie, woraufhin er sich stirnrunzelnd nach vorne beugte, als könnte er so sehen, wer hinter dieser Fragerei steckte.
Sinna aber sah nichts falsches daran ihn zu durchbohren und wartete daher neugierig, dass er antworten würde.
>>Sie sind die erste, die sich traut diese Frage zu stellen. Außer meinen Söhnen weiß es sonst niemand.<< stellte er fest.
Er lehnte sich in seinem Stuhl zurück, bevor er wieder zum sprechen ansetzte.
>>Wie ist ihr Name. Und von wo, hat man Sie zu uns gebracht?<<
Sinna schluckte schwer und rief sich die Worte von Hawke wieder ins Gedächtnis. Er wollte, dass sie ihr Geheimnis nicht preis gab und obwohl ein Teil von ihr das als Falsch empfand, würde sie sich dennoch daran halten.
Sie hoffte allerdings, dass der Direktor sie nicht so weit ausfragen würde.
>>Sinna. Mein Nachname ist mir nicht bekannt, weil ich nicht weiß, wer meine Eltern sind. Hawke hat mich aus der Psychiatrie im State Hospital rausgeholt.<<
Sie sah auf das Namenskärtchen auf seinem Pult, weil sie seinen Namen noch nicht kannte. M.Kane stand in Druckbuchstaben geschrieben.
>>Ihre Gabe ist?<< fragte er sie und als ihr Blick zu ihm huschte, bemerkte sie erst dann das kleine Gerät in seiner Hand, welches an der Spitze rot aufleuchtete. Sie kannte solche Geräte, da die Psychologen diese auch in der Anstalt verwendet hatten.
Aufnahmegeräte, effektiver, denn so konnten sie im Nachhinein die Stimmlagen und die Pausen analysieren.
>>Ich sehe Geister.<< antwortete sie, ohne den Blick von dem Gerät abzuwenden.
>>Wie stark ist sie ausgeprägt, wenn es soweit kam, dass man Sie in eine Anstalt gesteckt hat.<<

Sag nur, dass du sie sehen und hören kannst. Manchmal zwei Gleichzeitig. Bleib bei dieser Halbwahrheit.

Hörte sie Hawkes Worte nochmals, bevor sie auf die Frage antwortete. >>Ich kann sie hören und ich kann sie sehen. Manchmal mehr, als nur einen.<<
Ihre Stimme war fest, sodass ihre Antworten kaum angezweifelt werden könnten. Die nächste Frage aber, brachte sie für einige Augenblicke aus dem Konzept.
>>Eines meiner Schülerinnen hat Sie attackiert. Warum Sinna?<<
>>Ich weiß es nicht<< antwortete sie viel zu schnell.
Doch er schwieg und stellte keine weiteren Fragen.
>>Es tut mir Leid dafür, dass es soweit kam. In Zukunft wird sie Sie nicht mehr belästigen Sinna. Sie sollen wissen, dass ich auf meinem Internat sowas nicht toleriere.<<
>>Danke<< stieß sie aus und holte tief Luft. Krallte sich dabei an die Lehnen, als das Zimmer begann kühler zu werden und sie ihren Atem sehen konnte.
Nicht jetzt! Zwang sie ihren Verstand, doch es hatte keinen Zweck. Sie musste schnell hier raus.
>>Darf ich nun gehen?<< fragte sie und zwang dabei ihre Stimme fest klingen zu lassen, was ihr tatsächlich gelungen war.
>>Ja.<<
Sie erhob sich, darauf bedacht nicht zu hektisch zu werden, was ihr schwerer fiel, weil ihre Sicht nun langsam zu verschwimmen drohte.

>>Noch eine Sache.<< hielt der Direktor sie auf, bevor sie die Klinke nach unten drücken konnte.
>>Ihr sollt am Unterricht teilnehmen Sinna. Mein Sohn soll nicht zusätzlich im Alltag belastet werden durch Einzelunterricht. Keines meiner anderen Schüler bekam das Privileg, also werden sie bestimmt verstehen, dass ich da keine Ausnahme machen kann.<< ermahnte er sie.
>>Ja. Ich verstehe. Dankeschön für ihre Zeit.<< hörte sie ihre eigene Stimme von weiter Ferne, bevor sie die Tür öffnete, sie vorsichtig hinter sich schloss und durch die Gänge hastete.

~~~

Stahlketten lagen um ihre Handgelenke, während sie mit nichts als einem Sack am Leib, auf dem Boden kauerte. Da war kein Licht, außer dem kleinen Schein durch das Schlüsselloch.
Es fühlte sich an wie eine nasse Zelle und das Geräusch von Nageltieren drang in ihre Ohren.
Sie kratzte mit ihren Nägeln auf dem Boden, immer wieder, bis sie begannen zu schmerzen und klebrig waren vom ganzen Blut.
Es war nicht so, als würde sie sich verängstigt fühlen.
Nein.
Sie spürte Ruhe, doch diese Ruhe verschwand Augenblicklich, als die Tür grob aufgestoßen wurde und ein Mann hereintrat, in einem viel zu weißen Kittel und mit einem strahlenden Lächeln, welches Grotesk wirkte im Zusammenhang ihres Zustandes.
>>Bringt sie ins Zimmer.<< drang die tiefe Stimme des Mannes in ihr Bewusstsein, bevor zwei Männer in ihre Zelle traten und ihre Fesseln lösten.
Sie war zu schwach um zu kämpfen, sodass nur Klagelaute ihre Lippen verließen und sie schlaff in den Armen der Männer mitgezogen wurde.
Ihre Augen brannten durch das grelle Licht und als sie endlich daran gewöhnt war, hatte man sie auf einem Tisch drapiert und neue Fesseln angelegt.
>>Versuch 231.<< Der Mann in dem Kittel holte eine Spritze hervor und egal wie sehr sie sich auch versuchte zu konzentrieren. Die Gesichter wurden nicht scharf genug, um diese zuordnen zu können.
>>Lass es nicht auf einen 232. Versuch ankommen Liebes.<< hörte sie ihn tadeln, bevor er die Spritze an ihren Hals setzte und die Flüssigkeit unter ihre Haut drang.
Mit einem Mal brannte ihr gesamter Schädel und ein plötzlicher Zitteranfall übernahm die Kontrolle ihres Körpers. Sie schrie und brüllte aus vollem Leibe, bevor ein Schrei in ihrem Kopf ihre Trommelfelder zum platzen brachte und ihr Herz schließlich zertrümmerte.

>>SINNA!<< holte sie eine Stimme aus dem Albtraum, bevor sie sich an jemanden festkrallte. Zu spät realisierte sie, dass es nicht Hawke war. Doch bevor sie realisieren konnte, an wessen Brust sie gedrückt war, sah sie an ihm vorbei in das Gesicht einer Frau.
Blut rann ihr unaufhörlich aus ihren Augen und sie war so mager, dass Sinna fast jeden Knochen ausmachen konnte.
Sie wusste auf anhieb, dass diese Erinnerung der Frau gehörte.
>>Lauf<< flüsterte sie, bevor sie ganz plötzlich verschwand.

The Darknes of SinnaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt